Es grenzte an ein Wunder, dass sie es ohne entdeckt zu werden bis zu der Zelle zurückschafften, obwohl Willehad die ganze Zeit nicht aufhören konnte zu zittern. Zwischendurch mussten sie in den Nebengängen untertauchen, und zwei schwatzende Wachen ließen sich viel zu lange Zeit, bis sie an ihnen vorbeischleichen konnten, doch sie fanden den Weg zurück. Yusuf und Isidora waren bereits fort – es musste ihm gelungen sein, sie zurück nach oben zu bringen, wo sie sich ausruhen konnte. Willehad versuchte, darüber Erleichterung zu verspüren statt dem sich aufdrängenden Gedanken, dass sie jetzt für die letzten Tunnel völlig schutzlos sein würden, wenn noch irgendetwas schiefging.
Aber sie hievten sich beide hastig an seiner Konstruktion durch die Zelle nach oben und er klappte sie danach wieder hoch und lehnte sie an die Wand, ein paar Schritt entfernt, nur um sicher zu gehen. Yusuf und Isidora hatten ihnen eine Fackel hinterlassen, die in einer der alten Halterungen steckte und Lorelei schnappte sie sich, kaum dass sie oben im Gang standen.
„Meine Güte!", rief sie aus, während Willehad noch versuchte, seine zitternden Glieder weit genug zu beruhigen, dass er wieder geradeaus gehen konnte. „Da stinkt doch etwas gewaltig, oder? Wahrscheinlich hatte Yusuf die ganze Zeit recht, und irgendetwas ist falsch mit dem König."
„Möglich", murmelte Willehad düster. Die Flucht zurück in sichere Gefilde hatte ihn bis zu diesem Punkt abgelenkt von dem, was sie gesehen hatte. Der König hatte eine geheime Kammer aufgesucht, er hatte jemandem dort drinnen gedroht, er hatte etwas Blutiges mit herausgebracht, in der kurzen Zeit, die er dort gewesen war ... Eigentlich würde er Lorelei sofort und ohne Zögern bei ihrer Einschätzung zustimmen, aber er bekam immer mehr das Gefühl, dass sie sich viel zu weit in die Geheimnisse des Klippenschlosses hineinwagten. Zu viel Zugeständnisse, und sie würden sich Hals über Kopf in etwas wiederfinden, für das sie nicht einmal ansatzweise vorbereitet waren, selbst mit Isidoras und Yusufs Hilfe nicht.
Er versuchte, sich irgendeine weniger anklagende Erklärung zu überlegen darüber, was sie gesehen hatten, irgendetwas, was Yusuf und Isidora zufrieden stellen, aber nicht beunruhigen würde, als plötzlich Yusuf am Fuß der Treppe nach oben vor ihnen auftauchte, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst.
„Was ist los?", fragte Lorelei sofort. „Ist alles in Ordnung mit Isidora?"
„Sie ist oben und ihr geht es gut", antwortete Yusuf mit mehr Grimm in der Stimme, als es der Aussage zugestanden hätte. Willehad runzelte die Stirn. „Aber sie ist nicht allein. Wir sollten uns hier unten versteckt halten, bis ..."
Er hatte nicht einmal ausgeredet, da drückte ihm Lorelei bereits die Fackel in die Hand und schob sich an ihm vorbei, um die Treppe hochzueilen, lautloser als sie es sonst getan hätte, aber bestimmt nicht vorsichtig genug. Willehad keuchte leise auf.
„Hast du vom letzten Mal nichts gelernt?", zischte er ihr hinterher, aber sie wandte nur kurz den Kopf um und zuckte mit den Schultern.
„Wir sind quasi wieder auf sicherem Territorium, nicht wahr?", fragte sie und war aus seiner Sicht verschwunden, bevor er seine Bedenken weiter ausführen konnte, oder Yusuf die Gelegenheit hatte, mehr zu erklären. Der Morgenländer knurrte unwillig auf, schien es sich aber nicht erlauben zu wollen, ihr laut hinterher zu rufen.
Willehad seufzte, dann folgte er ihr. Wieder. Er musste wirklich ein ernstes Wörtchen mit ihr reden, wegen ihrem Ungestüm würden sie sonst alle noch auffliegen.
Obwohl Yusuf mit der Fackel unten blieb, konnte er die Treppenstufen blass vor sich erkennen, als er ihrer Windung nach oben folgte. Er erkannte oben schnell, woran das lag: der geheime Eingang stand einen winzigen Spalt offen, genug, dass das Licht aus Isidoras Studierzimmer nach unten fallen konnte. Lorelei deckte den halben Spalt ab, neugierig direkt dagegen gepresst und Willehad war erleichtert, dass er erst Isidoras Stimme hören konnte, als er direkt davor stand – das bedeutete, dass sie auch umgekehrt nicht einfach gehört wurden.
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Dornen - Das Königreich in Flammen
Fantasy~ Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. ~ Über ein Jahr ist vergangen, seit Prinz Samir und seine Begleiter das erlöste Königreich Ilreth verlassen haben, um ihren verlorenen Freund z...