Kapitel 3 - Sechs und Zehn

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Erst nach dem Abendessen kam Magnus endlich zur Ruhe.

Der Tag war anstrengend gewesen, aber glücklicherweise beschränkten sich die anbwertenden Kommentare seiner Stiefgeschwister nur auf ein paar spitze Bemerkungen. Ansonsten wurde er geflissentlich ignoriert.

Magnus hätte damit rechnen müssen, dass sie es vergaßen, aber dennoch spürte er einen kleinen Stich, als ihn seine Stiefmutter wieder in den Keller schickte, weil sie nun ungestört mit ihren Kindern sein wollte. Aber wenn sie es schon vergaßen, könnte er den restlichen Abend auch im Stall bei Cat verbringen. Sie spendete ihm immer Trost und er wusste, dass sie es niemals vergessen würde.

Er schnappte sich also einen Apfel, streifte seinen abgewetzten Mantel über, da es draußen bereits kalt war, und schlüpfte durch die Hintertür nach draußen. Es war bereits dunkel, aber er lebte nun bereits so lange hier, dass er den Weg zum Stall auch blind fand.

Eigentlich war es viel mehr eine heruntergekommene Scheune als ein Stall, aber Magnus liebte es dort. Die Scheune beinhaltete so viele schöne Erinnerungen an seine Kindheit.

Wenn er mit seiner Mutter Verstecken gespielt hatte, hatte er sich immer irgendwo in der Scheune verborgen. Oder aber er hatte mit seinen Eltern auf dem Heuboden übernachtet und während er sich an seine Mutter geschmiegt hatte, hatte ihm sein Vater verschiedene Sternkonstelationen erklärt. Seine Mutter sponn dann immer eine lebhafte Geschichte daraus mit den Sternbildern als Charaktere, die er immer im Ohr hatte, als er schließlich einschlief.

In dieser Scheune hatte er sein Pferd Catarina großgezogen und hier hatte er auch seine ersten Reitversuche erlebt. Als Cat noch klein gewesen war, hatte er sich oft zu ihr geschlichen, um neben ihr im Stroh zu schlafen.

Was nämlich niemand wusste, war, dass sie Angst in der Dunkelheit gehabt hatte. Das hatte sie ihm auf ihre Weise erzählt. Er war so immer bei ihr geblieben, bis sie die Angst irgendwann überwunden hatte.

Diese Scheune war einer seiner wenigen Rückzugsorte nach dem Tod seiner Eltern.

Cat erwartete ihn bereits und schnaubte zur Begrüßung.
~Hey, meine Süße. Hast du Hunger?~, fragte Magnus lächelnd, während er ihren Futterttrog auffüllte, ohne ihre Antwort abzuwarten. Er legte noch den Apfel hinein und schlüpfte dann zu ihr, um sich auf das Stroh zu setzen und sie beim Essen zu beobachten.

Mit einem Maunzen kündigte sich der zweite Gast an und im nächsten Moment hatte es sich sein Kater Chairman Meow auf seinem Schoß gemütlich gemacht.

Auch Chairman hatte er von klein auf großgezogen und er liebte ihn sehr. Zwar gab es im Haus noch einen zweiten Karter, Luzifer, aber diesen mochte Magnus nicht. Er war in vielerlei Hinsicht genauso eitel und arrogant wie Chairman, aber ihm fehlte die Eleganz und das gute Wesen, das er nur seinen Freunden gegenüber zeigte.

~Nächstes Mal bekommst du auch was.~, beruhigte er ihn und kraulte ihn an seiner Lieblingsstelle hinterm Ohr

Als sein Kater plötzlich fauchte, schüttelte er nur den Kopf. Gespielt ernst sah er ihn an und hob tadelnd den Finger, während er erklärte~Du lässt sie in Frieden, verstanden? Du hast genug Katzenfutter und sonst haben wir ein Problem.~

Chairman legte den Kopf schief und gab ein quengeliges Miauen von sich. Er schien zu sagen: Na schön, aber nur, wenn du mich weiter kraulst.

Magnus lächelte und fuhr mit seinen Streicheleinheiten fort, als sich die Neuankömmlimge, drei kleine Mäuse, aus ihrem Versteck wagten und zu ihm huschten. Auch sie kannte er sehr gut und passte auch auf sie auf. Insgeheim hatte er ihnen die Namen Raphael, Tessa und Jem gegeben, aber sie schienen nichts dagegen zu haben.

Tessa schleppte etwas hinter sich her, als sie direkt zu ihm lief, bevor sie etwas, für ihre Verhältnisse, Großes vor ihm ablegte.

Es war eine Blume. Eine gelbe Rose, die man nur im hintersten Teil des Gartens fand. Die Lieblingsblume seiner Mutter.

Er nahm sie an sich und saugte ihren süßen Duft in sich auf, bevor er zu den drei Mäusen sah.
Immerhin hatten sie seinen Geburtstag nicht vergessen.

~Danke Leute. Das ist lieb von euch.~, sagte er leise und drehte dann die Rose zwsichen seinen Fingern hin und her.

Genau heute wurde er einundzwanzig. Sechs Jahre sind nun seid dem Tod seines Vaters vergangen und zehn bei seiner Mutter.

Cat legte den Apfel, der eigentlich ihr Nachtisch war, vor ihm ab und Chairman schnurrte zustimmend.
Zumindest sie hatten in Erinnerung gehalten, dass heute ein besonderer Tag für ihn war.

Dennoch fühlte er sich einsam, denn gerade an Tagen wie diesen vermisste er seine Eltern sehr. Sie hatten aus jedem Geburtstag etwas Besonderes gemacht, obwohl er das gar nicht brauchte, um glücklich zu sein. Sie hatten ihn trotzdem immer mit einem peinlich schiefen Geburtstagstsständchen und einem köstlichen Kuchen geweckt. Den Rest des Tages durfte er entscheiden, was sie unternahmen. Magnus vermisste diese Zeiten so unglaublich sehr, dass er einen wehmütigen Stich im Herzen spürte.

Er sah wieder auf die Rose.

Sechs und zehn, das waren die jeweiligen Lieblingszahlen seiner Eltern. Das musste doch etwas zu bedeuten haben.

Vielleicht würde dieses Jahr anders werden als die vorherigen. Besser, aufregender und schöner. Vielleicht traf er ja endlich jemanden ...

Ok, das war nun wirklich ein Hirngespinst. Und selbst wenn er jemanden kennenlernte, er bezweifelte, dass seine Stiefmutter das zulassen würde. Außerdem glaubte er nicht, dass sich überhaupt jemand für ihn interessieren könnte, wenn neben ihm seine ansehnlichen Stiefgeschwister standen. Dagegen hätte er sicherlich keine Chance.

Dennoch ... Der Hoffnungsschimmer, dass dieses Jahr ein Besonderes werden könnte, blieb und mit diesem Hoffnungsschimmer im Herzen schlief Magnus auf dem Stroh in der Scheune ein.

Und dieses Jahr wurde aufregend, vielleicht sogar das aufregendste in seinem Leben.

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt