Der Regen hatte in der Nacht schon mit leichten Tropfen angefangen, aber inzwischen war er so dicht geworden, dass man nicht weiter als ein paar Schritte voran sehen konnte. Der enge Pfad die Schlucht hinauf war so glitschig, dass sich selbst die erfahrenen Soldaten der Drachengarde an die gespannten Taue klammerten, als hinge davon ihr Leben ab.
Asifas Kleid klebte ihr unangenehm am Körper und schränkte ihre Bewegungen mehr ein, als es ihr lieb war. Dennoch warf sie den Soldaten, die ihr zu helfen versuchten, böse Blicke zu, wann immer ihre Hände ihr zu nahe kamen. Es waren andere Männer als die, die sie aus der Klippenstadt zu ihrem Posten am Eingang der Schlucht begleitet hatten und sie vermutete, dass auch das ein weiterer Schritt war, um schlecht durchdachte Rettungsaktionen der unglückseligen Jungfrauen zu verhindern. Damit sie nicht einen der Soldaten für sich gewann und davon überzeugte, sie laufen zu lassen oder dergleichen.
Ihr war es nur Recht – von den Männern, die sie den Weg bis unter das Plateau bei der Drachenhöhle begleiteten, hatte niemand ihre Auseinandersetzung mit Samir gesehen. Sie hatte seitdem kein Wort mehr mit ihm gewechselt, nur stumm zugehört, als er und der Hauptmann der Drachengarde noch einmal den genauen Ablauf des Opfers durchgingen, ihren Teil darin.
Sie hatte wieder von Feuer geträumt. Der Traum war nicht klarer gewesen als der letzte, hatte ihr keine Erleichterung oder Gewissheit verschafft, nur das fortwährende, unbestimmte Gefühl, dass ihr Plan nicht ganz so glatt verlaufen würden, wie sie es sich erhofften.
„Vorsicht!", brüllte einer der Männer vor ihr, halb ertränkt vom Regen und dann hörte sie ein gewaltiges Krachen, als sich das überhängende Gestein einige Längen vor ihnen löste und mit einem Krachen die Flanke der Schlucht hinunterstürzte. Asifa zuckte nicht einmal zusammen.
„Geht es Euch gut, meine Dame?", fragte ein Soldat hinter ihr besorgt. Zur Antwort zog sie sich so rasch am nassen Seil entlang, dass er Mühe hatte, mit ihr Schritt zu halten.
„Was für ein erbärmliches Wetter", murmelte der Mann vor ihr und sie bezweifelte, dass er sie kommen gehört hatte und jetzt ansprach. „Aber nur passend, für einen Tag wie diesen."
Asifa beschloss, ihm ihre Nähe nicht mitzuteilen. Es war seltsam gewesen, die Nacht unter den Soldaten zu verbringen. Sie hatte selbstverständlich ihr eigenes Zimmer gehabt, nur dass sie nicht wie die Frauen vor ihr darin eingesperrt gewesen war und dafür den Gesprächen der Männer gelauscht hatte. Manche von ihnen glühten vor Überzeugung, dass das Opfer die größte Ehre war, die man sich vorstellen konnte, und eine Familie für ihre tote Tochter nichts als Dankbarkeit zu zeigen hatte, andere sahen selbst sie, die ein Schwert unter dem Kleid tragen würde und nicht daran dachte, sich dem Drachen zu ergeben, mit einem Anflug von tiefer, wehmütiger Traurigkeit an. Es gab jene, die fröhlich dem Wein zusprachen über die Aussicht, womöglich bald von ihrem Posten befreit zu sein und andere, die nicht einen Moment lang an ihren Erfolg glaubten.
Ein perfekter Spiegel von dem, was auch in ihr selbst vorging.
Der Regen wurde nicht schwächer, bis sie nach langem Kämpfen endlich das Ende der Schlucht erreicht hatten, wo sie ein einzelner Mann erwartete, im Eingang einer krude errichteten Steinhütte. Sein Bart war lang und schlohweiß, sein Gesicht voll müder Resignation. Der Drachenwart. Man hatte sie auf ihn vorbereitet. Hinter ihm war eine Treppe in den Felsen geschlagen, die sich in engen Kurven gegen den Stein nach oben schlängelte, bis zu einem Ende, das im Regen verborgen war.
„Ihr habt nur kurz Zeit euch drinnen aufzuwärmen", begrüßte der Drachenwart sie knapp. „Der Drache erwartet sein Opfer zur Mittagszeit."
Der Anführer der Drachengarde nickte nur knapp, ohne ein Wort der Begrüßung zu verlieren, bevor er als erstes in die kleine Hütte eintrat. Sie war nur notdürftig eingerichtet, die meisten Gegenstände offensichtlich selbst gemacht aus dem umliegenden Gestein und Holz der kargen, knorrigen Bäume.
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Dornen - Das Königreich in Flammen
Fantasy~ Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. ~ Über ein Jahr ist vergangen, seit Prinz Samir und seine Begleiter das erlöste Königreich Ilreth verlassen haben, um ihren verlorenen Freund z...