3. Kapitel

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Ich öffnete vorsichtig die Tür und trat ein. Die Wände hatten einen hellen, violett-bläulichen Anstrich und es hingen verschiedene Fotografien von Blumen, Kräutern und Tieren an den Wänden. Vor mir war eine Wendeltreppe, dahinter versteckte sich eine Tür mit der Aufschrift Badezimmer, rechts von mir eine mit Zimmer I und darunter ein Zettel, auf dem die Namen Ava und Feline vermerkt waren.
Links von mir befand sich Zimmer II.
Darunter war nur ein Name, und zwar Nelly.

Ich klopfte an und eine freundliche, hohe Stimme antwortete „Äh, herein?" Ich öffnete die Tür. „Oh, Hallo, ich bin Nelly!", rief mir ein Mädchen zu, das blonde, leicht wellige Haare hatte. Sie saß an ihrem Schreibtisch, mit einem Buch in der Hand. „Hey, ich bin Ayla", antwortete ich und lächelte sie an. Sie betrachtete mich neugierig mit ihren blitzenden, leuchtend blauen Augen. Ich lief weiter hinein ins Zimmer und betrachtete es gespannt. Links und rechts befand sich jeweils ein weißes Hochbett, darunter ein Schreibtisch. Weiter hinten im Raum war ein Regal, zwei große Schränke und ein Tisch, um den drei Stühle herumstanden. Der Tisch stand direkt an einem großen Fenster mit rötlichen Vorhängen.

Ich stellte meine Tasche auf den Boden und kletterte auf mein Bett. „Was ist deine Tiergestalt?", war Nellys erste Frage an mich und sie sah mich fröhlich an. „Löwe", sagte ich nur. „Deine?" - „Bengaltiger, also ein weißer."

„Warum hast du rote Augen?", fragte Nelly nach einer kurzen Pause, offensichtlich war ihr die Frage etwas unangenehm, aber ihre Neugierde war wohl stärker. Ich hatte diese Frage fast erwartet. „Ich bin ein Albino, eigentlich haben meine Augen gar keine Farbe, dadurch siehst du die rote Netzhaut." Sie sah mich an, aber nicht feindselig oder ängstlich, sondern neugierig, und nickte.

„Kannst du mir die Schule zeigen?", fragte ich sie ein paar Minuten später. „Ja klar!", antwortete Nelly und sprang auf.

Erst gingen wir geradeaus zu dem zweitgrößten Gebäude und Nelly erklärte mir, dass diese Hütte das Lehrerhaus war. Dahinter waren die Häuser der Jungen. Dann gingen wir zur Schule. Wir schritten vorne durch den Haupteingang. „Also das ist der Besuchereingang", erklärte Nelly. „Hinten gibt es noch einen, damit wir nicht immer um das ganze Gebäude laufen müssen."

Wir stapften die Wendeltreppe hoch und kamen in den zweiten Stock. Dort waren Klassenräume für die Fächer, die ich schon immer hatte: Mathe, Physik, Deutsch. Im Flur stand ein Sofa, davor ein Tisch. Auch ein Aquarium stand hier herum. Es gab aber auch einen Raum, der abgeschlossen war:
„Da geht es zum Verwandlungsraum. Er riegelt sich bei Menschenalarm automatisch ab und die Schüler, die dort Unterricht haben, laufen durch den Hintereingang heraus", erklärte sie. „Menschenalarm?" Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Das ist, falls Menschen in die Schule kommen, weil die ja nichts von Woodwalkern wissen dürfen. Die stecken uns sonst allesamt in eine Anstalt, glaub ich", sagte Nelly.
„Da unten ist ein großer See,
der für unsere Meerestiere, unterirdisch, mit dem Meer verbunden ist", fuhr Nelly fort. „Dann ist dort noch die Tür nach draußen und ein kleiner Bereich, für Tiere die es warm mögen." Dann gingen wir in den dritten Stock. Ich erblickte sofort einen Schrank, mit allen möglichen Spielen. Dort waren die Menschenkunde-, Tiersprachen-, Verhalten in besonderen Fällen-Räume und die von anderen Fächern, die ich noch nie gehört hatte. Nelly sagte, diese Fächer wären sehr wichtig, weil man sie sonst nirgends hier in der Gegend lernen konnte.

Dann zeigte sie mir die Cafeteria: Sie war ein großer Raum, an deren einer Seite viele Fenster waren, durch die gerade das Licht der Nachmittagssonne schien und dem Raum eine warme Atmosphäre verlieh. Es war sehr hell, gemütlich und an allen Seiten, wenn da nicht gerade ein Fenster war, waren viele von Schülern gemalte Bilder. Es gab auch eine Glastür, sie führte zu einer Terrasse, auf der ein paar Tische und Stühle standen.

Gerade waren viele Schüler hier, was mich beunruhigte. Ich hatte es noch nie gemocht, in Menschenmengen zu sein.

Viele von ihnen unterhielten sich miteinander, andere lachten; nur von wenigen bekam ich misstrauische Blicke. Aber die misstrauischen Blicke, die ich bekam, ließen mir einen Schauder über den Rücken laufen.

Als Nelly mir die Cafeteria zeigte fielen mir ein paar große Jungen auf, die mich feindselig ansahen, als ich Nelly fragte, wer das ist antwortete sie leise: „Das sind die Bären. Vorne ist der Anführerbär Jo, ein Eisbär, dahinter Yannik und Silas. Silas ist ein Braunbär und Yannik ein Grizzly. Mit denen in die Wolle zu kommen, kann sehr gefährlich sein."

Wir holten uns etwas bei der Essensausgabe und setzten uns an einen Tisch, zu einem braunhaarigen Jungen und einem Mädchen mit schwarzen Haaren.
„Hi Liam, hi Lea!", sagte Nelly fröhlich. „Hey, ich bin Ayla.", stellte ich mich vor.

Und die beiden lächelten auch. „Was ist deine zweite Gestalt?", fragte Liam sofort. „Rate mal", antwortete ich. „Mhh... Etwas Gefährliches..." Er überlegte. „Ich glaube, du bist eine Großkatze", fiel Lea ihm ins Wort. „Bisher richtig." ,sagte ich lächelnd. „Schneeleopard?", fragte Lea aufgeregt. Nelly antwortete aber vor mir: „Mehr von deiner Sorte wären doch langweilig! Sie ist was noch cooleres." Lea blickte etwas beleidigt. „Lea ist ein Schneeleopard?!", hakte ich verblüfft nach. Liam nickte und Lea strahlte.

Liam gab schließlich auf. „Mir fällt nichts ein, lös mal auf." Er hob die Hände, als würde er sich ergeben. „Löwe", sagte ich und bemerkte wie ich ungläubig angesehen wurde. „Müsstest du dann nicht blonde Haare haben?", fragte Lea skeptisch. „Sie ist ein Albino!", warf Nelly ein. Mir war es unangenehm, dass Nelly es ihnen erklären musste und nicht ich. Ich merkte ganz genau, dass Lea und Liam mich komisch ansahen. Bitte lass sie nicht denken, dass ich ein bescheuertes Kind bin, dass von ihrer Freundin verteidigt werden muss...

»𝔽·𝕣·𝕠·𝕤·𝕥•𝕎·𝕒·𝕝·𝕜·𝕖·𝕣·𝕤«Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt