Noch immer ließ die schwere, dunkle Eichentür ihn erzittern, wenn sie an ihr vorbeigingen. Sie lag gleich am Fuß des engen Treppenhauses, viel zu nahe an Isidoras Studierzimmer, wie er fand und das eine Mal, das etwas von der anderen Seite an ihr gerüttelt hatte, hatte sich nur zu gut in seinem Kopf eingebrannt. Auch wenn Lorelei darauf beharrte, dass es nur der Wind gewesen war, der manchmal dank der Temperaturunterschiede durch die Tunnel pfiff.
Isidoras Mutter lebte dahinter, aber wenn das Schicksal ihnen gewogen war, würden Willehad und Lorelei sie niemals zu Gesicht bekommen. Das, was sie dort hielt war nicht unbedingt ein Fluch, auch wenn es sich auswirkte wie einer – etwas hatte dort gelauert, unten in den Eingeweiden des Klippenschlosses, älter als das Schloss selbst. Es war gewachsen und es war bedrohlicher geworden, dunkler, drängender, und die bisherigen Maßnahmen waren nicht genug gewesen, um es in Schach zu halten. Es hatte Magie gebraucht. Einen Menschen, der es hütete und vom restlichen Schloss fernhielt.
Isidoras Mutter war eine mächtige Magierin in ihrer Heimat gewesen und durch die Flucht aus dem Mittagsland war ihre Kraft nur gewachsen. Umkämpft von den Stämmen und Königreichen zweier Kontinente hatte sie in Candalonien Zuflucht gefunden und sich erkenntlich gezeigt – aber auch wenn die Dunkelheit in den Tunneln anfangs für sie keine Herausforderung gewesen war, auch wenn sie alles in sich aufgenommen und ausgelöscht hatte, hatte es sie irgendwann von innen aufzufressen begonnen.
Sie hatte versucht, den Fluch wieder von sich zu trennen. Aber ein Mensch war einfacher wegzusperren als eine unbestimmte Form von dunkler Magie, deren Gefängnis schon lange genug Isidoras Mutter war. Und weil Isidora ihre magischen Kräfte geerbt hatte, war sie zu ihrer Wächterin verdammt worden.
„Es ist besser so", hatte sie leise erklärt. „Ich kann auf sie aufpassen. Manchmal ist sie noch immer bei klarem Kopf, wie früher. Und vielleicht finde ich irgendwann einen Weg, sie von dieser Dunkelheit zu befreien."
Was genau ihre Mutter war, wenn ihr der klare Kopf fehlte, erklärte sie nicht, aber Willehad reichte die Brüchigkeit in ihrer Stimme völlig aus, um sich das wichtigste denken zu können. Jedes Mal, wenn sie an dem düsteren Gefängnis ihrer Mutter vorbeikamen bei einem neuen Versuch, in das Felsenlabyrinth unter dem Schloss vorzudringen, drängten die Bilder sich in ihm hoch.
„Guck nicht so ängstlich", raunte Lorelei ihm zu, die hinter ihm die Treppen hinabgestiegen war, den Großteil ihrer Ausrüstung geschultert. „Die Tür ist zu, das hat Isidora uns wegen dir sogar noch gezeigt."
Das Felsenlabyrinth zu erkunden hatte sich als deutlich komplizierter herausgestellt, als Willehad sich je erträumt hätte. An vielen Stellen war der Boden so glatt und feucht, dass sie feste Wanderstäbe gebraucht hatten, um ihn zu überqueren, andere Passagen waren gänzlich unter Wasser gesetzt oder halb zusammengestürzt. Noch war alles davon völlig ausgestorben – unter Isidoras Gemächern nutzte niemand die klammen Kammern und unterirdischen Höhlen für irgendwas, die besser erschlossenen Gebiete des Tunnelsystems hatten ihre Eingänge alle an ganz anderen Stellen des Schlosses. Das Ziel ‚ein Weg zu den Kerkern finden' hatte sich sehr schnell durch ‚überhaupt eine Verbindung zu den anderen Tunneln finden' ersetzt. Isidora hatte ihnen eine dickflüssig silberne Tinktur gegeben, mit der sie an die Wände malen konnten, um ihren Weg zu markieren und die nur durch ein magisches Wort sichtbar wurde, das sie ihnen beigebracht hatte.
Erst hatte Willehad noch geglaubt, dass sie sich vor allem darauf wappnen mussten, die Wachen in den anderen Teilen zu vermeiden, doch sie hatten schnell festgestellt, dass sie sich dafür erst einmal überhaupt zurechtfinden mussten. Nachdem sie das erste Mal erfolglos jeder möglichen rechten Abzweigung gefolgt waren, bis sie endgültig in einer Sackgasse gelandet waren, hatte Willehad kurzerhand ein großes Stück Papier und Kohlenstifte mitgebracht, um grobe Aufzeichnungen über den Verlauf der Wege zu machen. Isidora hatte die Karten beigesteuert, die sie selbst hatte, aber bis auf ein paar zusätzliche Kammern um das Versteck ihrer Mutter herum zeigten die ihnen wenig. Sie selbst nutzte nur die geheimen Gänge als Aufbewahrungsort für Tränke und ihre Zutaten, die sich in kühler Dunkelheit besser hielten als bei ihr, oder für die sie keinen Platz mehr hatte und hatte sich nie weiter vorgewagt.
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Dornen - Das Königreich in Flammen
Fantasy~ Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. ~ Über ein Jahr ist vergangen, seit Prinz Samir und seine Begleiter das erlöste Königreich Ilreth verlassen haben, um ihren verlorenen Freund z...