17. Geständnisse

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  Die ganze Zeit über, in der Patrick erzählte, behielt Manuel seine Hand auf seinem Knie. Er traute sich nicht näher an ihn heranzurutschen und ihn zu trösten, als er anfing zu weinen. Es fühlte sich so als, als bräuchte er gerade seinen Freiraum. Als würde er ihn nur zu sehr einengen, wenn er ihn jetzt umarmte.

  »... Ich habe mir schnellstmöglich eine neue Wohnung gesucht und versucht, die überteuerten Möbel zu verkaufen. Da ich nie eine Ausbildung beendet habe, brauchte ich einen Job, in den ich so kommen konnte. In welchem ich schnell Geld machte, auf legalem Wege, versteht sich, ich wollte nicht in weitere Schwierigkeiten geraten.« Er lachte kurz auf und schüttelte seinen Kopf. Er hatte die ganze Zeit über Manuel nicht in die Augen schauen können, doch nun griff er wenigstens nach seiner Hand auf seinem Knie. »Durch Zufall bin ich auf den Nachtclub aufmerksam geworden und habe mich direkt am nächsten Abend vorgestellt. Ich habe vorgetanzt, sie wollten meinen Körper sehen und scheinbar habe ich sie überzeugt. Am kommenden Abend habe ich angefangen zu tanzen. Ich habe mich zum ersten Mal wieder glücklich gefühlt. Ich hatte Leute um mich, die mich mochten. Männer schmachteten mich an, ich fühlte mich begehrt. Aber Alex hatte irgendwann die monatlichen Zahlungen erhöht.« Es schmerzte noch immer, diesen Namen auszusprechen. Dadurch vergrub er automatisch seine Fingernägel in Manuels Hand, doch dieser beschwerte sich nicht über den Schmerz. »Ich musste einen Raum anfordern. Ich habe es gehasst, mit Männern zu schlafen. Wundgeschrubbt habe ich mich in der Dusche nach einer Schicht. Am Anfang kannst du dir nicht aussuchen, mit wem du schlafen willst. Ich meine, zu uns kommt niemand mit schlechter Körperhygiene rein oder so, aber es war trotzdem erniedrigend. Es hat lange gedauert, bis ich meine Stammfreier hatte und pingelig sein konnte, wer mit mir mitkommt. Mittlerweile ist es für mich ein normaler Job, aber ich wünschte, ich hätte den Druck nicht mehr, weißt du?«

  Patrick weinte leise und schmiegte sich an Manuel an, nachdem er fertig war mit erzählen. Eine Weile schwiegen sie und der Tänzer wusste, dass Manuel nach den richtigen Worten suchte. Er fuhr durch die Haare des Tänzers und hoffte ihn so zu beruhigen.

  »Wie«, der Architekt verstummte, doch Patrick forderte ihn auf zu reden. »Wie viel musst du noch zurückzahlen?«

  »Zehntausend«, sagte er mit zitternder Stimme. »Das sind nur noch vier Monate, dann bin ich frei.«

  »Scheiße, Patrick«, fluchte Manuel und setzte sich wieder so hin, dass er ihm in die Augen sehen konnte. »Du hättest zum Anwalt gehen müssen, der hätte doch sicherlich irgendwas gefunden. Den Vertrag nichtig machen.«

  »Nein«, der Tänzer schüttelte mit dem Kopf. »Glaubst du etwa, ich bin nicht auf die Idee gekommen? Ich bin zu drei Anwälten gerannt, doch die konnten nichts finden.«

  »Ich gebe dir das restliche Geld, dann bist du frei«, sagte Manuel und wollte schon aufstehen, doch Patrick zog ihn zurück in das Wasser. 

  »Nein. Ich will nicht schon wieder von jemandem abhängig sein.«

  Der Architekt seufzte und blickte verletzt in seine Augen. Er wollte ihm helfen, so sehr. »Ich schenke dir das Geld, dann bist du nicht abhängig«, versuchte er es erneut.

  »Nein, Manu, scheiße, das nehme ich nicht an!«, Patrick zog sauer seine Augenbrauen zusammen und hob die Stimme.

  »Dann komme ich jeden Abend zu dir in den Club.«

  »Du willst es nicht verstehen, oder?«, zischte der Tänzer und stieg aus den Jacuzzi. »Ich will endlich mal eine Sache in meinem Leben selbst hinbekommen! Ich habe mich in die Scheiße geritten, also hole ich mich auch da hinaus. Scheiße, es ist ja schön für dich, dass du mit deinem Geld rumschmeißen kannst, aber das interessiert mich nicht, ich bekomme das allein hin. Und wehe du kommst öfters zu mir, nur damit ich das Geld schneller zusammen bekomme!«

  Er stapfte wütend aus dem Wasser heraus und schaute sich nach Handtüchern um, fand jedoch keine, weshalb er sich nur die Boxershorts schnappte und komplett nass zurück in das Haus lief. Manuel hastete ihm hinterher, entschuldigte sich mehrmals. Er wollte doch nur helfen und jetzt hatte er ihn sauer gemacht.

  »Patrick«, sagte er und rannte nach ihm die Treppe hoch. »Ich wollte dich damit nicht verletzten. Ich dachte, ich könnte helfen. Es tut mir leid.«

  »Keiner kann mir helfen«, murmelte Patrick und zog sich seine Klamotten von gestern Nacht über.

  »Patrick, bitte, ich möchte nicht, dass das im Streit endet.«

  Komplett angezogen, in den Sachen, die nach Alkohol, Schweiß und Kotze rochen, stellte Patrick sich ganz nah vor Manuel und starrte ihm in die Augen. Er unterdrückte ein weiteres Schluchzen und sagte die Worte, die ihm am meisten wehtaten: »Ich möchte dich nicht mehr im Nachtclub sehen. Ich lasse dich rausschmeißen, wenn du es versuchst.«

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt