Kapitel 12 - Oh, und er heißt Alexander

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Endlich war der Tag des Balls gekommen. Oder zumindest der Mittag.

Den ganzen Morgen über hatte große Aufruhr in Magnus' Elternhaus geherrscht. Lilith war kaum dazu in der Lage gewesen, ihre beiden Kinder zu zügeln. Camille schien sogar noch unaustehlicher zu sein als sonst und selbst Sebastian wirkte nervös.

Magnus war zwar auch etwas aufgeregt, doch die Stimmung im Haus hatte ihn vor allem bedrückt, weshalb er froh war, dass er endlich rauskam. Er sollte nämlich die Kleider von Dorothea abholen, die sie für den Ball brauchten.

Kaum, dass er den Laden der Schneiderin betreten hatte, kam diese auch schon aus dem hinteren Bereich zu ihm.
Hatte Magnus geglaubt, der aufgeheizten Stimmung entkommen zu können, so hatte er sich geirrt, denn selbst Dot schien aufgekratzter als sonst, während sie ihn bat, ihr zu folgen.

Das Chaos in ihrem Arbeitsbereich schien sogar noch schlimmer zu sein als vor zwei Tagen. Überall lagen Stofffetzen, Jakette und Kleider in allen Farben und Formen herum.
Für ihn war es ein Wunder, dass Dot scheinbar genau wusste, wo was lag.

Als hätte sie seine verwirrten Gedanken gelesen, sagte sie abgelenkt~Du bist nicht der einzige, der heute die Kleider für den Ball abholt. Ich habe die letzte Nacht durchgearbeitet, um alle Aufträge fertigzustellen.~
~Gehst du auch auf den Ball?~, fragte er neugierig, während er zusah, wie Dot erst ein grünes Kleid hervorzog und es dann auf ein schillernd schwarzes legte.

~So etwas lasse ich mir doch nicht entgehen!~
~Allein?~
~Will mich hier gerade etwa jemand einladen?~
~Was? NEIN!~, widersprach er mit mehr Vehemenz als er wollte.

Sofort spürte er wie ihn die Verlegenheit überollte, weshalb er errötend den Kopf senkte.

~Ich meine du bist eine wundervolle junge Frau und jeder sollte sich geehrt fühlen, wenn du ihn zu so einem Spektakel begleitest, aber du bist nur eine sehr gute Freundin für mich und das wäre mehr als seltsam. Nicht, dass du seltsam bist, es wäre nur ... Und außerdem gibt es da ...~, stotterte er hilflos vor sich hin, bevor er stoppte.

Wieder schien Dot in seinen Kopf sehen zu können, denn plötzlich quietschte sie begeistert auf.

~Sag bloß, da gibt es jemanden!? Ist es ein Er oder eine Sie? Ich will alles wissen, Magnus!~, fragte sie ihn stürmisch, während sie einen eleganten schwarzen Anzug achtlos auf den Kleiderhaufen warf.

Sie war die einzige Person, die wusste, dass er sich in erster Linie in die Seele und nicht in das Geschlecht verliebte. Er wusste selbst nicht genau, wann er das herausgefunden hatte, denn diese Erkenntnis war nur schleichend gekommen.

Dennoch hatte er sie akzeptiert, auch wenn er ansonsten keinerlei Erfahrung damit hatte. Wie hätte er auch Erfahrungen sammeln sollen, wenn er doch meistens im Haus geblieben war?

Jedenfalls hatte er das seiner Stiefmutter bewusst verschwiegen, denn diese schien ihn schon jetzt zu verachten und er wollte es nicht noch schlimmer machen.

Dot hatte es erstaunlich gut aufgefasst und freute sich für ihn. Auch jetzt schien sie Feuer und Flamme, was seine Verlegenheit nur noch steigerte.

~Es ist ein Er und ich habe ihn im Wald kennengelernt. Er hat versucht einen Vogel abzuschießen, was glücklicherweise aber nicht geklappt hat. So kamen wir ins Gespräch, bevor er dann gehen musste.~
~Verdammt Magnus! Ich will Details! Wie sieht er aus? Wie heißt er? Wie findest du ihn? Ich will DETAILS!~, wies sie ihn aufgeregt zurecht.

Magnus zuckte bei ihrem lauten Tonfall zusammen, bevor irgendein Damm in ihm zu brechen schien.

~Er war einfach wundervoll, Dot! So freundlich und zuvorkommend und irgendwie auch ... führsorglich und süß. Seine schwarzen Wuschelhaare sahen so weich aus, dass ich meine Hände am liebsten in ihnen vergraben hätte und seine Augen ... Sie sind einfach atemberaubend! So tief und blau wie ein See. Beinahe zu schön, um nur in ihnen zu versinken! Er sah einfach so unglaublich gut aus, das glaubst du mir einfach nicht~, schwärmte er~Oh, und er heißt Alexander.~

Dot sah ihn schweigend an, wirkte aber nun zutiefst zufrieden.

Magnus hingegen steckte noch immer in seinen Gedanken fest, weshalb er geradeheraus fragte~Was ist nur mit mir los?~

~Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dich hat es erwischt.~
~Aber wir haben uns doch nur einmal getroffen!?~

~So etwas geht manchmal sehr schnell~, antwortete sie achselzuckend,~Kommt er zum Ball?~

~Ich weiß nicht...~
~Aber du hoffst es.~, stellte sie fest.

Magnus nickte betreten. Er hoffte es so sehr, dass es beinahe wehtat. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was er tat, wenn Alexander nicht auf diesem Ball war.

~Ich will ihn wiedersehen, aber ... Was wenn das für ihn nur eine zufällige Begegnung war und nicht mehr dahinter steckt? Wenn es ihm egal ist, ob wir uns wiedersehen oder nicht. Oder ob er mich ...~

Er schaffte es noch nicht einmal, den Satz zu beenden, denn der Kloß in seinem Hals war einfach zu groß. Selbst in seinen Gedanken, fiel es ihm schwer, seine Angst in Worte zu fassen.
... ab-... abstoßend findet?, fragte er sich leise und seine Brust schien sich bei diesem Gedanken unangenehm zusammenzuziehen.

~So etwas darfst du noch nicht einmal denken, Magnus Bane~, wies Dot ihn sanft, aber bestimmt zurecht,~Dieser Alexander kann sich nur glücklich schätzen, wenn er so jemanden wie dich hätte. Ich habe meine Worte ernst gemeint, du verdienst alles Gute dieser Welt. Und wenn er dich wirklich mag, wird ihm der Rest egal sein. Der Richtige wird selbst die Seiten an dir lieben, die du hässlich findest. Er wird alles an dir lieben, weil er dich liebt, verstanden?~

~Und du denkst, dass Alexander ...~
~Ich weiß es nicht~, gab sie zu und hob entschuldigend die Hände,~Aber du magst ihn und dich kann man einfach nicht nicht-mögen. Also sehen wir mal, wo das hinführt. Ich habe deinen Anzug übrigens auch bereits fertig.~

Mit diesen Worten zog sie etwas hervor, dass so schön war, dass es unmöglich bald zu ihm gehören konnte. Jedoch ließ Dot keinen Zweifel daran, als sie den Anzug ebenfalls auf den Haufen legte und diesen dann in einen großen Kleidersack legte, damit die schönen Gewänder nicht allzu sehr zerknitterten.

~Danke.~, sagte er nur, denn wieder fehlten ihm die Worte, um seinen ganzen Gefühlssalad treffend beschreiben zu können.

Dorothea hingegen lächelte nur.
~Schapp dir einfach deinen Alexander und berichte mir bei Gelegenheit alles.~
~Natürlich.~

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt