Er weckte Lorelei wahrscheinlich auf, aber das war Willehad ausnahmsweise tatsächlich egal, als er entschlossen an ihre Türe klopfte. Es war lang genug nach Sonnenaufgang – und die Neuigkeiten von Elwas gewonnenem Duell hatten sich so rasch im Schloss verbreitet, dass selbst er die Kammerdiener darüber hatte tuscheln hören.
„Was ist?", fragte sie ein wenig ungehalten, als sie ihm erst mit einiger Verzögerung die Tür öffnete. Die Frage endete in einem langen Gähnen und sie rieb sich die Augen. „Brechen sie jetzt sofort auf oder so?"
„Nein, zum Glück nicht", sagte er. „Aber Elwa hat sich heute Morgen ihr Mitreiserecht erkämpft und wir müssen irgendwie verhindern, dass sie aufbrechen!"
„Erkämpft?", wiederholte Lorelei verwirrt. „Ich dachte, es wäre von Anfang an klar gewesen, dass sie Samir begleitet. Oder meinst du damit, dass du vor ihr auf die Knie gefallen bist und sie angefleht hast, bei dir zu bleiben? Erfolglos natürlich."
Trotz ihrer verschlafenen Augen schaffte sie es, ihm ein spitzbübisches Grinsen zu schenken.
„Haha", sagte Willehad lahm. „Darum geht es nicht, ja? Ich glaube, sie sind in Gefahr, wenn sie mit Prinz Cristian gehen. Also, noch mehr als auf einer normalen gefährlichen Mission. Etwas stimmt da nicht."
Lorelei legte den Kopf schief und musterte ihn für einen Moment, dann winkte sie ihn kurz entschlossen zu sich.
„Komm rein", sagte sie und schien völlig wach dabei. Willehad starrte sie entsetzt an und rührte sich keinen Fleck.
„In dein Zimmer?", fragte er entgeistert. „Aber das schickt sich doch nicht!"
Sie verdrehte die Augen. „Einem anderen Mann die Geliebte zu neiden wahrscheinlich auch nicht", erwiderte sie brüsk. „Und damit hast du ja auch kein Problem."
„Das ist nicht wahr", protestierte er, aber sie zog ihn einfach kurzerhand am Arm zu sich hinein.
„Du erzählst mir jetzt sofort, was los ist", sagte sie und kickte hinter sich bestimmt die Tür zu. „Du bist sonst kein besonders forscher Mann, mein Lieber. Wenn du so früh am Morgen zu mir kommst, ist es etwas Ernstes."
Er berichtete ihr von seinem unüberlegten Ausflug zu Isidora nach unten, was er bei Cristians unverhofftem Auftauchen überhört hatte und was sie ihm danach gesagt hatte. Unter welchen Umständen er sie ursprünglich vorgefunden hatte, erwähnte er ihr gegenüber genauso wenig wie bei Samir und Elwa.
„Und das hast du ihnen so gesagt?", fragte Lorelei ungläubig, als er gerade Isidoras Warnung wiederholt hatte, dass sie sich lieber so schnell aus Candalonien fortbewegten wie möglich. „Und sie wollen trotzdem noch auf diese ganze Reise gehen?"
„Ich wollte Isidoras Vertrauen nicht missbrauchen", murmelte er ausweichend. Und er hatte einen sehr ungewohnten Anflug von Stolz gehabt, der ihn innehalten ließ, seine eigenen Geheimnisse einfach so preiszugeben, als wolle ein Teil von ihm wenigstens einmal dem perfekten Wanderprinzen etwas voraus haben. Das sagte er Lorelei nicht.
„Blödsinn", schnaubte sie sofort. „Elwa hat sie doch selbst getroffen, sie weiß also schon von ihr und dass ihr euch kennt. Also entweder wolltest du es Samir nicht sagen – der selbstverständlich alles sofort von Elwa erfahren hat, wie du dir inzwischen bestimmt denken kannst – oder du hattest einen Grund, die hübsche, mysteriöse Edeldame aus dem Keller nicht vor deiner großen, nicht ganz so heimlichen Liebe aufbringen zu wollen."
Sie warf ihm einen lauernden Blick zu, aber allein ihr Tonfall wäre schon genug gewesen, damit Willehad das Blut in den Kopf schoss. „Das ist doch gar nicht ...", stammelte er. „Sie ist nicht meine große ..."
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Dornen - Das Königreich in Flammen
Fantasía~ Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. ~ Über ein Jahr ist vergangen, seit Prinz Samir und seine Begleiter das erlöste Königreich Ilreth verlassen haben, um ihren verlorenen Freund z...