Familie

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Seit zwei Wochen bin ich in meiner Heimat. Zwei Wochen, die ich mich nicht mehr bei Martin gemeldet habe. Mein Handy habe ich noch an dem Tag ausgeschaltet, als die Nachricht mich erreicht hat. Die Nachricht, dass mein Vater einen Herzinfarkt gehabt hat.

Mein Onkel Markus hatte mich angerufen. Er klang aufgelöst und ich merkte sofort, dass etwas passiert sein muss. Als er es mir mitgeteilt hatte, stiegen mir sofort die Tränen in die Augen und die ersten suchten sich ihren Weg nach außen. Ich probierte sie zurückzuhalten, da ich in der S-Bahn saß, aber es funktionierte nicht. Sie wollten raus und ich fing an, zu weinen. An der nächsten Haltestellte bin ich sofort ausgestiegen, um mit der nächsten Bahn in den Hauptbahnhof zu fahren. Von da aus bin ich sofort in einen Zug nach Hause gestiegen. Auf der Fahrt wurde ich mehrmals angesprochen, ob es mir gut gehen würde und ob ich Hilfe brauchte. Die erste Frage konnte ich bejahen, die zweite verneinen. Ich wollte zu dem Zeitpunkt mit niemanden reden und mein Glück war, dass ich nicht so weit entfernt von Frankfurt aufgewachsen bin, weshalb ich nach 20 Minuten am Bahnhof in meinem Heimatort war.

Die Tränen in meinen Augen versperrten mir die Sicht, wodurch ich mehrmals blinzeln musste, bis ich meinen Onkel an seinem Auto stehen sah. Sofort lief ich zu ihm und wir umarmten uns. Ich schluchzte und ich fing an, erst so richtig zu weinen. Auch Markus weinte jetzt, aber er teilte mir mit, dass es meinem Vater gut ginge, denn er hätte sofort medizinische Hilfe bekommen.

Trotzdem beruhigte es mich nicht wirklich und wir machten uns sofort auf den Weg ins örtliche Krankenhaus. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt einfach meinen Vater sehen und mich selbst davon überzeugen, ob es ihm gut geht.

Im Krankenhaus durfte ich nicht sofort auf sein Zimmer, da er noch von Ärzten untersucht wurde. Die Wartezeit wurde für mich unerträglich und ich tigerte im Flur auf und ab. Mein Onkel probierte mich zu beruhigen, aber es klappte nicht. Ich wollte ihn sehen.

Nachdem die Ärzte endlich aus seinem Zimmer kamen, stürmte ich förmlich hinein. Mein Vater war wach und ich fiel ihm um die Arme. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich keine Tränen mehr hätte und bereits alle "verweint" hätte, aber sie strömten nur so aus meinen Augen. Ich weiß gar nicht mehr, ob es Tränen der Verzweiflung waren oder der Freude. Vielleicht auch beides, denn ich war einfach nur froh, meinen Vater lebend vor mir zu sehen. Auch er freute sich, mich nach langer Zeit endlich mal wieder zu sehen.

Das ist nun zwei Wochen her. Mein Vater ist seit einer Woche in Reha. Seitdem habe ich viel Zeit mit meiner Familie verbracht, was seit langem mal wieder nötig gewesen ist. Vor allem meine Cousins habe ich vermisst. Sie haben mir wirklich meine Zeit versüßt. Ich hatte schon ganz vergessen, dass es mit den beiden so lustig ist. Sosehr ich die Zeit momentan auch genieße, weiß ich aber auch, dass ich nicht ewig hier bleiben kann. Irgendwann werde ich mich bei Martin melden müssen und das wird sehr bald sein. Auch er wird sich Sorgen machen, was mit mir los ist. Ich möchte gar nicht wissen, wie häufig er mich angerufen hat und das tut mir selbst auch Leid. Aber ich wollte einfach nicht, dass er meine Probleme abbekommt. Ich hoffe einfach nur, dass Francesco meine letzte Nachricht, die ich geschrieben hatte, auch an Martin irgendwie weitergeleitet hatte. Ich hatte Francesco geschrieben, dass ich familiäre Probleme hätte und mich erstmal darum kümmern müsste. Ich hoffe, dass diese Nachricht die Sorgen ein wenig gedämpft hatte.

Meine Familie hat natürlich auch nach Martin gefragt, aber ich habe sie damit beschwichtigt, dass er durch den Fußball mit der Doppelbelastung von Bundesliga und Europa League momentan keine Zeit hätte und das haben sie mir auch geglaubt.

Über meine Gefühle zu Martin habe ich mir in den letzten zwei Wochen keine Gedanken mehr gemacht. Dafür ist mein Kopf zu voll gewesen. Aber ich habe eine Sache gemerkt: Ich habe mich an Martin gewöhnt und die Zeit mit ihm fehlt mir schon irgendwie. Ob das jetzt schon Liebe ist oder ich einfach nur einen guten Freund vermisse, ist die andere Frage. Aber da ich Martin auch nicht gesehen habe in der letzten Zeit, kann ich dazu auch nicht mehr sagen.

Ich entscheide mich dazu, mein Handy wieder einzuschalten. Ich hänge es an mein Ladekabel und warte, bis es sich von alleine wieder anschaltet. Kurz nachdem es an ist, stellen die ersten Nachrichten durch. Es kommt mir so vor, als würde es gar nicht mehr aufhören. Als anscheinend alle Nachrichten angekommen sind, nehme ich es in die Hand. Eigentlich alle Nachrichten sind von Martin. Fast stündlich hat er mir in den letzten zwei Wochen geschrieben gehabt. Ich gehe die anderen Nachrichten durch und entdecke noch einige von Francesco, aber auch von meinem Chef. An ihn habe ich noch gar nicht gedacht und hoffe, dass er mich nicht rausschmeißt oder es vielleicht schon getan hat. Immerhin bin ich in den letzten zwei Wochen nicht meiner Arbeit nachgegangen und habe somit den Vertrag nicht erfüllt.

Ich beginne, mir nach und nach die Nachrichten von Martin durchzulesen.

Emma, wo bist du? Ich bin wieder zu Hause. Soll ich etwas zu essen bestellen?

Wann kommst du? Es ist schon sehr spät.

Emma, ich gehe jetzt schlafen. Melde dich bitte bei mir!

Emma, was ist denn los? Ich war bei Francesco. Er hat mir die Nachricht gezeigt. Ich mache mir Sorgen.

Es folgen noch viele weitere Nachrichten, die eigentlich alle den gleichen Inhalt haben. Auch die Nachrichten von Francesco sind sehr gleich zu denen von Martin. Nur die zwei Nachrichten von meinem Chef stechen heraus.

Emma! Du erfüllst deinen Vertrag nicht. Wenn du nicht bald wieder auftauchst, kannst du auch deinen Platz in der Agentur vergessen! Du kannst froh sein, dass der Hinteregger so kulant ist...

Daran, an was ich vorhin noch gedacht habe, hat mein Chef anscheinend auch schon gedacht. Die Nachricht hat er vor drei Tagen an mich gesendet. Vielleicht kann ich meinen Platz in der Agentur noch retten.

Dies kann ich aber nur, wenn ich mich auf den Weg nach Frankfurt zu Martin mache und das werde ich auch tun.

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Wollte mich einfach mal bei all denen bedanken, die so fleißig für die Story Voten!!! Vielen Dank (:

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