Traue niemals rotem Schnee

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Selena beobachtete Schneeweißchen und Rosenrot, während die beiden ihren Tee tranken. Sie lächelten Selena an und Selena lächelte zurück, bevor sie sich vorlehnte.
„Ok, genug mit den Spielchen und dem „Wir verstehen uns ja so gut"-Gelaber. Ich weiß, dass ihr etwas von mir wollt."
Rosenrot und Schneeweißchen wechselten einen schnellen Blick, den Selena nicht deuten konnte. Sie sog unauffällig die Luft ein und der Geruch von Bär stieg ihr in die Nase. Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Grinsen.
„Aber ich muss euch leider enttäuschen, denn ich werde euch ganz sicher nicht mein Blut dalassen."
„Selena, es geht uns doch gar nicht um dein Blut", sagte Rosenrot und seufzte laut und lange, wie eine Prinzessin, die sehnsüchtig auf ihren Prinzen wartete.
„Nicht mehr", ergänzte Schnee und verengte leicht die Augen. Selena verzog das Gesicht und verschränkte ihre Arme, während sie lauschte. Da waren Schritte, die sich ihr von Hinten näherten. Sie waren sehr leise und jemand anderes hätte sie wahrscheinlich nicht gehört, aber Selenas Sinne waren geschärft. Niemand konnte sich so leicht an sie heranschleichen und wenn derjenige es versuchte, dann bereute er es. Selenas Muskeln spannten sich an und sie wartete, bis die Schritte nah genug kamen.
„Was wollt ihr dann?", wollte Selena wissen. Schnee beugte sich vor und schaute Selena tief in die Augen. In ihren eisblauen Augen spiegelte sich ein gewaltiger Bär, der hinter Selena Aufstellung nahm.
Ein Bär? Damit hab ich jetzt nicht gerechnet, dachte Selena.
„Uns wurde beauftragt, dich zu beseitigen." Schnee grinste und Selena erwiderte es mit einem Blitzen in den Augen.
„Das ist aber ein extrem ehrgeiziges Vorhaben", erwiderte Selena und — ZACK! Mit voller Wucht kickte sie den Tisch gegen die zwei Frauen. Diese stöhnten laut auf und krachten mit den Stühlen auf den Boden, während Selena den Schwung mitnahm und sich gegen den Bär hinter sich katapultierte.
Ihr Stuhl grub sich tief in den Bauch des Bärens, der laut auf keuchte. Selena packte die Stuhllehnen und schwang ihre Beine hoch und direkt in das Gesicht des Bärens. Speichel spritze ihr entgegen, als sich mit aller Kraft und genug Schwung von den Stuhllehnen wegdrückte, um mit einem eleganten Salto über den Bären zu fliegen. Sobald Selena auf den Beinen landete, duckte sie sich von einem schwingenden Bärenarm und schleuderte ihr ganzes Gesicht gegen den Bär.
Beide taumelten zurück und krachten auf den Tisch. Selena packte eine Teetasse und zerbrach sie auf den Kopf des Bären, der schmerzhaft und wütend zugleich aufbrüllte.
„Du hättest bei Goldlocke bleiben sollen", kommentierte Selena und verpasste ihm einen kräftigen Kinnhaken, als Schmerz durch ihre Seite schoss. Scharfe Krallen bohrten sich durch ihre Haut und sie grunzte, bevor sie ihr Knie zwischen die Beine des Bären rammte. Er ließ von ihr ab und sie rollte rasch runter, während sie ihre Seite hielt. Mit einem kurzen Blick bemerkte sie das Blut an ihren Fingern.
„Verdammt. Das war nicht nett", brummte sie und bemerkte, wie Rosenrot und Schneeweißchen zur Tür eilten. Selena setzte ihnen mit wölfischer Geschwindigkeit nach und schnappte sich eine robuste Stehlampe, die sie über ihren Kopf schwang wie ein Speer und dann warf. Die Lampe zerschellte an der Tür und schreckte die Frauen zurück.
Schneeweißchen eilte zu einer Kommode, während Rosenrot die Tür frei räumte. Dann war Selena bei ihnen und sie packte Rosenrot an ihrer Kehle. Diese schnappte nach Luft und versuchte mit ein paar jämmerlichen Schlägen sich wieder loszumachen. Doch Selena zog sie näher an sich heran, drückte ihre Rosenrots Hals weiter zu und positionierte die rothaarige Frau wie ein Schutzschild vor sich.
„Lass sie los!", schrie Schneeweißchen panisch und zielte mit zitternden Händen auf Selena mit einem Revolver. Selena musterte den Revolver und schnüffelte in die Richtung, bevor sie unbeeindruckt eine Augenbraue hob.
„Schnee, Schnee, Schnee, ich dachte du bist schlauer. Du weißt doch, dass normale Eisenkugeln mir nichts anhaben können."
„Sie können dich nicht töten, aber aufhalten."
Selena hätte beinahe aufgelacht und drehte sich so, um zu zeigen, dass ihre Wunden, die die Krallen zugefügt hatten, bereits verschwunden waren. „Netter Versuch, aber lass uns über wichtigere Dinge reden. Zum Beispiel, WER euch beauftragt hat?"
Schneeweißchen zögerte und zielte immer noch auf Selena, während ihr Blick immer wieder zu Rosenrot flackerte.
„Das kann ich dir nicht sagen."
„Das ist nicht sehr zufrieden stellend." Selenas Hand um Rosenrots Kehle drückte sich langsam zu und ihre Fingernägel wuchsen zu scharfen Krallen, die sich in die Haut eindrückten. „Du vergisst mit WEM du es hier zu tun hast, Schnee."
Selena knurrte tief und dunkel. Ihre animalische Seite verstärkte sich und schwappte die Schneeweißchen hinüber, die noch heftiger zu zittern anfing.
„Bitte, Selena, wir wurden gezwungen ..."
„VON WEM!?"
Schneeweißchens Verzweiflung wurde immer größer. Tränen brannten in ihren Augen. „Bitte, Selena, du weißt, dass wir Wissenschaftler sind..."
„Ihr seid verdammte Tierquäler! Ihr habt an mir herum experimentiert..."
„Wir haben uns geändert!", schrie Schneeweißchen gequält aus und legte schließlich den Revolver weg. Sie hob die Arme und ihre Augen flehten Selena an, ihr zu glauben. Aber Selena wusste nicht, ob sie das konnte. Vor vielen Jahren hatte sie den beiden vertraut, doch sie hatten sie nur für ihre Experimente benutzt. Es waren dunkle Zeiten, an die sie sich nicht mehr erinnern wollte. 
„Wir ... wir ... sind gut", krächzte Rosenrot. „Bitte, glaub uns ..."
„Ja, bitte glaub uns", setzte Schneeweißchen ein. „Wir wollten dir nie weh tun."
„Ha! Genau und was war das eben mit eurem Bärenfreund? Wollte der mich nur um..." Instinktiv Selena duckte sich und warf Rosenrot zu dem Bären, der sie aus dem Nichts attackierte. Aber wie schon gesagt, niemand konnte sich so schnell an Selena heranschleichen. Rosenrot schrie auf, während Selena zu Schneeweißchen sprang, die erneut nach dem Revolver griff.
„Dieser verdammte Bär ist echt unglaublich leise für seinen riesigen Körper", murrte Selena, als sie auf Schneeweißchen landete und diese mit sich zu Boden warf. Schnee stöhnte auf, als Selenas Gewicht auf sie prallte. Selena fischte den Revolver von der Kommode und zielte auf den Bären, während sie mit ihrem Knie Schnee auf den Boden festnagelte.
„Ah, ah, ah, nicht so schnell", meinte sie zu dem Bären, der innehielt und auf den Revolver starrte. „Komm näher und ich schieße dir zwischen deine hübschen braunen Augen."
Der Bär brummte, blieb aber stehen und beobachtete sie lauernd. Selenas Augen glitten zu Rosenrot, die sich aufsetzte und ihren Hals rieb. Dann schaute sie zu Schnee, die sie hasserfüllt anblickte.
Selena grinste, als sie merkte, dass Schnee nicht mehr zitterte und generell nicht mehr das ängstliche Mädchen war.
„Ich muss zugeben, dass du mich für einen Moment fast überzeugt hattest, dass ihr euch tatsächlich geändert hättet."
Schnee schnaubte und rollte mit den Augen. „Das war schon immer dein Problem, Selena. Du vertraust anderen zu schnell."
„Oh, diese nervige Angewohnheit habe ich mir abgewöhnt, als ich unschuldig ins Gefängnis geflogen bin."
Schnee lachte amüsiert. „Ja, sie hat dich ganz schön blöd aussehen lassen, nicht wahr?"
Alte Wut brodelte ihn Selena hoch und sie presste ihr Knie tiefer in die Brust. Schnee schnappte nach Luft und ihre Finger klammerten sich um Selenas Bein. Plötzlich spiegelte sich Angst in Schnees Augen. Selena versicherte sich kurz, dass der Bär und Rosenrot nicht auf dumme Ideen kamen. Doch beide beobachteten sie unschlüssig.
„Hör auf! Du erstickst sie!", sagte Rosenrot auf einmal und ihre Stimme bebte. Nun war es an Selena zu schnauben.
„Meinst du, das interessiert mich?", erwiderte sie kalt und schaute dann zu Schnee zurück, die bereits ganz blau angelaufen war und weiter nach Luft rang.
„Soll ich dir sagen, was ich noch verlernt habe während meiner Gefängniszeit?" Selenas Stimme wurde leiser, als sie hauchte: „Gnade."
Da stieg ihr ein bekannter Geruch in die Nase. Nicht nur einer, sondern zwei. Sie hörte ein Schnipsen. Die Tür flog aus den Angeln und wurde gegen den Bären geschleudert. Rosenrot schrie auf, als kleine Feuerbälle durch die Tür flogen und vor ihr explodierten.
Selena ließ ab von Schneeweißchen und diese sog gierig die Luft ein, während sie sich in embryonal Stellung legte. Selena drehte sich um, als Hel und Kitsune durch die Tür marschierten.
Hel rümpfte die Nase wegen der Einrichtung. „Das ist ja mal öde."
„Das nennt man minimalistisch, Hel", erklärte Selena und Kitsune quiekte erfreut auf, als er sie sah. Freudig sprang er zu ihr und umarmte ihr Bein. Selena musste lächeln und strich ihm über den Kopf.
„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass du irgendwo gefesselt bist und man an dir herum experimentiert", erklärte Hel fast enttäuscht.
„Warum klingst du so enttäuscht?", hakte Selena skeptisch nach, doch Hel ging nicht darauf ein. Stattdessen ging sie zu Rosenrot, die panisch rückwärts krappelte und kreischte, dass Hel sie in Ruhe lassen sollte.
Hel seufzte, schnipste und Rosenrot fiel in Ohnmacht. Dann beugte sich Hel herunter und fasste ihr Gesicht an.
„Was machst du da?", wollte Selena wissen. Hel schloss kurz die Augen, murmelte etwas und wandte sich dann an Selena. Sie grinste und schnipste. Innerhalb eines Augenschlags sah Hel aus wie Rosenrot. Sie zwinkerte Selena zu und ging zurück zur Tür.
„Komm, wir haben nicht ewig Zeit", sagte Hell in Rosenrots Stimme. „Wir müssen dich zu Gretel bringen."
Selena tauschte mit Kitsune einen verwirrten Blick, bevor sie den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Kitsune schmolz die Türklinke mit seiner Feuermagie und flog dann hinter Selena und Hel her. Sie gingen einen langen weißen Gang entlang und Hel reckte das Kinn. „Verhaltet euch so unauffällig wie möglich", zischte sie ihnen zu, während Selena zu ihr aufschloss.
„Whoa, whoa, whoa, was ist hier eigentlich los? Warum hast du es so eilig und ..."
Selena verstummte, als sie um die Ecke bogen und Selena all die bewaffneten Sicherheitsleute sah. Oder sagen wir Sicherheitsbären. Es wimmelte nur von denen.
„Oh, verdammt...", murmelte Selena und spürte wie Kitsune sich auf ihre Schulter setzte. Mittlerweile war das ein vertrautes Gewicht.
Hel schielte zu Selena. „Spiel einfach mit", murmelte Hel und schnipste erneut, als sich Handschellen um Selenas Hände legten. Es waren eine optische Täuschung, die Selena fasziniert betrachtete.
„Das ist ziemlich cool", gestand sie.
„Klappe, Wolf. Du bist ein maulender Gefangener..."
„Das ist kein Problem."
„... und ich die olle rothaarige Tusse..."
„Rosenrot."
„Ja, ja, wer auch immer. Jammere einfach wie immer, während ich uns hier lebend rausbringen ... wie sooft."
„Aber...", begann Kitsune kleinlaut. „... was, wenn sie deine Magie riechen, Hel?"
Hel zuckte mit den Schulter, aber ihr Körper war angespannter als zuvor. „Lass uns einfach hoffen, sie bemerken es nicht."
Selena warf ihr einen zweifelnden Blick zu, während der Geruch von Tod und verbrannter Haut ihre Nase reizte. Sie verzog das Gesicht. „Bemerken werden sie es sicher ...", murrte sie und zählte zehn Bären in diesem Gang, aber wer wusste, was um die Ecke lauerte.
„Hast du einen besseren Plan?", wollte Hel genervt wissen und setzte sich wieder in Bewegung. Selena folgte ihr rasch und knackte ihren Nacken.
„Noch nicht, aber wenn mir was einfällt, lass ich es dich wissen."

Die drei Mythengetiere Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt