"Dauert es noch lange", frage ich gähnend und schaue zu Martin herüber. Es ist bereits 14 Uhr und wir sind schon eine ganze Weile unterwegs, denn Weihnachten steht vor der Tür und Martin und ich wollen dies bei seinen Eltern verbringen. Martins Familie hat genauso geschockt darauf reagiert, dass ich engagiert worden bin, um seine Freundin zu spielen wie meine Familie.
"Es sind meine Eltern", sagt Martin zu mir, als auf seinem Laptop eine Einladung zu einem Videochat aufploppt. Martin ist vor einer halben Stunde von der Pressekonferenz zurückgekommen, wo er eigentlich nur über unseren Autounfall berichten sollte. Stattdessen ist er auf unsere Beziehung angesprochen worden und musste sich rausreden, als der Reporter meinte, dass ich angestellt sei.
"Kannst du bitte rausgehen", fragt er mich und schaut zu mir herüber, "Ich sollte das glaube ich erstmal selbst mit ihnen bereden."
"Klar", lächle ich ihn leicht an, gebe ihm dann noch einen kurzen Kuss auf den Mund und verschwinde dann nach oben in das Schlafzimmer. Natürlich bin ich durch die offene Gestaltung der Wohnung immer noch in Hörweite, sodass ich alles mitbekomme, was er mit seinen Eltern redet.
"Martin, stimmt das?", höre ich seine Mutter sofort fragen.
"Ja, aber ich kann euch das alles erklären."
"Das ist auch nötig. Du hast uns immerhin angelogen", wirft nun sein Vater ein. Bei ihm ist die Enttäuschung in der Stimme noch mehr zu hören, als bei seiner Mutter.
"Ja, ich weiß und das tut mir auch leid, aber es war nötig. Umso weniger Leute davon bescheid wissen, desto besser ist es, aber das ist ja jetzt egal. Ich sehe schon wieder die Schlagzeile in der Kronen Zeitung."
"Die gibt es schon", sagt Martins Mutter. "Sie titeln schon, dass du mit einer Prostituierten zusammen bist." Obwohl ich die Schlagzeile und den dazugehörigen Artikel noch nicht gesehen habe, verpasst es mir ein Stich ins Herz. Natürlich ist es in irgendeiner Weise wahr. Ich habe meinen Körper gegen ein sehr gutes Gehalt verkauft, aber ich selbst hätte mich selbst nie so betitelt.
"Seit ihr denn jetzt wirklich ein Paar oder nicht?", fragt seine Mutter weiter.
"Ja, wir sind zusammen", beginnt Martin, "Und ich liebe Emma wirklich. Natürlich ist das am Anfang nur gespielt gewesen; die Auftritte in der Öffentlichkeit, die Stadionbesuche, aber seit ein paar Wochen ist es echt und es fühlt sich wirklich gut an. Ich möchte das jetzt auch nicht durch die Berichterstattung in der Presse verlieren. Emma ist mir wirklich wichtig." Martins Worte lassen mein Herz wieder schneller schlagen.
"Das freut mich für dich Martin, aber wenn euch beiden die Berichterstattung zu viel wird, wirst du noch eine Pressekonferenz geben müssen", spricht ihm sein Vater gut zu.
"Ich weiß, darüber habe ich auch schon mit Emma gesprochen. Es ist nicht leicht für sie, dass sie jetzt so in der Öffentlichkeit steht, aber wir bekommen das schon hin."
Im Endeffekt sind Martins Eltern aber ein wenig besser damit umgegangen als mein Vater. Ich freue mich auch schon sehr, die beiden endlich persönlich kennenzulernen.
"Halbe Stunde denke ich", beginnt Martin zu reden, "Aber wie kannst du denn immer noch müde sein? Du hast die meiste Zeit der Fahrt geschlafen."
Ich fange ein wenig an zu lachen. "Du kennst mich doch mittlerweile. Ich stehe morgens auf und kann zwei Stunden später schon wieder schlafen." Das ist wirklich so. Ich schlafe unglaublich gerne und habe auch nichts dagegen, den ganzen Tag im Bett zu verbringen.
"Ja, das ist wirklich unglaublich", lacht jetzt auch Martin und fährt tatsächlich von der Autobahn ab, sodass es nicht mehr lange dauern kann. Ich liebe die Landschaft in Österreich. Mit meinem Vater bin ich bereits einige Male im Wanderurlaub hier gewesen und es ist immer wieder einfach nur wunderschön. Vor allem freue ich mich, endlich mal im Winter in Österreich zu sein. Der viele Schnee, der an den Straßenseiten liegt, ist einfach unglaublich.
Nach einiger Zeit hält Martin vor einem einfach nur hübsch aussehenden Haus. Während die untere Etage ganz normal weiß verputzt ist, sind die oberen beiden Etagen mit Holz verkleidet. In der ersten Etage befindet sich ein Balkon, an dem viele Blumenkästen hängen, die im Sommer wahrscheinlich nur so durch Blumen überlaufen. Generell befindet sich das Haus etwas ab vom Schuss. Um hier her zu kommen, sind wir einige Minuten nur bergauf gefahren, um jetzt in einer Straße zu stehen, wo nur drei Häuser stehen.
"Da seit ihr ja." Ich schaue Richtung Tür, wo plötzlich Martins Mutter aufgetaucht ist. In einer dünnen Strickjacke und nur in Hausschuhen bekleidet kommt sie durch den zur Seite geschobenen Schnee auf uns zu.
"Endlich sehe ich dich mal nicht nur im Bildschirm", lacht sie und zieht Martin in eine Umarmung. Man sieht ihr an, dass sie ihren Sohn vermisst hat und einfach nur glücklich ist, ihn wieder zu sehen. Danach kommt sie auf mich zu und lächelt glücklich.
"Emma, schön dich kennenzulernen." Auch mich zieht sie in eine enge Umarmung, die ich gerne erwidere.
"Ich freue mich auch", lächle ich sie an, als wir uns voneinander lösen.
"Kommt rein", sagt sie daraufhin, "Wir warten alle schon."
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Es geht weiter und es geht ab zu Martins Familie.
Gleich spielt auch die Eintracht. Martin steht zwar nicht in der Startaufstellung, aber ich denke, dass er noch eingewechselt wird. Er ist ja immerhin einer der besten Torschützen des Teams momentan :D

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Liebe auf Umwegen
Hayran KurguEmma arbeitet während ihres Studiums bei einem Begleitservice und bekommt einen Auftrag, der ihr Leben verändern wird.