31 - Vom Denken und Fühlen

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Die Schatten der Bergflanken waren längst über die Hütten gefallen, als Asifa zurückkehrte, ausgelaugt, müde, und der ganze Körper schmerzend.

Sie war in besserer Form als der Großteil der Frauen hier – aber das war für Luz ein Grund, ihr hartes Regiment für Asifa nur noch anzuziehen. Es war üblich, dass die neuen Rekrutinnen den ersten Monat von morgens bis abends von ihr über den Übungsplatz gejagt wurden, bis sie in der Lage waren sich zu verteidigen oder gar ein besonders Talent für eine spezielle Waffe festgestellt worden war, aber Asifa besiegte schon in ihrem ersten Übungskampf all ihre Gegnerinnen. Selbst mit dem Bogen, der nie ihre bevorzugte Waffe gewesen war, konnte sie besser umgehen als die Gruppe von Neulingen, die Luz zu ihren Partnerinnen auserkoren hatte. Zumindest besser als die meisten – Ria, die junge Freundin von Ofelia, die selbst erst seit ein paar Monaten im Dorf war, war eine ausgezeichnete Bogenschützin, ohne darauf allzu viel Mühe zu verwenden. Deswegen war sie überredet worden, sich ihnen hin und wieder anzuschließen, obwohl sie den Kampf genauso hasste wie der Rest der Frauen um Ofelia. Nicht, dass das bedeutet hätte, dass sie deswegen mehr mit Asifa sprach, geschweige denn sich mit ihr anfreundete. Asifa war peinlich darauf bedacht, keine der Frauen zu nah an sich heranzulassen, sie begegnete ihren Ausdrücken der Bewunderung mit nicht mehr als einem knappen Kopfnicken und antwortete auf ihre Fragen so einsilbig wie möglich. Sie war hier, damit Tizita geduldet wurde, aus keinem anderen Grund.

Dass ihr die Übung guttat, konnte sie aber trotz aller Abneigung nicht bestreiten. Selbst wenn ihr alles wehtat davon, wie hart Luz sie herannahm, gab es keinen Moment, indem sie sich so gut fühlte, wie wenn sie das Schwert blitzschnell durch die Luft sausen ließ, ihr ganzer Körper gespannt und bereit.

Licht brannte in ihrer Hütte, durch die Ritzen in den vorgezogenen Vorhängen hindurch flackernd. Sie runzelte die Stirn. Tagsüber ließ sie Tizita nach langen Diskussionen mit Calliope zum Schutz der Ordnung im Dorf in der Hütte, gewöhnlich wagte dann niemand, sie zu betreten. Ganz abgesehen davon, dass es keinen Grund dafür gab – die neuen Aufgaben hielten Asifa beschäftigt genug, dass sie gerade mal zum Schlafen zurückkehrte, und um Tizita für ihre nächtliche Jagd hinauszulassen. Obwohl sie wusste, dass sie unter den Frauen nichts zu befürchten hatte, öffnete sie die Tür nur mit Vorsicht.

„Du bist endlich hier!", begrüßte Ofelia sie freudig, ihre Stimme gesenkt. Asifa blieb in der geöffneten Tür stehen und musste sich dazu zwingen, sie nicht einfach nur anzustarren. Tizita hatte Ofelia nicht abgeschreckt, im Gegenteil. Die andere Frau saß auf dem Boden neben dem Fenster, der Kopf der Leopardin in ihren Schoß gebettet, zufriedenes Grollen begleitete das sanfte Streicheln ihrer Hand. „Ich weiß, ich hätte dich um Erlaubnis bitten sollen, hier drinnen zu warten – aber ich konnte sie nicht einfach so allein lassen. Sie ist ein wunderschönes Tier."

„Ich weiß", murmelte Asifa und trat endlich vollständig ein. Sie zog sich grob den ledernen Brustschutz und die Handschuhe aus, um sie auf den Tisch zu knallen, wo sie sie morgen früh bei Sonnenaufgang gleich wieder aufnehmen würde. Es war ein merkwürdiges Gefühl, Tizita so mit einem anderen Menschen zu sehen. Sie mochte Samir und es hatte immer wieder Menschen gegeben, denen sie außergewöhnlich freundlich begegnet war, aber noch nie hatte sie sich von ihnen einfach so berühren lassen, geschweige denn, dass sie in ihrer Gegenwart eingedöst wäre. Als ob sie sich seit Jahren kannten. Bei jedem anderen Menschen wäre sie davon ausgegangen, dass sie es nur mit irgendeinem Trick bewerkstelligt hätten, aber bei Ofelia ... ergab es Sinn. Asifa hätte es nie laut gesagt, aber wie Tizita fühlte sie sich in ihrer Gegenwart ruhiger als sonst. Eine Gabe, die sie bei niemandem sonst gesehen hatte.

Ofelia schob Tizita sanft von sich und die Leopardin grunzte unwillig auf, als sie sich träge nach oben rollte und schüttelte. Sie begrüßte Asifa mit einem leisen Fauchen, bevor sie an ihr vorbei in Richtung der Tür trottete, lange nicht so begierig auf den Auslauf wie an anderen Abenden. Bis sie draußen war und Asifa die Tür hinter ihr schloss, schwiegen sie und Ofelia beide, auch wenn Ofelia sich in der Zeit behutsam wieder erhob.

Dornen - Das Königreich in FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt