normaler Alltag

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Eintracht vom Main, nur du sollst heute siegen. Eintracht vom Main, weil wir dich alle lieben... Ich summe die Hymne der Eintracht vor mich hin. Heute ist das erste Spiel nach der Winterpause. Die Mannschaften kommen gerade eingelaufen und positionieren sich mit ihrem Einlaufkind auf dem Spielfeld in einer Reihe.

Ich sitze mit Nina auf der Haupttribüne. Ich sehe sie heute das erste Mal seit der Weihnachtsfeier und habe bereits festgestellt, dass wir uns eigentlich viel häufiger sehen müssten. Mein Blick klebt auf Martin, der konzentriert Löcher in die Luft starrt. Ich merke, dass er bereits im Tunnel ist und sich jetzt voll und ganz auf das Spiel vorbereitet. Die Musik hört auf, die Einlaufkinder werden zurück in die Katakomben geschickt und die Spieler klatschen sich ab. Danach gehen alle auf ihre Positionen und der Schiedsrichter pfeift das Spiel an.

Die Wolfsburger sind stark und die Eintracht findet dadurch nicht richtig ins Spiel. Es scheint, als wäre die Leichtigkeit der letzten Spiele vor der Winterpause wie weggeblasen. Sie haben kaum Ballbesitz und wenn doch, dann nicht lange. Die Wolfsburger sind schneller, spritziger und haben die Bereitschaft, mehr zu laufen. Dadurch kommt die Eintracht schwach und etwas hilflos rüber. Sie grätschen viel, wodurch gelbe Karten en masse verteilt werden. Martin hat auch schon eine erhalten und ich sehe ihm seine Frustration an. In der zweiten Halbzeit, es steht mittlerweile 2:0 für die Wolfsburger, ist es dann soweit und Martin fliegt vom Platz wegen eines weiteren Fouls. Noch vor der Trainerbank zieht er sein Trikot aus und schmeißt es achtlos weg. Danach verschwindet er in den Katakomben.

Das Spiel ist im Endeffekt 3:0 ausgegangen und Nina und ich sitzen mittlerweile im VIP-Bereich und warten auf unsere Männer. Timothy kommt nach einiger Zeit als erster zu uns.

"Na ihr", begrüßt er uns und es fehlt sein typisches Grinsen auf seinen Lippen. Man merkt Timothy an, dass er nicht zufrieden ist mit ihrer Leistung.

"Martin hat noch ein Gespräch mit dem Trainer", sagt Timothy und mir kommt ein ungutes Gefühl. Hoffentlich bekommt er nicht noch eine vereinsinterne Geldstrafe. Denn ich weiß, dass es nicht gerne gesehen wird, weder von den Schiedsrichtern, noch von den Vereinsbossen, wenn man außerhalb des Platzes die Nerven verliert.

"Er wird nicht rausgeschmissen. Keine Sorge." Timothy lächelt mich aufmunternd an. Er hat anscheinend meinen besorgten Blick bemerkt. Ich lächle zurück und wir fangen ein lockeres Gespräch an. Nach einer halben Stunde kommt dann auch Martin als letzter aus den Katakomben.

"Hey", lächle ich ihn an und stehe auf, um ihn einen kleinen Kuss zu geben. "Alles in Ordnung?" Martin nickt einfach nur und sagt: "Ja, aber lass uns bitte fahren. Ich will nur noch nach Hause." Ich merke, dass er nicht die beste Laune hat und deswegen komme ich seiner Bitte nach und wir fahren nach Hause.

Ein paar Tage später steht dann auch Martins Strafe fest. Er wird für ein Spiel gesperrt, so wie es üblich ist nach einer Gelb-Roten Karte, und muss zusätzlich noch eine interne Geldstrafe bezahlen, die in die Mannschaftskasse der Eintracht fließt. Martin hat mir den Betrag nicht verraten, aber er meinte, dass es auszuhalten und gerecht sei.

Noch am selben Tag treffe ich mich zum Abendessen mit Francesco, um ihn über den neusten Tratsch zu informieren. Wir haben uns das letzte Mal im alten Jahr gesehen und seitdem ist viel passiert. natürlich erzähle ich ihm auch von dem Vorfall in der Silvesternacht, wo Martin den Fremden geschlagen hat. Zum Glück haben wir von diesem Kerl nichts mehr gehört, denn eine Anzeige wegen Körperverletzung hätte er nicht gebrauchen können.

"Aber was war bei dir so los in den letzten Wochen", frage ich meinen besten Freund und schiebe mir dabei etwas Reis in den Mund. Francesco und ich sitzen in einem kleinen griechischen Restaurant, was man wirklich als Geheimtipp sehen kann. Das Essen ist unglaublich gut, aber überfüllt ist es nie. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es nicht direkt an der Zeil liegt und somit etwas abseits des großen Trubels ist.

"Nicht viel", nuschelt Francesco, fängt dabei aber an zu grinsen. Ich erkenne ein gewisses Leuchten in seinen Augen, was nur etwas Gutes bedeuten kann.

"Nicht viel? Das sieht mir anders aus. Los, erzähl", fordere ich ihn auf.

Francescos Lächeln verschwindet gar nicht mehr aus seinem Gesicht. Im Gegenteil, es wird noch größer.

"Ich habe jemanden kennengelernt." Francesco legt sein Besteck Beiseite und schaut mich erwartungsvoll an, so als warte er auf meine Reaktion.

"Ja, erzähl weiter. Wen? Wo? Und vor allem wann?"

"Sie heißt Mara", lächelt Francesco. "Sie ist seit neustem bei mir im Fitnessstudio angemeldet und seitdem haben wir uns ein paar Mal getroffen. Es läuft ganz gut würde ich sagen." Dass Francesco so glücklich ist, freut mich. Vor allem weil es scheint, dass er endlich über seine Ex-Freundin Vanessa hinweg ist. Sie hatte ihn eiskalt abserviert, was Francesco wirklich verletzt hatte. So stark er auch aussieht, im Inneren hat er einen weichen Kern, den er nur ungern in der Öffentlichkeit zeigt.

"Das hört sich doch gut an", lächle ich ihm zu und hoffe nur, dass er nicht wieder verletzt wird und es dieses Mal anders verlaufen wird.

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