Ich hörte den lauten Gong, welcher endlich das Ende des Unterrichts ankündigte. Die ersten Schüler waren schon losgelaufen, andere packten noch schnell ihre Sachen ein.
Ich ließ mir Zeit. Warum sollte ich mich auch hetzen? Ich hatte hier nicht wirklich Freunde, für die es sich lohnte sich zu beeilen.
Die meisten Schüler gingen mir prinzipiell aus dem Weg, da sie meine fast weißen Albinohaare und meine rötlich schimmernden Augen gruselig fanden. Ich wurde nicht wirklich beleidigt oder geärgert deswegen, Mobbing war auch hier nicht gern gesehen, aber trotzdem wollte niemand mit mir befreundet sein. Mir, Ayla, dem komischen Mädchen, das sich von allem abgrenzte, das aussieht wie ein Geist und mit ihrem Adoptivvater in einer mickrigen, zerfallenen Wohnung am Stadtrand lebt.Natürlich wussten die anderen Schüler, dass ich nichts für mein Aussehen oder meine Herkunft konnte, aber ich fühlte mich nicht akzeptiert von ihnen, sie behandelten mich wie Luft, das fünfte Rad am Wagen.
Oft machte mich genau dieser Gedanke fertig: Noch nie war ich irgendwo richtig aufgenommen worden, außer bei meinem Adoptivvater. Als ich vier Jahre alt war, haben mich meine Eltern ausgesetzt, weil ich in zweiter Gestalt ein Albinolöwe war und schlichtweg nicht jagen konnte. Wie sollte man sich auch mit weißem Fell in einer Savanne verstecken?
Doch dann hatte mich mein jetziger Adoptivvater, Ben Smith aufgenommen, er hatte schnell gemerkt dass ich eine Gestaltwandlerin war, obwohl er selbst keiner ist. Er hat jedoch eine gute Freundin, sie ist ein Milanwandler und verriet ihm schon zu Schulzeiten alles über Woodwalker. Er war auf einer Safaritour in Südafrika gewesen und hatte mich mitgenommen. Ist es nicht unglaublich, wie viel Glück man haben kann, von so einem netten Menschen gefunden zu werden?Weil er in Kanada wohnte, war ich einfach mit zu ihm gekommen und damit wahrscheinlich für immer weg aus meiner Heimat. Dort zog er mich, mit viel Geduld und der Hilfe seiner Milanfreundin, Grace, auf.
Jetzt war ich zwölf und ging an eine normale Middleschool. Gerade stapfte ich durch den Schnee, auf dem Weg nach Hause. Wir wohnten am Rand der Stadt Victoria und hatten dort eine kleine, gemütliche Wohnung. Sie war nicht die allerschönste, im Treppenhaus bröckelte an einigen Stellen der Putz ab und einige Fensterscheiben waren von den Jugendlichen in der Gegend eingeschlagen, aber hier war mein Zuhause, hier und nirgendwo anders.
Ich ging durch die Haustür herein und warf mich aufs Sofa. Mein Vater war jetzt noch bei der Arbeit, also würde ich eine ganze Weile allein sein. Ich nahm meine Mathesachen aus meinem Rucksack und begann, meine Hausaufgaben zu machen.
Plötzlich hörte ich das leise Surren unserer Türklingel und lief dort hin, um sie zu öffnen. „Hallo Ayla!“ , rief Ben. Neben ihm stand Grace und plapperte: „Ayla, ich muss dir dringend etwas erzählen!“
Ich war etwas verwundert, weil er doch eigentlich noch arbeiten müsste, aber ich sah an ihren aufgeregten Blicken dass etwas wichtiges passiert war.Als die beiden in der Wohnung waren und sich auf das Sofa gesetzt hatten, erzählte sie ganz aufgeregt: „Also, ich habe eine E-Mail bekommen von Chloe Snowfly. Sie ist Schulleiterin an der Icestormhigh, einem Internat ganz in der Nähe!“
Ich wollte ungern ihre gute Laune zerstören, aber ich konnte den zweifelnden Blick nicht unterdrücken. Ein Internat? Natürlich wäre mir alles lieber als meine jetzige Schule, aber trotzdem wollte ich meinen Vater jeden Tag sehen und nicht an einem fremden Ort wohnen.Offenbar bemerkte sie meinen Blick, denn sie fügte rasch hinzu: „Ein Internat für Gestaltwandler wie dich!“
Meine Augen leuchteten. Es gab andere Kinder wie mich, und sie lebten hier in der Nähe?
„Sie bieten an, dass du zu ihnen gehst, um zu lernen, in beiden Welten zu leben!“ Das ist deine Chance!, rief meine innere Stimme.
Mein Adoptivvater sah mich hoffnungsvoll an. „Also, was hälst du davon?“ , fragte er. „Ich... äh, Internat?“ Ich konnte es nicht fassen. „Ein ganzes Internat? Voller Woodwalker?“, hakte ich nach. Die Milanwandlerin nickte.„Ich könnte es mal versuchen...“, sagte ich schließlich. „Das schreibe ich ihnen dann so, okay?“ Hoffnungsvoll legte sie eine Hand auf meine Schulter. Ich nickte wieder nur. „Du schaffst das“, sagte sie.
Über diese Schule musste ich dringend nachdenken.

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»𝔽·𝕣·𝕠·𝕤·𝕥•𝕎·𝕒·𝕝·𝕜·𝕖·𝕣·𝕤«
FanfictionAyla wirkt auf den ersten Blick wie jedes andere 12-jährige Mädchen, doch das ist sie keineswegs. Sie ist ein Löwenwandler, ein Albino noch dazu; von ihrer leiblichen Familie verstoßen, lebt sie nun in Kanada. Allerdings findet sie an ihrer Schule k...