Der geheime Pakt

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Kitsune mochte die Hexe Elphaba. Denn sie versorgte sie mit gutem Essen, hatte sie in ihrem Turm übernachten lassen und ihnen bei ihrer Mission weitergeholfen. Kitsune war sich sicher, wenn sie ein Fuchsdämon wäre, dann hätte sie sicherlich mehr als fünf Schwänze und ganz wunderbares Fell. Außerdem roch ihre Magie nach Blumen und das fand er toll, denn Hels Magie roch nach Tod und verbrannter Haut. Das war nicht so toll für seine empfindliche Nase. Er hatte immer noch Mühe sich an den Gestank zu gewöhnen, wenn sie Magie ausübte.
Aber er wollte nicht undankbar sein, denn Hel hatte ihn und Selena vor der Königin gerettet und sie hatte ihm gestern auch erlaubt, in ihrem Bett zu schlafen. Sie war gar nicht so gemein, wie sie immer tat. Vielleicht war sie wie er auch einfach unverstanden und gehänselt von ihrer Familie? 
Kitsune schaute zu der Totengöttin, die ungeduldig vor dem Spiegel stand. Sie tippte mit den Fuß auf den Boden und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Selena stand auf der anderen Seite des Spiegels und schaute gedankenverloren aus dem Fenster, während Elphaba Magie wirkte. Sie flüsterte unverständlich vor sich hin, hatte die Augen geschlossen und ihre Hände ruhten auf der Glasoberfläche des Spiegels. Der blumige Geruch erfüllte den Raum. Elphabas grüne Haut begann zu schimmern und die Luft um sie herum begann zu flirren.
Kitsune wusste nicht genau, was Elphaba tat. Sie hatte nur gemeint, dass sie den Spiegel kalibrieren musste. Sie hatte es ausschweifend erklärt, als Hel nachgefragt hatte, was sie damit meinte, aber Kitsune hatte kein Wort verstanden und deswegen nicht zugehört.
Er schaute zu Selena hoch. Die Wölfin wirkte seit dem Frühstück abwesend und irgendwie traurig. Kitsune hätte sie gerne gefragt, aber Elphaba musste sich konzentrieren, deswegen durften sie nicht reden. Er schluckte also die drängenden Fragen hinunter und ging zu Selenas Beinen. Dann setzte er sich ganz nah neben sie und drückte seinen kleinen Körper an ihre Beine. Er wusste, wenn er traurig war, dann half es ihm, wenn er wusste, dass jemand für ihn da war. Und er wollte für die Wölfin da sein, denn sie war sehr nett zu ihm.
Selenas Blick glitt zu ihm und er schaute grinsend zu ihr auf. Selena schmunzelte, beugte sich hinab und strich ihm über den Kopf, bevor sie sich wieder erhob und zu Elphaba schaute, die gerade von dem Spiegel zurücktrat.
„Sie antwortet nicht ...", meinte Elphaba und stemmte die Hände in die Hüften. „Das ist ungewöhnlich."
„Was heißt das jetzt für uns?", wollte Hel genervt wissen. Sie verzog das Gesicht. Elphaba fuhr sich über die Schläfen und seufzte leise.
„Also, ich kann euch in die Nähe des Lebkuchenhauses schicken, aber nicht direkt rein."
„Was meinst du mit Nähe?", hakte Selena nach. Elphaba schaute zu Selena.
„Du wirst das nicht mögen."
Selenas Körper spannte sich an und Kitsune ahnte nichts Gutes.
„Beim heiligen Mond, du redest doch nicht etwa von ...?", begann Selena und witch zurück, als Elphaba nickte.
„Jap."
„Nein! Auf gar keinen Fall!" Selena schüttelte wild den Kopf und begann im Raum auf und ab zulaufen.
„Warum machst du so ein Theater, wolf?", wollte Hel wissen. Ihr Blick folgte Selena.
„Sie ist manchmal wirklich eine Dramaqueen, was?", meinte Elphaba leise zu Hel, aber nicht so leise, dass Selena sie nicht hören konnte.
„Hey!", knurrte Selena empört.
Hel kicherte. „Whoa, Elphaba, so einen Kommentar hätte ich jetzt von dir nicht erwartet."
„Naja, es ist doch wahr", meinte Elphaba und bedachte Selena mit einem tadelnden Blick. „Du bist wirklich ziemlich weinerlich geworden."
Selena knurrte wütend auf und stampfte auf Elphaba zu. Kitsune wich erschrocken zurück, aber die Hexe rührte sich nicht vom Fleck.
„Weinerlich?", maulte Selena los. „Du weißt ganz genau, warum ich so reagiere und ..."
Als Selena direkt vor Elphaba stand, stieß diese sie ohne Vorwarnung in den Spiegel. Selena riss erschrocken die Augen auf und schrie, bevor sie in den Spiegel fiel und verschwand.
„Bei Odin, Elphaba! Das war echt keine gute Idee. Selena wird stinkwütend sein."
Elphaba zuckte mit den Schultern. „Das wird euer geringstes Problem sein."
