Das Treffen mit Jens ist mittlerweile zwei Wochen her. Sofort am nächsten Tag habe ich ihn bei der Agentur gemeldet. Seitdem habe ich nur noch zwei Treffen gehabt und zwar mit Männern, die quasi zu meinen Stammkunden gehören.
Gerade sitze ich mit meinem Nachbar Francesco auf meinem kleinen Balkon und zusammen genießen wir die warme Augustsonne. Francesco wohnt direkt in der Wohnung gegenüber von mir. Er hat dort schon gewohnt, als ich vor zwei Jahren dort eingezogen bin. Schnell sind wir gute Freunde geworden, weshalb ich ihm auch relativ schnell anvertraut habe, dass ich bei einem Begleitservice arbeite. Francesco war und ist davon immer noch nicht überzeugt. Verstärkt wurde dies vor allem nochmal, nachdem ich ihm von dem Vorfall mit Jens erzählt habe. Er wird mich aber bis ich mein Studium beendet habe, nicht davon abbringen können, mit dem Begleitservice weiter zu machen.
"Hast du noch einen Termin heute Abend?", fragt mich Francesco und drückt seine Zigarette in dem Aschenbecher, der vor uns auf einer alten Kiste steht, aus. Dass Francesco Raucher ist, ist neben dem guten Wetter ein weiterer Grund, warum wir auf dem Balkon sitzen. Ich habe im Allgemeinen nichts dagegen, wenn jemand raucht. Mich stört es auch nicht, wenn ich in einer Kneipe bin, wo geraucht werden darf. Ich möchte den Geruch nur ungern in meiner Wohnung haben, weshalb wir hier draußen sitzen.
"Keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Mein Chef hat mich vorhin angerufen. Ich soll um vier in der Agentur sein. Wäre wichtig", antworte ich ihm.
"Wenn du nichts vorhaben solltest, kannst du gerne nochmal rüber kommen. Die Jungs kommen vorbei." Die Jungs sind Francescos drei beste Freunde und mit ihnen etwas zu unternehmen, ist sehr unterhaltsam. Auch wenn sie nachher wahrscheinlich nur Playstation spielen werden, werde ich, falls ich keinen Termin habe, mal zu ihm rübergehen und "Hallo" sagen.
"Gerne, ich mache mich jetzt auch mal fertig für das Gespräch mit meinem Chef", antworte ich ihm und stehe auf.
"Was glaubst du, was er will", fragt Francesco, während ich vor meinem Kleiderschrank stehe und die passenden Klamotten heraussuche. Da ich nicht weiß, was los ist, ist die Kleiderwahl auch etwas schwieriger. Im Endeffekt entscheide ich mich aber für eine einfache Jeans mit einem Hoodie und hoffe, dass ich danach nicht sofort zu einem Termin muss.
"Ich weiß es nicht. Er klang schon ein wenig aufgeregt", antworte ich und gehe fertig umgezogen zurück in die Küche, "Wer weiß, was er für einen Auftrag für mich hat."
Nachdem ich mir auch ein paar Schuhe und meine Jacke angezogen haben, verlassen Francesco und ich meine Wohnung. Ich sage ihm noch, dass ich mich melden werde, falls ich nochmal vorbeikomme und mache mich dann auf dem Weg zur S-Bahnstation.
Keine Viertelstunde später stehe ich vor dem Empfang in unserer Agentur.
"Hi Emma", begrüßt mich Sophie, die hier zusammen mit Susanne für die Organisation und Verwaltung zuständig ist. Sie hat hier relativ zeitgleich mit mir angefangen. Nur dass sie sich nicht mit Männer trifft, sondern die Treffen nur plant.
"Hi, der Chef will mich sprechen?"
"Ja, Herr Schmidt wartet bereits in seinem Büro. Du kannst gleich reingehen", antwortet sie mir lächelnd.
An der Bürotür angekommen klopfe ich an und werde auch sofort hereingerufen.
"Ah, Emma! Da bist du ja", begrüßt mich mein Chef Herr Schmidt freudig und gibt mir die Hand. Erst danach bemerke ich, dass im Raum noch zwei andere Personen sitzen.
"Emma, wenn ich vorstellen darf: Martin Hinteregger und sein Berater Tobias Sand." Beide stehen auf und zunächst begrüßt mich der Berater. Als mir Martin Hinteregger die Hand gibt, fällt es mir plötzlich auf.
"Wir kennen uns doch schon", sagt er selbst und wir stehen etwas unschlüssig im Raum rum. Anscheinend ist es auch ihm aufgefallen.
"Der Jogger", sage nun ich und wir nehmen auf den Stühlen vor dem Schreibtisch meines Chefes platz.
"Wie? Ihr kennt euch schon?", fragt nun mein Chef etwas irritiert. Auch Hintereggers Berater sieht so aus.
"Vor zwei Wochen habe ich ihr ein Taxi bestellt, weil sie nachts alleine auf einer Bank saß und etwas neben der Spur gewesen ist", antwortet Hinteregger und mustert mich skeptisch. "Ich bin ehrlich, auf den Fotos habe ich dich nicht erkannt."
Ich lächle nur und anscheinend weiß nun auch mein Chef, um welchen Abend es sich handelt.
"Dass sie sich schon flüchtig kennen, ist doch aber kein Problem, oder", fragt er und es scheint so, als hätte er Angst, dass noch irgendetwas schief gehen könnte.
"Nein, überhaupt nicht."
"Gut, dann fange ich nun mal an, warum wir überhaupt hier sind", beginnt nun sein Berater Tobias Sand zu reden.
"Also Frau Neumann, da die Reputation meines Klienten durch diverse öffentliche Auftritte nicht die beste ist, möchten wir sie gerne längerfristig buchen, damit sie an Herrn Hintereggers Seite für andere, vor allem bessere, Schlagzeilen sorgen. Das heißt einfach ausgedrückt: Sie sollen seine Freundin spielen. Alle Details, was sie zu tun haben, wie es ablaufen soll, können Sie in diesem Vertrag nachlesen", er zeigt auf eine Mappe, die auf Herrn Schmidts Tisch liegt. "Bevor Sie jetzt irgendetwas sagen: Das Angebot ist sehr lukrativ und es wird sich auch für Sie lohnen."
Etwas überfordert von dem kleinen Monolog schaue ich einfach nur hilfesuchend zu meinem Chef, da ich nicht so wirklich weiß, was ich sagen soll.
"Natürlich hättest du in dieser Zeit auch keine anderen Aufträge. Du wärst einzig und alleine die Freundin an Herrn Hintereggers Seite sein", sagt mein Chef, da anscheinend auch er gemerkt hat, dass ich etwas sprachlos bin.
"Und wie lange soll ich das machen?", frage ich.
"Vorgesehen sind acht Monate. Aber wie schon gesagt, alle Details finden Sie in Ihrem Vertrag", antwortet mir der Berater.
"Muss ich es jetzt schon entscheiden?", frage ich, denn ich möchte ungern sofort darüber entscheiden, was ich in den nächsten acht Monaten tun könnte.
"Nein", antwortet wieder der Berater, "Sie haben Zeit bis Freitag. Da bräuchten wir eine Entscheidung, denn der erste Auftritt von Ihnen würde dann direkt am Samstag beim Heimspiel sein."
Unschlüssig schaue ich zwischen den drei Männern hin und her. Martins Blick kann ich nicht wirklich deuten. Ich weiß nicht, ob er von der Idee überzeugt ist, oder ob er es lieber lassen würde.
"Emma ich schlage vor, dass du dir den Vertrag jetzt mit nach Hause nimmst, gut durchliest und dann meldest du dich die nächsten Tage bei mir", sagt mein Chef und ich nicke. Die Idee ist wirklich gut, da es nicht so scheint, als würde ich in der nächsten Zeit noch mehr Wörter aus mir herausbekommen.
Mit dem Vertrag in der Hand mache ich mich also zurück auf den Weg nach Hause.
Das ist eigentlich ein Angebot, was man nicht ausschlagen kann, denke ich mir.
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Liebe auf Umwegen
FanficEmma arbeitet während ihres Studiums bei einem Begleitservice und bekommt einen Auftrag, der ihr Leben verändern wird.