53 - Hexenherz

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Willehad war, als würde er erst wieder atmen können, sobald die schwere Eichentür hinter ihnen zugefallen war. Allerdings hörte dieses Gefühl einen Moment später schon wieder auf, als Lorelei sich ihm so überschwänglich um den Hals warf, dass es ihm fast die Luft abdrückte, ihre perfekt zu Schau getragene Miene der Unsicherheit und Abneigung mit einem Mal durch triumphierende Freude ausgetauscht.

„Wir haben es geschafft!", rief sie aus und ließ ihn endlich wieder los, damit er nach Atem japsen konnte, während sie zu der Tür hin eilte und das Ohr daran legte. „Und gegen Lauscher sind wir so gut wie sicher", fügte sie zufrieden hinzu. „Hast du sie davon überzeugt, dass du es gerne lauter magst?"

Sie wackelte anzüglich mit den Augenbrauen und Willehad wurde schon wieder rot, auch wenn er nach den peinlichen letzten Stunden längst immun dagegen hätte sein sollen.

„Ich glaube, Lucio erwartet mehr Gegenwehr", murmelte er. „Er scheint mir kein besonders angenehmer Zeitgenosse zu sein."

Loreleis Grinsen erstarb. „Nein", stimmte sie leise zu. „Das ist er nicht. Aber wenn er das wäre, dann hätte das hier auch nicht funktioniert, oder?"

Auch wenn sie versuchte, ermutigend zu klingen, hörte er das kurze Zittern in ihrer Stimme nur zu gut und beschloss, dass er nicht weiter nachfragen wollte, ihr zuliebe. Männern wie Lucio ausgeliefert zu sein, selbst wenn es nur ein paar Tage gewesen war, selbst wenn er ihr noch nichts angetan hatte, das konnte kein Thema sein, mit dem sie sich gerne beschäftigte.

„Nein", stimmte er also dumpf zu. „Und Jacinta, sie ..."

„Sie erwartet natürlich doppelt und dreifach, dass wir sie und die anderen jetzt da raus holen", sagte Lorelei, ein bisschen zu schnell, um gänzlich natürlich zu klingen. Aber sie sah dankbar aus, das reichte Willehad. „Ich glaube ihr ist klar, dass es nicht unbedingt unser Plan war, dass ich zu ihnen geworfen werde und du mich mitretten musst, aber dass die Wachenverkleidung ziemlich genial ist, hat wohl auch sie erkannt."

Willehad stöhnte und setzte sich auf die Pritsche an der Wand ab.

„Ich habe einfach nur versucht, mich irgendwie nicht entdecken zu lassen", murmelte er. „Das hat nichts mit Genialität zu tun."

„Das hätte nicht jeder hinbekommen", widersprach Lore ihm sofort grinsend. „Die lassen bestimmt nicht jeden einfach so auf ihre Gefangenen aufpassen, irgendetwas Schlaues hast du denen erzählen müssen."

„Das war nur Glück", sagte Willehad. „Ich kann es selbst nicht glauben, dass es noch niemandem aufgefallen ist."

„Weil du weißt, was du tust", beharrte sie. „Und ob Glück oder nicht – dieser blöde König hat dich nicht erwischt und du bist hier unten, wo du jetzt in aller Ruhe weitersuchen kannst."

„Weitersuchen?", fragte Willehad entgeistert. „Wenn ich nur eine falsche Bewegung mache, dann ... dann ist alles vorbei."

„Und was, wenn nicht?", gab Lorelei herausfordernd zurück. „Du kannst mich hier rausholen, und Jacinta von mir aus auch, und wir finden einen Weg aus dem Palast raus, klar. Vielleicht finden wir auch Yusuf und Isidora wieder und können sie mitnehmen. Aber dann stehen wir auch nicht besser da als vorher. Aber diese geheime Kammer, die war doch direkter hinter der Wachstube! Wenn sie dich alle für einen Wächter halten, dann ist das noch nicht einmal komisch, wenn du da nachschaust!"

Ihre Augen funkelten vor Aufregung und seltsamerweise war es das, was Willehad von allen Geschehnissen der letzten Tage am meisten beruhigte. Es tat gut, sie trotz ihrer Gefangenschaft und der Tatsache, wie knapp sie dem Drachenopfer entkommen war, so voller Tatendrang und Energie zu sehen, dass es ihr gut ging, dass ihr Geist noch lange nicht gebrochen war. Er ließ seinen Atem langsam entweichen und die Erleichterung füllte ihn ganz aus. Wenigstens ihr ging es gut. Wenigstens sie hatte er noch nicht vollkommen enttäuscht. Wenn sie Pläne machte, dann klang es alles ganz einfach, anders als je in seinem Kopf.

Dornen - Das Königreich in FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt