70 - Aus Asche erstanden

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Willehad fühlte sich noch immer ein wenig orientierungslos, als er erwachte, der Geschmack der Schlafmittel süß auf seiner Zunge. Heller Stoff bewegte sich in einer sanften Brise um sein Bett, er konnte Schnarchen und tiefes Atmen um sich herum hören, leises Tuscheln, entfernte Schritte. Sein Mund war trocken und er rappelte sich auf, um nach einem Krug Wasser zu sehen, nur um sich Angesicht zu Angesicht mit Lorelei wiederzufinden, die auf einem Schemel neben seinem Bett gewartet hatte.

Wahrscheinlich hätte er sich Sorgen gemacht darüber, wie still sie dabei geblieben war, hätte sie ihn nicht so breit und erwartungsvoll angegrinst.

„Rate was", sagte sie fröhlich.

„Was?", wiederholte er überrumpelt und versuchte sich unauffällig höher zu drücken, damit er aufrecht gegen das Kopfende des Bettes saß. Für einen Moment sah sie so aus, als wollte sie ihn tatsächlich raten lassen, aber als er für zwei Sekunden zu lange stumm geblieben war, zog sie überschwänglich etwas hinter ihrem Rücken hervor und präsentierte es.

„Ich habe sie gefunden!", verkündete Lorelei stolz. „Wirklich, einfach war es nicht. Ich war mir total sicher, beim Saubermachen zerkratz ich sie."

Willehad starrte seine Brille an, die in ihrer Handfläche lag.

„Ich habe dir nicht gesagt, wo ...", begann er verdutzt.

„Doch, hast du", unterbrach sie ihn grinsend. „Gestern, bevor das Schlafmittel gewirkt hat. Die Minuten kurz vorher, an die erinnern sich die wenigsten."

Willehad wollte sich räuspern, aber in seinem trockenen Hals wurde es zu einem viel zu verdächtigen Husten und ihre Augen weiteten sich, bevor sie mit fliegenden Fingern zur Seite griff und ihm einen Becher mit Wasser reichte.

„Hier", sagte sie. „Lass dir Zeit. Wie fühlen sich die Wunden an?"

„Besser", antwortete er, bevor er dankbar das Wasser herunterstürzte und dann zurück zu der Brille sah, die sie ihm noch immer entgegenhielt. Er schluckte schwer.

„Ich ...", begann er unsicher. Viel konnte er ihr nicht erzählt haben – außer, dass er sie in einem kleinen Weinkeller in der Nähe einer Stube für die Diener versteckt hatte, wusste er selbst nichts. Er fragte sich, wie umständlich es für sie gewesen sein musste, den richtigen Weinkeller zu finden und die staubigen Ecken zu durchsuchen. Ob sie nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als ...

„Danke", stammelte er und das war alles, was er herausbrachte.

Er erwartete, dass sie das Gesicht verziehen würde über seine fehlende Begeisterung, aber etwas in ihrem Blick wurde nur weicher stattdessen. Willehad war sich nicht sicher, ob er es richtig sah und griff schnell nach der Brille, um sie sich wieder auf die Nase zu setzen. Er seufzte erleichtert auf, als die Welt um ihn endlich wieder Klarheit bekam. Die Vorhänge um sein Krankenbett, der steinerne Boden, die schmalen, offenen Streifen, durch die er andere Betten sehen konnte ... Loreleis zufriedenes Lächeln, während sie ihn beobachtete und sich dann kurzerhand auf die Kante seines Bettes setzte, ihr Knie gegen seine Oberschenkel stoßend.

„Das war ja das mindeste, was ich für dich tun konnte", sagte sie, ihre Augen funkelnd. „Du bist ein Held, weißt du das?"

Willehad tauchte schnell wieder in den Becher ab, um zu verstecken, wie sehr ihn die Beiläufigkeit ihrer Worte erröten ließ, auch wenn nur noch ein paar Tropfen übrig waren. Lorelei bemerkte es und kicherte leise, bevor sie ihm den Becher sanft abnahm, um ihn nachzufüllen.

„Nein, wirklich", beharrte sie und stellte ihn auf den Nachtisch. „Ich glaube nicht, dass wir ohne dich überlebt hätten."

Der plötzliche Ernst war genug, dass Willehad die Hitze in seinem Gesicht ignorieren konnte.

Dornen - Das Königreich in FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt