Kit glotzte zu der regungslosen Königin vor ihn. Er konnte es nicht fassen! Er war frei!
Hastig löste er sich von dem Maulschutz und der Leine, die seine Magie blockiert hatte. Er schüttelte sich ausgiebig, um die Schleifen loszuwerden. Wie hatte er diese lächerlichen Dinger in seinem Fell gehasst!
Dann eilte er zu Hel, die gerade die Küche betrat. Ihr Blick war auf Selena gerichtet und sie roch nach Tod und verbrannter Haut. Ihre Magie war stark und ließ die Luft um sie herum flimmern. Kit fragte sich, woher sie auf einmal all die Kraft hatte. Bevor er entführt worden war, hatte sie kaum noch Reserven gehabt. Er hatte es an ihr gerochen, aber jetzt war sie wie neugeboren. Und sie hatte ihn gerettet! Sie hatte Selena und ihn gerettet!
„DANKE, HEL!", rief Kit und sprang an ihr hoch. Hel zuckte erschrocken zusammen, als er auf ihre Schulter kletterte und sich an ihren Hals drückte. Er rieb seinen Kopf an ihrer Wange. Ihre Haut war rau, doch das machte ihm nichts aus.
„Diese Frau ist SO böse", plapperte er los. „Ich dachte, ich würde hier sterben, aber dann kamst du! DU hast uns alle gerettet!"
„Was ...?", entfuhr es Hel irritiert, als Kit wieder von ihr heruntersprang und neben der Königin am Boden landete. Er schaute zu der Totengöttin hoch und begann aufgeregt zu erzählen: „Selena hat herausbekommen, dass es ein Fluch ist, der auf der griechischen Mythologie liegt! Ein sehr starker Fluch, den nur wenige Hexen binden können ... leider kenne ich mich nicht in Flüchen aus und ich kenne auch keine Hexen ... außer vielleicht dich, Hel? Ich weiß nicht, bist du auch eine Hexe? Immerhin kannst du zaubern." Kits Blick glitt zur Königin und dann zu Selena, die ihn perplex anschaute. „Ich dachte wirklich, ich sterbe hier, aber dann habe ich mich daran erinnert, dass Grerr meinte, wir hätten nur eine Chance, wenn ich das Opfer spiele. Also habe ich das getan! Ich habe mich ruhig verhalten und gewartet, weil ich wusste, dass ihr mich findet und ... das habt ihr! Selena hat die Königin abgelenkt und die Informationen bekommen."
Kit drehte sich wieder zu Hel zurück. „Und du, Hel, hast uns gerettet!"
Der kleine Fuchsdämon klatschte begeistert in die kleinen Pfoten. Er war wie in einem Rausch. Er hatte gedacht, er würde bei dieser furchtbaren Königin sterben. Aber stattdessen war er hier und hatte dank Selena und Hel überlebt. Er hatte überlebt! Seine Gedanken überschlugen sich und er wusste nicht mal, was aus seinem Maul rauskam, während er redete und redete.
„Wir ... wir haben es geschafft!", meinte er begeistert und wusste gar nicht, wohin mit all den Gefühlen, die er gerade in sich hatte. „Wir haben die Informationen bekommen und die Königin besiegt ..." Seine Augen wurden groß, als er begriff, was das bedeutete. „Wir sind Helden!"
Hel sah ihn an, als hätte er sie nicht mehr alle, aber es war ihm egal. Selena begann zu lachen und hielt sich dabei an der Küchentheke fest. Kit wusste nicht, was daran so lustig war, aber er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt.
Hel verzog das Gesicht, atmete tief durch und zog ihre Magie zurück. Ihre Augen bekamen wieder ihre normalen Farben und ihre Aura hörte auf zu flackern.
„Mann, da hat aber einer einen heftigen Adrenalinrausch von seiner Nahtoderfahrung, was?", merkte Hel an und Kit hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber er nickte begeistert. Hel schlug sich die Hand gegen die Stirn und rollte mit den Augen.
„Was ist mit den sieben Idioten?", fragte Selena Hel, die der Wölfin einen knappen Blick zu warf. Kit merkte nicht, dass die beiden sich nun skeptischer ansahen als vorher. Er merkte nicht, dass Hel und Selena wie Hyänen umeinander schlichen und darauf warteten, dass die andere zum tödlichen Biss ansetzte. Kit hatte absolut keine Ahnung von all dem. Er war einfach nur glücklich.
„Die schlafen unten ein bisschen", meinte Hel ausweichend.
Selena schaute auf die Königin und trat mit ihrem Fuß gegen deren Bauch. „Und schläft sie auch?"
Hel neigte leicht den Kopf. „Ne, die ist tot."
Selena starrte Hel an und es herrschte für einen Augenblick Stille. Kit fragte sich, warum Selena das so entsetzte. Er war froh, dass diese furchtbare und grausame Frau tot war.
Hel seufzte theatralisch und deutete auf die Königin. „Ach, komm schon, die war eine Psychopathin! Ich habe der Welt einen Gefallen damit getan."
Selena warf Hel einen Seitenblick zu. „Ich bin gerade sehr froh, dass ich ein Götterversprechen mit dir habe."
Hel verzog das Gesicht. „DAS ist auch der einzige Grund, warum du noch lebst, Wolf ... und weil ich keine Ahnung habe, wie ich wieder aus diesem verdammten Wald rauskomme und hoffe, dass DU das weißt."
Kit schaute zu Selena. „Du weißt, wie wir hier wieder rauskommen, oder?"
Selena seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich arbeite momentan noch daran ..."
„Du hast keine Ahnung, oder?", merkte Hel an und verschränkte die Arme vor der Brust. Manchmal fragte sich Kit, warum Hel mit Selena und ihm unterwegs war. Sie schien keinen der beiden zu mögen und stellte alles in Frage, was Selena sagte.
„Das habe ich nicht gesagt!", entgegnete Selena genervt. „Ich ARBEITE daran, ok?"
„Was ist in dem Keller?", erkundigte sich Kit und schaute zu dem Kellerabgang. Der Geruch von Tod, Blut und Desinfektionsmittel streifte seine Nase. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Dort unten lauerte Schmerz und Tod. Da wollte er lieber nicht hinunter ...
„Da ist ein kleiner Zoo mit allerlei Kreaturen", erwiderte Hel.
„Schlafen die auch alle? Oder hast du sie wie die Königin getötet?", hörte er Selena fragen.
Hel schnaubte auf. „Ich bin vielleicht eine Totengöttin, aber ich töte nur die, die es verdient haben oder ... die es wollen."
„Was meinst du damit? Wollen?", hakte Kit nach und schaute zu Hel auf. Die Totengöttin kickte eine Scherbe von sich weg, gelangweilt.
„Nun, da unten waren Kreaturen, die über Jahre bereits gefangen gehalten wurden und die einfach nur sterben wollten nach all den Jahren voll Schmerz, Qual und Folterung. Sie haben mich regelrecht angefleht, ihrem jämmerlichen Leben ein Ende zu setzen, und ich habe es ihnen gewehrt."
Kit schluckte schwer und sein Blick glitt zu der toten Königin. Er hatte nie gedacht, dass er so etwas je spüren würde. Aber er war froh, dass sie tot war.
„Warum hat vorher nie jemand die Königin getötet?", fragte Kit und suchte nach einer plausiblen Antwort bei Selena. Sie kannte die Königin und sie hatte gewusst, was sie tat und sie ... warum hatte sie nichts getan?
„Weil es keinen interessiert, Kit", erwiderte Selena achselzuckend. „Ihr Vater und ihre Stiefmutter hatten sie in den Märchenwald verband, weil sie es nicht über sich gebracht haben sie zu töten."
„Warum das?", wollte Hel wissen. „Ich meine, töten wäre ja eindeutig die richtige Entscheidung gewesen."
Selena bedachte sie mit einem irritierten Blick. „Naja, Hel, manchmal kann man eben nicht seine Familie einfach töten, egal, wie sehr man sie hasst."
Hel verengte leicht die Augen, aber Kit war sich nicht sicher, ob die Totengöttin das verstand. Er verstand es auf jeden Fall.
Auf einmal hellte sich Selenas Gesicht auf. „Kennt ihr die Geschichte von Schneewittchen und dem Spieglein an der Wand?"
„Ich kenne sie!", erwiderte Kit und nickte eifrig. Er war dankbar, dass sie nicht mehr von der furchtbaren Königin sprachen und eine Märchengeschichte wäre jetzt auch beruhigend zu hören.
„Ja, ich hab davon gehört", erwiderte Hel zögerlich. „Geht's da nicht um ein wunderschönes Mädchen, deren Stiefmutter sie töten will und diese hat so einen magischen Spiegel?"
Selena deutete auf die tote Königin. „Darf ich vorstellen: Schneewittchen."
„Was?! Du verarscht mich doch!", entgegnete Hel, während Kit die tote Königin anstarrte. Ihr ebenholzschwarzes Haar war in eine perfekte Frisur hochgesteckt. Nur ein paar Strähnen hatten sich gelöst. Ihre schneeweiße Haut war befleckt mit ihrem Blut, Kaffee und Kuchen. Ihre Lippen waren rot wie Kirschen.
Natürlich war das Schneewittchen! Und ihre Lieblinge waren die sieben Zwerge! Wie hatte er das übersehen können!?
„Selena hat Recht!", sagte er überrascht. „Aber in den Geschichten war Schneewittchen gut ... und freundlich. Nicht ..." Kit gestikulierte zu der toten Königin. „... dieses Monster."
„Jeder hat seine dunklen Geheimnisse", meinte Selena achselzuckend. „Was viel wichtiger ist, dass sie den magischen Spiegel besitzt und dieser kann uns helfen aus diesem Loch rauszukommen."
Hel musterte Selena eine Weile. „Ist das der Grund, warum du damals nach ihr gesucht hast? Wolltest du diesen Spiegel stehlen?"
Selena grinste die Totengöttin an. „Borgen, Hel. Das richtige Wort ist borgen."
„Kann uns dieser Spiegel wirklich aus dem Wald bringen?", wollte Kit wissen. Selena stemmte die Hände in die Hüften und wirkte sehr zufrieden mit sich selbst.
„Und ob er das kann! Das ist unser Weg raus!"
Hel verzog ihr Gesicht. Sie war nicht gerade überzeugt davon, aber es war momentan besser als wieder durch den furchtbaren Wald zu gehen.
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Die drei Mythengetiere
AdventureScheiß auf: Einer für alle! Wenn die vereinigten Länder der Mythen und Märchen von einem Fluch heimgesucht werden, machen sich drei Helden auf den Weg, den Fluch zu brechen und ihre Welt zu retten. Naja, nicht Helden. Sagen wir ein Ex-Sträfling, ei...