„Was?", entfuhr es Hel verwirrend und Kitsune schaut zu den Beiden hoch. Auch er war verwirrt. Da beugte sich Elphaba herunter zu ihm und hob ihn hoch.
„Ich habe nicht viel Zeit, um alles zu erklären, aber ..." Elphaba reichte Hel Kitsune und diese nahm den Fuchsdämon unwillig an sich. „... aber morgen ist Vollmond und bis dahin wird Selena extrem schnell und leicht reizbar sein."
„Ok ...", meinte Hel.
„Warum?", fragte Kitsune.
„Es ist ein Wolfsding", erwiderte Elphaba hastig. „Ein ziemlich gefährliches. Ihr müsst schauen, dass ihr so schnell wie möglich zu Gretel kommt. Sie hat einen Bunker, in dem ihr Selena sperren könnt."
„Warum sollten wir das tun?" Hel war unglaublich verwirrt von alledem.
„Selena verwandelt sich bei Vollmond in einen blutdurstigen Wolf, der alles töten wird, was ihm in den Weg kommt. Er wird euch zerfleischen, wenn ihr nicht schnell genug seid."
„Bei Odin!", entfuhr es Hel und sie drückte Kitsune enger an sich ohne, dass es ihr bewusst wurde.
„Hast du denn keinen Zauber, der das verhindert?", wollte Kitsune besorgt wissen. Elphaba schüttelte traurig den Kopf. „Nein, leider nicht. Ich habe es eine Zeit lang versucht. Aber wir haben nichts gefunden, was ihr hilft. Ich befürchte eher, dass unser Experimentieren es noch schlimmer gemacht hat."
„Wow, großartig. Das heißt, wir sind mit einer tickenden Zeitbombe unterwegs, die uns einfach den Kopf abbeißen könnte, wenn sie wollte?"
„Deswegen müsst ihr sie zu Gretel bringen. Sie hat einen Bunker, in den ihr Selena sperren könnt."
„Warum sagst du uns das alles?"
Elphaba atmete tief durch und verschränkte die Arme. „Weil ich sie gerade zu Schneeweißchen und Rosenrot geschickt habe."
„Aha ..."
„Wen?", wollte Kitsune wissen. Elphaba schaute die beiden verwirrt an bis ihr klar wurde, dass sie keine Ahnung hatten, wovon sie redete.
„Oh je ... nun, ihr werdet sehen, was ich meine. Sagen wir, sie haben Mittel, um Selena abzulenken, aber ihr müsst dafür sorgen, dass ihr ..."
„Selena in Gretels Bunker werft", unterbrach Hel genervt. „Schon klar. Du musst das nicht dauernd wiederholen."
Elphaba verzog leicht das Gesicht. Kitsune war sich nicht sicher, ob sie beleidigt war. Aber sie schien auf jeden Fall Hels Kommentar nicht zu mögen.
„Aber warum hat Selena uns das nicht alles gesagt?", hakte Hel nach und bedachte Elphaba skeptisch.
Kitsune nickte. „Gute Frage, Hel."
Elphaba seufzte und legte Hel eine Hand auf die Schulter. „Weil sie ein Idiot ist, der niemanden an sich heranlässt. Aber ihr seid jetzt ihr Rudel..."
„Ihr was?", merkte Hel beinahe empört an. Kitsunes Augen leuchteten aufgeregt. Er gehörte zu ihrem Rudel?!
„... und daher müsst ihr in der Vollmondzeit auf sie aufpassen."
Hel rollte mit den Augen. „Ganz sicher nicht. Wir sind kein Rudel."
„Wir sind ein Rudel!", quiekte Kitsune aufgeregt und umarmte Hel, die ihn angewidert anschaute.
„Lass das, Fuchsbaby!"
Elphaba lächelte leicht. „Ich werde euch vermissen." Bevor Hel oder Kitsune noch was sagen konnten, stieß Elphaba sie auch in den Spiegel. Hel schimpfte laut, aber ihre Flüche erstarben, sobald sie in dem Spiegel verschwand. Kitsune klammerte sich an sie und schloss die Augen, während sie in die Tiefe fielen.

Elphaba blieb alleine zurück in dem Raum und schaute ihre Reflexion an. Sie neigte leicht den Kopf und legte vorsichtig ihre Hand auf die Oberfläche. Auf einmal kamen ihr Tränen und ihre Finger begangen zu zittern. Durch den Spiegel erklang eine dunkle, verzerrte Stimme: „Hast du sie zu Rosenrot und Schneeweißchen geschickt?"
Elphaba presste die Lippen zusammen und sammelte sich, bevor sie mit klarer Stimme antwortete: „Ja, ich habe getan, was du verlangt hast. Jetzt möchte ich, dass du deinen Teil des Deals einhältst."
Für einen Moment war es still. So still, dass Elphaba unruhig wurde und sich ihr Körper verspannte.  Sie lauschte an dem Spiegel, aber sie hörte nichts. Schuldgefühle überkamen sie und ihr wurde schlecht. Was hatte sie getan? Hatte sie Selena und die anderen in Gefahr gebracht für nichts?
