05. Erinnerungen

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  »Ich brauche nur nochmal zweihundert Euro, dann höre ich auf«, flehte Sebastian ihn an und küsste Patricks ganzes Gesicht ab. Er wusste, wie er seinen Freund herumbekam. »Ich verspreche es dir, Paddy.«

  »Nun gut«, murmelte Patrick und überreichte ihm die Geldscheine zögernd. 

  »Ich liebe dich!«, rief sein Freund mit einem müden Grinsen aus, küsste ihn auf den Mund und verschwand für eine weitere Nacht aus der Wohnung.

  Patrick wusste nicht, wie es dazu kam, dass er seinen Freund an die Spielsucht verlor. Irgendwann hatte er angefangen, ihn nach Geld zu fragen und er liebte ihn zu stark, um nein sagen zu können. Auch nach dem hundertsten Male lieh er ihm sein Geld.

  Doch jetzt wurde es auch knapp bei ihm. Er hatte sein Erbe in diese Wohnung und Beziehung gesteckt, er hatte sich immer auf seinem Puffer ausgeruht. Doch seitdem Sebastian jeden Abend hunderte Euros verspielte, dauerte es nicht lange, bis sein Konto leer war. Schon die Monate davor war es schwierig, die Miete zu bezahlen. Er hatte seine dritte Ausbildung abgebrochen, seine Bewerbungen wurden alle abgesagt und sein Freund war durch einen gebrochenen Knöchel auf Arbeit krankgeschrieben.

  Sie hatten kein Geld mehr für Essen, doch Sebastian verließ trotzdem jeden Abend die Wohnung und Patrick ließ es zu.

  Gedankenverloren schwenkte er seinen Rotwein und starrte mit leerem Blick in den verqualmten Raum. An allen Tischen saßen Gruppen oder Paare und unterhielten sich laut, sodass Patrick nur noch ein Summen wahrnahm. Er war so in seinen Gedanken versunken, dass er gar nicht mitbekam, wie die Zeit verstrich und die Bar sich leerte.

  »Ich muss dich langsam abrechnen, wir schließen bald«, erklang eine weibliche Stimme vor ihm und er schreckte hoch. »Das macht dann 12€ bitte.

  »Ja. Ja, natürlich«, schreckte Patrick hoch und kramte nach seinem Portemonnaie.

  Er kratzte sein ganzes Münzgeld zusammen und bemerkte schnell, dass er seinen Rotwein nicht bezahlen konnte. Seine Hände fingen unkontrolliert an zu zittern und er traute sich nicht aufzuschauen.

  »Es tut mir leid, ich - kann ich bei Ihnen anschreiben? Ich lasse Ihnen auch meinen Führerschein da, das ist mir ja so unangenehm«, haspelte Patrick, während ihm langsam Tränen in die Augen schossen.

  »Das geht mit auf meine Rechnung«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm und die Barkeeperin atmete erleichtert aus.

  Patricks Augen folgten dem Unbekannten zu seinem Tisch, an dem eine kleine Gruppe an Menschen auf ihn wartete. Als er bemerkte, dass Patricks braune Augen auf ihm lagen, winkte er ihn zu sich herüber. Seine Beine fühlten sich wie Pudding an, als er zu ihm lief. Alle Köpfe waren zu ihm gerichtet, aber niemand schien sich darüber lustig zu machen, dass er einen einfachen Rotwein nicht bezahlen konnte.

  »Wie ist dein Name?«, fragte der Mann, der ihm sein Getränk bezahlt hatte.

  »Patrick«, brachte er mit zittriger Stimme hervor.

  »Ich bin Alex«, grinste er und zog einen Stuhl zurück. »Setz dich doch noch einen Moment, Patrick.«

  Irgendwie landete Patrick irgendwann diesen Abend in Alex' Bett. Der Alkohol konnte es nicht gewesen sein, er hatte nur ein Glas getrunken. Eher war es der Charme des großen Mannes, seine tiefe Stimme und die Art, wie er ihn fühlen ließ; das Vergessen von seinem miserablen Leben.

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt