Alexander schwieg. Das war kein gutes Zeichen.
Magnus hatte vorsorglich bereits den Blick abgewandt, denn er könnte es nicht ertragen, die Abscheu jetzt auch in seinem Gesicht zu sehen. Das würde ihn zerstören, denn er mochte Alexander. Sehr sogar. Und das, obwohl sie sich kaum kannten, aber es war so. Wenn er Magnus jetzt also wegstoßen würde, würde dieser das wohl hinnehmen, aber den Blick nicht heben.
Je länger es still war, desto weniger konnte er das erwartungsvolle und ängstliche Zittern unterdrücken. Was passierte jetzt? Brach gleich ein Wutsturm los, der sich erst noch aufbauen musste oder überlegte er sich nur, wie er Magnus am geschicktesten loswurde?
Er wusste es nicht.
Er wusste nur, dass sich mit jeder Sekunde sein Herz ein Stückchen mehr zusammenzog.
Warum sollte der Prinz ihn auch schon gernhaben? Er war nur ein armer und hässlicher Bediensteter in einem weit entfernten Haus, das mal das seiner Familie gewesen war. Er war nur ein unerwünschtes Mitglied einer Familie, die ihn nicht haben wollte und ihn das regelmäßig spüren ließ. Er war nur ein Angestellter mit zweifelhafter Herkunft und magelndem Wissen.Enttäuschung und Abschaum hatte ihn Lilith genannt. In den letzten Stunden war ihm so viel Magie widerfahren, dass er das beinahe vergessen hätte. Genauso wie sein Scheitern bei dem Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hatte, immer positiv und hoffnungsvoll zu bleiben, aber vor allem das Wunder in jedem Tag zu sehen. Er hatte wohl auf ganzer Linie versagt.
~Es ist wohl be-besser, wenn ich gehe. Verzeiht, dass ich Eure Zeit verschwendet habe.~, murmelte er leise. Die formelle Anrede hinterließ enen bitteren Nachgeschmack in seinem Mund, machte sie ihm doch nur deutlicher, dass er nicht hierher gehörte.
Als er keine Antwort bekam -nicht dass er mit einer gerechnet hätte-, wollte er aufstehen und endlich verschwinden, doch jemand hielt ihn fest.
Alexander.
Noch immer ohne ihn anzusehen, ließ er sich wieder fallen und schluckte den dicken Kloß in seinem Hals herunter. Er wollte doch nur weg! Weitere Worte gegen ihn, gerade vom Prinzen, konnte Magnus nicht gebrauchen.
Plötzlich spürte er etwas Warmes auf seinen leicht geschwollenen Fingerknöcheln. Zwei Lippen, die sie nacheinander abküssten.
Das war so ungewohnt, dass er zischend die Luft einzog. Es war aber nicht unangenehm, denn bei jeder Berührung jagte ein kleiner Schauer über seinen Rücken. Gleichzeitig wuchs die Verwirrung in ihm, denn er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit so etwas. Er hatte bereits versucht, sich gegen jegliche feindliche Äußerungen zu wappnen und nicht gegen das kribblig weiche Gefühl von Alexanders Lippen.
Er zuckte leicht zusammen, als er zwei Finger unter seinem Kinn spürte, die jenes sanft in die Richtung drückten, in der Alexander war.
Magnus biss sich fest auf die Lippe im Versuch, sich auf alles gefasst zu machen. Er bezweifelte, dass seine Schutzmauern einem abwertenden Blick oder schlimmeren standhalten würden, doch etwas anderes blieb ihm doch nicht übrig.
Als er jedoch wieder in den blauen Augen versank, erkannte er weder Ekel noch Abscheu. Nein, da waren nur Mitgefühl, Trauer und wieder diese Sanftheit, die ihn in eine warme Decke der Akzeptanz hüllte.
~Warum wolltest du weglaufen?~, fragte Alexander leise, während er ihn aufmerksam beobachtete.
~Ich ... ich dachte, du wolltest mich nicht mehr sehen.~, wisperte er als Antwort.Noch immer befand er sich irgendwo inmitten dieses blauen Sees und sein Herz schlug rasend schnell. Nur am Rande bekam er mit, wie nah sie sich eigentlich gekommen waren. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe.
~Wie kommst du nur auf so dumme Gedanken? Natürlich will ich dich sehen. Immer und immer wieder.~
Ein Schauer des Glücks lief seinen Rücken hinunter und seine Wangen erhitzten sich minimal.
~Echt? Du findest mich also nicht...~, Magnus schluckte,~... ab-abscheulich?~
~Dich? Nie im Leben! Ich verabscheue jeden, der so etwas zu dir sagt oder es dir zeigt und ich hasse jeden, der dir das antut, aber du? Du bist und bleibst wundervoll.~
~Ok.~, hauchte er verlegen.Vorsichtig legte Alexander eine Hand an seine Wange und strich sanft darüber. Seine andere hielt noch immer Magnus' fest in seiner.
~Hörst du? Da ist nichts Ekelhaftes an dir. Niemals.~, bekräftigte Alexander leise und eindringlich, bevor er ihm sogar noch näher kam.Wie von selbst fielen Magnus' Augen zu und nur sein schneller Atem verriet seine Aufregung. Er konnte nur ahnen, was nun gleich geschah und er sah dem sowol mit Freude als auch mit Angst entgegen.
Er war noch ungeküsst. Wen hätte er bis jetzt auch küssen können?
Deshalb besaß er überhaupt keine Erfahrung, weshalb er sich gleich wohl ziemlich blamieren würde. Jedoch hatte er bis heute auch noch nie so richtig getanzt und das hatte ja ebenfalls geklappt, Dank Alexander. Er würde ihn bestimmt auch dieses Mal führen und zeigen, was er machen musste, sodass er sich stadessen voll und ganz auf das Gefühl konzentrieren konnte.
Doch als es dann wirklich geschah, als sich Alexanders Lippen sanft auf seine legten, war er schlichtweg überwältigt.
Der Kuss war sanft, aber der Sturm in ihm dafür umso stärker. Die Schmetterlinge schlüpften alle zeitgleich und starteten gemeinsam ihren Jungfernflug. Sein Herz machte mehr Überschläge, als es gesund war und pumpte gleichzeitig riesige Mengen an Glück durch seine Adern.
Vorsichtig begann er den Kuss zu erwiedern und plötzlich glaubte er, gemeinsam mit den Schmetterlingen zu fliegen. Endlich konnte er dem Kribbeln folgen und seine Finger in Alexanders vollen und fluffigen Haaren vergraben. Sie waren so weich. Genauso weich wie seine Lippen, die unermüdlich über seine streiften, hungrig nach mehr.
Doch irgendwann lösten sie sich dennoch minimal voneinander, um sich ansehen zu können. Ihre Nasenspitzen streifen sich noch immer und sie trennten kaum zwei Fingerbreit von einem zweiten Kuss.
Magnus' Atem ging stoßweise, denn er konnte nicht so recht glauben, was da gerade passiert war. Sein erster Kuss war so ... unglaublich gewesen. Noch schöner und magischer als die ganze Nacht bisher.
Aber da war noch etwas ... seine Hoffnung, seine Zuversicht ... Sie waren zurück. Er war nicht länger verloren, sondern genauso optimistisch wie er seiner Mutter versprochen hatte. Und sein Tageswunder ... Das war dieser atemberaubende Kuss. Alexander hatte es zu ihm zurückgebracht.
~Danke.~, hauchte er atemlos und wollte ihn gleich nochmal küssen, doch plötzlich begannen die Glocken zu läuten.
Mitternacht.
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Das Wunder in jedem Tag (Malec)
Fanfiction[Abgeschlossene Geschichte] -Kurzer Textauszug- Es gibt keine vollendete Perfektion, denn wir sind nur Menschen. Wenn man von jemanden verlangt, perfekt zu sein, ist man es meist selbst nicht. Stadessen sollte man doch viel lieber daran arbeiten, si...