Doch dann wurde Elphaba wütend, dass sie sich so ängstlich verhielt. Sie war die verdammte Hexe von Oz! Sie hatte früher Angst und Schrecken verbreitet. Herzen hatten gestoppt, wenn man sie gesehen hatte. Und jetzt verhielt sie sich wie ein verängstigtes Mädchen, das etwas falsch gemacht hatte.
„Hey!", brach es aus Elphaba heraus. Ihre Stimme bebte. Aber nicht vor Angst, sondern Wut. Vor allem auf sich selbst. „Ich habe mit dir geredet. Du hast gesagt, wenn ich das für dich tue dann lässt du Dorothy gehen."
Ein Lachen drang aus dem Spiegel und Elphaba zuckte zusammen. Aber nur für einen kurzen Moment, bevor sie ihre Schultern straffte und das Kinn anhob. „Nun? Wo ist Dorothy?"
„Ich habe sie gerade nach Hause geschickt. Und vergiss nicht, wenn du ein Wort über unseren Deal verlierst, dann wird Dorothy nicht lange auf freien Fuß sein", erklang die Stimme. Sie war tief und bedrohlich. „Du weißt, dass du mich nicht austricksen kannst, Elphaba. Also, sei eine brave Hexe und halte dich daran, ok?"
Elphaba fühlte wie die bittere Magie aus dem Spiegel verschwand. Sie wusste, dass derjenige gegangen ist. Auf einmal erschöpft Elphaba sank auf die Knie und starrte zu dem Spiegel. Das, was sie getan hat, schlug auf sie ein wie ein Eimer mit Eiswasser.
„Es tut mir Leid, Selena", murmelte sie und schlug mit der Faust auf den Boden vor Frust, Wut und Schuldgefühlen.

Selena grummelte und öffnete die Augen. Sie hasste es durch einen Spiegel zu reisen. Das war wie wenn man in einen Tornado geworfen wurde, der einen dann irgendwann ausspuckte, nachdem er seinen Spaß hatte. Selena schüttelte den Kopf und setzte sich auf. Verwirrt schaute sie sich um. Sie war in einem kleinen Raum, der einfach nur weiß war. Es gab keine Fenster, keine Möbel und keine Tür.
„Verdammt ...", brummte Selena und rieb sich die Stirn. „Ich hab ja einiges verdient, Elphaba, aber das ist sogar für dich ein wenig zu übertrieben."
Langsam erhob sich Selena und schaute sich um. Jap, sie war einem viereckigen weißen Raum mit keiner Möglichkeit zu entkommen. Und wieder fragte sie sich, wie ihr Leben hatte nur so eskalieren können?
„Hey Rosi und Schnee!", rief Selena laut. „Ich weiß, dass ihr hier seid." Selena stemmte die Hände in die Hüften und wartete einen Moment. Irgendwie hoffte sie, dass Hel oder Kitsune auftauchen würden, aber das war nicht der Fall. Obwohl Hels Magie jetzt ziemlich hilfreich gewesen wäre. „HAAALLOOOOOO?"
Selena kickte gegen eine Wand. Nichts passierte. Dann betastete sie die Wand und ging entlang, suchend nach irgendetwas, dass vielleicht eine Möglichkeit aufzeigte, wie sie hier rauskam. Wie war die letztes Mal hier rausgekommen? Selena überlegte. Das letzte Mal, als sie Rosenrot und Schneeweißchen getroffen hatte, da waren die beiden extrem davon angetan, dass sie sich in einen Wolf verwandeln konnte. Als verrückte Wissenschaftler war das wohl irgendwie was abgefahrenes, auch wenn es für Selena einfach ganz normal war. Selena seufzte und streckte sich dann.
Sie wollte sich gerade in einen Wolf verwandeln, als sich wie auf dem Nichts eine Tür in der weißen Wand bildete. Selena ging hastig zu der Tür und öffnete sie. Dann zögerte sie aber eine Moment. Was, wenn das eine Fall war?
„Hallo? Rosi? Schnee?", rief sie durch die Tür.
„Selena!", hörte sie eine Stimme kalt und glatt wie das Eis. „Komm, wir haben gerade den Kaffee ausgesetzt."
Selena schob die Tür weiter auf und schaute in den anderen Raum. Es war ein heller Raum, der modern und minimalistisch eingerichtet war. In der Mitte stand ein dunkler Holztisch, an dem zwei Frauen saßen. Rosenrot und Schneeweißchen waren Zwillinge, die sich absolut ähnlich sahen, bis auf die Haarfarbe. Eine hatte feuerrote lange Haare und die andere hatte weiße, kurze. Beide lächelten Selena an, doch diese stand immer noch bei der Tür.
„Komm, setz dich", meinte Rosenrot und deutete zu dem leeren Stuhl. Selena schloss leise die Tür hinter sich und setzte ihr charmantestes Lächeln auf. Wenn etwas sie auf dieser lebensbedrohlichen Lage rausbrachte, dann ihr Charm.

Die drei Mythengetiere Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt