Kapitel 16 - Feen und Elfen

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Grün.
Das war das erste, das Magnus durch den Kopf schoss, als der Fremde zurückkehrte.

Dieser hatte sich in Schale geworfen und trug nun einen dunkelgrünen, maßgeschneiderten Anzug, der sehr teuer aussah. Dazu hatte er blank polierte Schuhe mit gold blitzenden Schnallen an.

Das war allerdings nicht der Grund, warum Grün sein erster Gedanke war.

Es lag viel mehr an der Haut des Manns, die plötzlich smaragdgrün schimmerte. Dazu hatte er plötzlich weiße Haare, aus denen zwei Hörner hervorragten und auch der Bart war weg.

Magnus erinnerte dieses Aussehen ein wenig an einen Kobolt, der seinen Job etwas zu ernst genommen hatte. Einen ziemlich genervt aussehenden Kobolt.

Unauffällig sah er hinter den kleineren Mann, aber da wartete leider weder ein Regenbogen noch ein Goldkessel auf ihn.

Warum er nicht panisch auf den nächstbesten Baum sprang?
Seine Mutter hatte ihn dazu erzogen, dass es viel mehr Dinge gab, als man auf einen Blick vielleicht ahnte. Viele Dinge existierten, ohne dass man sie sah. Es reichte schon, an sie zu glauben, denn die Welt, egal wie grausam sie auch erscheinen mochte, hatte stets etwas Magisches an sich.

Mit der Zeit war ihre Lehre in den Hintergrund gerückt, aber sie war nie vergessen. Jetzt kam sie eben wieder aus seinem Unterbewusstsein hervor, weshalb er sich nicht fürchtete, sondern den Kobolt nur verwirrt anstarrte.

~Hat es dir die Sprache verschlagen, Jungchen?~, fragte der Kobolt und wirkte dabei unglaublich selbstzufrieden.

Magnus zuckte nur die Schultern.
~Ich- Bist du ein Kobolt?~, fragte er und vergaß dabei die höfliche Anrede.

Das schien aber glücklicherweise nicht das zu sein, das den Kobolt so aufregte.
Wütend stamfte er auf und sein Gesicht leuchtete in einem grellen Grün.

~Kobolt? Du hälst mich für einen widerlichen kleinen KOBOLT?! Hat dir deine Mutter etwa nichts beigebracht?~, wetterte der nicht-Kobolt los, bevor er sich anscheinend besann und tief durchatmete,~Ich bin selbstverständlich deine gute Fee.~

Zu der Verwirrung gesellte sich nun auch Belustigung.
Magnus musste sich wirklich beherrschen, um nicht loszukichern, auch wenn der Großteil von ihm überrascht war.

DAS ist eine gute Fee?
Und was ist dann ein Kobolt? Noch kleiner, grüner und grimmiger?
Okay ...

Seine gute Fee schien dennoch zu merken, dass er sich insgeheim über seine Worte lustig machte, denn er stemmte wütend die Hände in die Hüften und funkelte ihn erbost an. Das hätte vielleicht bedrohlich gewirkt, wenn er ihm nicht nur bis zur Taille reichen würde und nun auch um einiges zierlicher wirkte als zuvor.

Magnus räusperte sich, bevor er versuchte zu erklären~Es ist nur, ich habe mir gute Feen immer anders vorgestellt. Größer, mit Flügeln, einem Zauberstab und irgendwie ... weiblicher und weniger grün.~

~Du würdest staunen, was heutzutage alles als Fee durchgeht. Um genau zu sein, bin ich ein Elf~, erklärte der Jetzt-plötzlich-Elf vergleichsweise geduldig,~Und Zauberstäbe sind nur etwas für Anfänger. Könner machen das alles per Hand.~

Um seine Worte zu unterstreichen, wackelte er mit den langen Fingern, die daraufhin vereinzelt Funken sprühten -natürlich ebenfalls in Grün.

Dann schien ihm noch etwas einzufallen.
~Ich bin übrigens Ragnor Fell, aber Mr Fell reicht völlig.~
~Also, Ragnor, du bist also mein guter Elf. Was machst du hier? Und vor allem, was hast du unter diesen Ästen gemacht?~, fragte Magnus nun, der sich langsam daran gewöhnte, mit dem griesgrämigen und grünhäutigen Elf zu reden.

Das alles erschien ihm furchtbar surreal und verwirrend, aber er war teilweise auch dankbar dafür, denn gerade diese Miesepetrigkeit lenkte ihn von den Geschehnissen im Haus bei Sonnenuntergang, aber vor allem auch von dem Scheitern seiner indirekten Pflichten ab.

~Ist das nicht offensichtlich? Ich bin hier, um dir zu helfen, aber davor musstest du dich noch als würdig erweisen. Nicht, dass ich mich in dir getäuscht habe und du nicht mehr der bist, den ich früher in dir gesehen habe.~

~Und wen hast du gesehen?~
~Jemanden, der anderen so oft hilft, dass er sich selbst dabei völlig vergisst. Jemanden, der etwas magische Hilfe gebrauchen kann~, erklärte Ragnor erstaunlich sanft,~Und deshalb werde ich dafür sorgen, dass du auf diesen Ball gehst.~

Magnus' Herz setzte einen Takt lang aus und im ersten Moment überschwemmte ihn Freude. Er würde doch noch auf den Ball gehen! Er würde dort vielleicht doch noch Alexander begegnen.

Er würde ... unweigerlich auf seine Stiefmutter treffen, die ihm klar verboten hatte, dort aufzutauchen. Wenn sie ihn sah, würde das definitiv Kosequenzen für ihn haben. Sehr schmerzhafte Kosequenzen. Er erschauderte leicht, denn plötzlich wurde die Freude von Angst und Panik abgelöst.

Ihre Worte hatten ihn schon genug verletzt. Er wollte sich kaum ausmalen, wie wütend sie sein würde, wenn er ihr Verbot einfach ignorierte. Das konnte er nicht. Er hatte doch schon zu viel angestellt.

~Ich kann nicht. Ich darf nicht auf den Ball.~, murmelte er leise und betrachtete seine Schuhspitzen.
~Aber du willst doch dahin, oder nicht?~
~Doch, natürlich! Mehr als alles andere, aber ...~

~Kein aber~, unterbrach er Magnus bestimmt,~Du gehst dorthin, weil du es willst und ich werde jetzt kein Nein akzeptieren. Ich will meinen Schönheitsschlaf nicht umsonst riskiert haben.~

Zwar wollte er immer noch dagegen protestieren, aber dann beschloss er, es nicht zu tun. Magnus wollte Ragnor nicht reizen, immerhin wollte ihm dieser nur helfen. Er sah ohnehin keinen Sinn darin, einen magischen Elf wütend zu machen, wenn der ihm gerade einen sehnlichen Wunsch erfüllen wollte. So dumm war er nicht.

Magnus versuchte nach Kräften es positiv zu sehen. Vielleicht würde ihn Lilith ja gar nicht erkennen und er könnte unerkannt in den Palast rein und wieder rausgehen. Er konnte Alexander vielleicht doch noch sehen und wahrscheinlich bewegte ihn diese Hoffnung dazu, zu nicken.

~Und wie genau möchtest du mir helfen?~
~Hast du eine Kutsche?~
Was?!

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt