Unterwegs in Grimmstadt

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Jetzt waren sie also in Grimmstadt. Die Hauptstadt der Märchenländer, die weit im Landesinneren thronte und in ihrer Pracht und Vielfalt sogar Asgard in den Schatten stellte. Hel hätte nicht gedacht, dass sie jemals hier sein würde. Sie staunte über die verschiedenen Wesen und Gestalten, die sich durch die Straßen tummelten und sich an ihnen vorbeischoben.
Hel hielt sich nah an Selena, den sie merkte schnell, dass man ihr aus dem Weg ging. Niemand rempelte sie an oder kam ihr zu nahe. Stattdessen sah sie feindselige und wachsame Blicke, die zu der Wölfin huschten. Oder sie hörte murmelnden Kommentare, die hastig zwischen magischen Passanten hin und her geworfen wurde wie Ping Pong Bälle. Kommentare wie „Was macht ein Mondwolf hier?", „Komm ihr nicht zu nahe. Es ist kurz vor Vollmond, da reagieren ihresgleichen sehr empfindlich!" oder „Ein Vetter von mir kam einem von diesen Wölfen mal zu nahe und hat sein Bein verloren."
Hel warf Selena einen skeptischen Blick zu, während sie Hel und Kit durch die belebten Straßen führte. Selena hielt ihren Blick stur gerade aus und reagierte nicht auf die Blicke oder Kommentare. Stattdessen schnüffelte sie ab und an in der Luft und lief zielstrebig voran.
„Wie weit ist diese Gretel weg?", wollte Hel wissen und fand es angenehm, dass sie mal nicht diejenige war, die alle anstarrten. Rasch versicherte sie sich, dass ihre Illusionsmagie noch in Takt war, die ihr entstelltes Gesicht zu einem makellosen Anblick machten.
„Sie lebt außerhalb der Stadt. Etwa einen halben Tagesritt entfernt."
„Warum hat Elphaba uns so weit weggeschickt?", wollte Kit wissen und Hel war erstaunt, Misstrauen in der Stimme des Fuchsbabys zu hören.
„Gute Frage", brummte Selena und mied ihre Blicke. Hel kniff die Augen zusammen und bemerkte, dass Selenas Seele unruhiger wurde. Wilder. Animalischer. Der Wolf in ihr wurde stärker und stärker, aber da war auch ein kleiner Teil, der verletzt worden ist und trauerte. Hel vermutetet, dass dieser mit Elphaba zu tun hatte, denn er leuchtete auf, als Kit sie über die Hexe gefragt hatte.
„Hel, warum kneifst du deine Augen so zusammen? Du weißt, dass das nur häßliche Falten gibt", merkte Selena an und grinste. Es war ein halbherziger Versuch unbedarft und sorglos zu wirken.
Hel schnaubte laut. „Falten in meinem Gesicht? Ha! Schlimmer kann's eh nicht werden."
„Ich mag dein normales Gesicht", sagte Kit aufrichtig und fasste ihr ins Gesicht. Hel schreckte zurück von der Berührung und knallte gegen einen wabbeligen Bauch. Der Gestank von Abwasser und faulendem Moos stieg ihr in die Nase.
„Uuuurgh! Iiih!", stieß sie aus und drehte sich um, um in vier gelbe Ziegenaugen zu schauen. Ein gewaltiger Troll mit Hörnern und vier Augen blickte auf sie hinab. Seine Zinkennase rümpfte sich.
„Du riechst au' net besser, Totenmädel", gurgelte eine dunkle Stimme, die klang wie ein sprudelnder Abwasserkanal. Hel verzog das Gesicht und bemerkte den Schleim auf ihrer Haut, an denen sie den Troll berührt hatte.
„Bei Odin, was ist das Ekeliges!? Kannst du deine Exkremente nicht bei dir lassen, Schlammhaufen?!"
Der Troll machte Anstalten, Hel anzugreifen, als sein Blick hinter Hel zuckte. Hel schüttelte sich und wischte den Schleim an Kits Fell ab. Kit quiekte empört auf und schlug ihr gegen den Arm.
„Geh weiter", raunte ein dunkles, bedrohliches Knurren hinter Hel, dass ihr alle Haare aufstellte. Ihr Herz zog sich zusammen, als eine animalische Aura über sie schwappte und am liebsten wäre sie aus lauter Angst davon gerannt. Doch stattdessen stand sie nur stocksteif da und beobachtete wie der Troll eilig zurück wich und die Arme in einer entschuldigenden Geste hob.
„'tschuldige, wollt' se nur warnen, dass se mal besser aufpasst, wo se hin tritt", murmelte der Troll und verschwand hastig in der Menge. Hel bemerkte, wie andere Passanten sie erschrocken anstarrten und noch viel mehr Platz um die drei machten.
Hel zwang sich ihre steifen Glieder zu bewegen und drehte sich zu Selena um. Selenas goldene Augen glühten und ihre Zähne waren gefletscht.
„Dem hast du echt Angst gemacht", meinte Hel so beiläufig wie möglich, während Selena leicht den Kopf schüttelte. Als müsste sie sich erinnern, dass da noch eine menschliche Seite in ihr war.
„Lasst uns weitergehen", erklärte Selena mit kratziger Stimme und Kit flog zu Hel, die schnipste und den restlichen Schleim mit grünem Magiefeuer von ihrer Haut wegbrannte.
„Selena macht mir immer mehr Angst", murmelte Kit und drängte sich näher an Hel, die ihn genervt von sich wegschob.
„Sei mal nicht so ein Baby", maulte sie und folgte Selena. Kit jedoch hielt sich ab sofort näher bei Hel.

Die drei Mythengetiere Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt