Als sie das nächste Mal erwachte, befand sie sich wieder in der Hütte, im gleichen Bett. Ofelia war zurück und sie hatte nicht nur Wasser gebracht, sondern auch Brot und Käse, die sie am Tisch in kleine Stücke schnitt.
„Du hast uns allen einen ziemlichen Schrecken eingejagt", sagte sie sanft, als sie bemerkte, dass Asifa die Augen aufgeschlagen hatte. „Bleib liegen. Ich bringe dir sofort zu Essen."
Asifa sagte nichts, sondern beobachtete sie nur misstrauisch vom Bett aus. Ja, sie würde liegen bleiben. Ihr Fluchtversuch war gescheitert und die Müdigkeit saß noch tiefer in ihren Knochen als zuvor, aber ihr Kopf war wieder klarer und ihr war bewusst, dass sie beim zweiten Mal nicht viel erfolgreicher sein würde, wenn sie sich davor nicht wenigstens ein bisschen ausruhte.
Natürlich traute sie der Stille nicht. Sie hatte die Frauen da draußen bedroht und ihnen mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht vorhatte, sich hier festhalten zu lassen, nie im Leben würden diese sie einfach wieder zurück in diese Hütte stecken, ohne sie streng bewachen zu lassen. Ofelia allerdings war weder mit mehr als ihrem Küchenmesser bewaffnet, noch schien sie Asifa besonders viel Aufmerksamkeit zu schenken, um einen möglichen Angriff vorauszuahnen. Sie summte leise, während sie Brot und Käsestücke auf den Teller legte und einen Becher mit Wasser aus dem Krug füllte. Neben dem Essen lag ein zusammengeschnürtes Bündel von langstieligen Kräutern, die Asifa unbekannt waren und von denen Ofelia zwei herauszog und mit dem Rest zu ihr ans Bett brachte.
Sie stellte alles auf dem Schemel ab und rückte ihn neben Asifas Kopf, sodass sie sich nur zur Seite beugen brauchte, um heranzukommen. Die seltsamen Kräuter legte sie neben den Käse.
„Was ist das?", fragte Asifa heiser. Das kaum hörbare Schwappen des Wassers im Becher ließ sie fast jegliche Selbstbeherrschung verlieren und alles auf der Stelle hinunterkippen.
„Löwengold", antwortete Ofelia ruhig, ohne dass etwas in ihrer Haltung darauf hindeutete, dass sie etwas damit im Schilde führte. „Es belebt die Sinne. Ich dachte mir, dass du wahrscheinlich rasch mehr über uns hier erfahren willst, statt darauf zu warten, bis du dich vollständig ausgeruht hast. Mit Löwengold wird es dir leichter fallen, den Erklärungen zu folgen."
„Ich brauche es nicht", sagte Asifa bestimmt und griff nur nach dem Wasser. Sie hasste es, wie ihre Hand zitterte, als sie sich um den Becher schloss, aber sie schaffte es, tatsächlich nur einen Schluck zu nehmen, um ihre Kehle zu befeuchten. „Erkläre es mir jetzt. Warum habt ihr mich am Leben gelassen? Warum gebt ihr mir zu Essen und zu Trinken?"
„Warum sollten wir das nicht tun?" Ofelia blinzelte, ehrlich verwirrt von der Frage.
„Ihr steckt mit dem Drachen unter einer Decke", sagte Asifa scharf. „Ihr habt meinen Bruder getötet."
Sie funkelte die andere Frau böse an. Vielleicht war es nicht besonders weise, in ihrer Lage mit Anklagen um sich zu werfen, aber sie hatte nicht den Eindruck, dass Ofelia etwas deswegen unternehmen würde. Tatsächlich schlug sie betroffen die Hände vor dem Mund zusammen.
„Das wusste ich nicht", flüsterte sie. „Asifa, das tut mir leid, aber ..."
Asifa durchlief ein Schauer, als sie ihren Namen ausgesprochen hörte. Sie hütete ihn nicht streng, wie es manch andere taten und sie bereute es nur bedingt, ihn den Frauen verraten zu haben, aber sie hatte den Menschen um sich herum immer deutlich gemacht, dass sie ihre Nähe zu meiden hatten. Außer Samir und ihren Brüdern nannte sie fast niemand regelmäßig beim Namen und schon gar nicht so leichtfertig herausgerutscht wie bei Ofelia.
Ein Klopfen unterbrach sie und Ofelia hastete zur Tür hin, augenscheinlich froh um die Unterbrechung. Asifa presste die Lippen fest zusammen und sah ihr hinterher, als sie die Tür aufzog, ohne erst einen Schlüssel drehen zu müssen. Eine weitere junge Frau mit kurzem Haar, das ihr höchstens ein paar Monate lang wieder wachsen konnte, trat rasch zu ihnen hinein und warf Asifa einen nervösen Blick zu.
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Dornen - Das Königreich in Flammen
Fantasy~ Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. ~ Über ein Jahr ist vergangen, seit Prinz Samir und seine Begleiter das erlöste Königreich Ilreth verlassen haben, um ihren verlorenen Freund z...