Kapitel 25 - Der Morgen danach

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~Ich kann einfach nicht glauben, dass er mich noch nicht einmal eines Blickes gewürdigt hat! Dabei sah ich so gut aus!~
~Ansichtssache.~, kommentierte Sebastian, während er sein Brötchen aufschnitt.

Der nächste Tag war angebrochen und alles war wie immer. Magnus hatte, wie beinahe jeden Tag, Camille ihren Morgentee gebracht und servierte nun das Frühstück. Seine Stiefgeschwister und Lilith waren erst vor ein paar Stunden zurückgekehrt und würden den Tag wohl damit verbringen, sich auszuruhen. Magnus konnte sich also auf mehrere freie Stunden freuen.

Nun jedoch belauschte er neugierig das Gespräch seiner Stiefgeschwister, denn zwar wusste er, was auf dem Ball vorgefallen war, aber er wollte wissen, wie sie es erlebt hatten.

Zudem musste er ihnen immer noch weismachen, dass er den gestrigen Abend wirklich nur in seinem Elternhaus gesessen hatte und nicht etwa durch seinen guten Elf doch zum Ball gegangen war, um dort seinen ersten Kuss vom Prinzen höchstpersönlich zu bekommen. Bei dem Gedanken daran, konnte er sich ein verträumtes Lächeln nur schwer verkneifen, denn dieses Gefühl war einfach unglaublich und wunderschön gewesen.

Seine eigenen Lippen prickelten bei der Erinnerung an den Kuss und er würde wohl alles dafür tun, um dieses Gefühl nochmals zu erleben, auch wenn das unmöglich war. Das war schade, aber in Orndung, denn er versuchte sich stets mit dem zufrieden zu geben, das er hatte.

~Was ist denn auf dem Ball so Spannendes vorgefallen?~, fragte er möglichst beiläufig, während er Sebastian Tee einschenkte.
~Ach stimmt!~, fiel es diesem wieder ein,~Du warst ja nicht da.~

~Zum Eröffnungstanz sollte der Prinz eine Partnerin auswählen und er hätte beinahe mich erwählt, als sich plötzlich ein fremder Kerl an seinen Hals geworfen hat, der ihn zu diesem ersten Tanz zwang. Aber das war wohl noch nicht dreist genug, denn dann hat der Fremde den Prinzen auch noch von seinem eigenen Ball entführt, sodass er erst gegen Ende wieder zurückkam.~
~Es ist ja wohl klar, was die beiden während ihrer Abwesenheit miteinander getrieben haben~, fuhr Sebastian fort,~Einfach widerlich.~

Magnus schluckte, versuchte aber sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.

Wie kamen die beiden nur auf so etwas?
Alexander hatte doch ihn um diesen Tanz gebeten und später auch vorgeschlagen zu verschwinden. Und außerdem hatten sie es nicht miteinander getrieben. Sie hatten doch nur miteinander gesprochen, sich kennengelernt und später geküsst!

Er war sich sicher, dass Alexander nichts tat, was er nicht wollte. Dazu war er viel zu rücksichtsvoll und sanft und freundlich und liebevoll...

Magnus schüttelte den Kopf, ehe er sich in seiner Schwärmerei verlor.
~Vielleicht haben sie auch nur in Ruhe miteinander gesprochen. Wer weiß das schon?~, versuchte er unauffällig seine, aber vor allem Alexanders Ehre zu verteidigen.

~Gesprochen?! Man merkt, dass du keinerlei Erfahrung hast~, kicherte Camille,~Die beiden waren allein und der Fremde war so dreist, dass er es bestimmt nicht nur beim Reden belassen würde.~
~Genau. Der Prinz war nur zu höflich, um sein Unbehagen zuzugeben.~

~Habt ihr eine Ahnung  wer der Fremde war?~, fragte Magnus vorsichtig.
~Natürlich nicht. Er hat sich irgendetwas ins Gesicht geschmiert, damit man ihn nicht mehr erkennt.~

~Allerdings sah er schon irgendwie heiß aus.~
~Camille!~
~Was denn?~, pamte sie wütend,~Er war heiß mit seinem blauen Anzug, den tintenschwarzen Haaren und seiner schonungslosen Direktheit.~

Magnus biss sich auf die Unterlippe, um weder zu grinsen, noch die Augenbrauen hochzuziehen.

Camille fand ihn oder viel mehr sein verwandeltes Ich heiß? Das musste er ersteinmal verarbeiten.

Normalerweise bemängelte sie nämlich immer sein Aussehen. Seine Haare seien fettig und unzähmbar struppig, wie bei einem Straßenköter. Seine Haut sei viel zu dunkel und seine Kleidung zu schlicht -bei Letzterem stimmte er ihr insgeheim aber zu. Und seine Hände fand sie genauso ekelerregend wie jeder andere, der sie zu Gesicht bekommen hatte. Mit Ausnahme von Alexander.

Magnus' Herz schlug höher, als er an dessen Reaktion auf seine Hände gesehen hatte.
Dort gab es weder Ekel noch Abscheu in seinen Augen, sondern nur Mitgefühl und Trauer. So als ob er es bedauere, dass ihm das angetan wurde und dass Magnus das nicht verdient hätte.

Und was er daraufhin gesagt hatte ... Dass er ihn nie abscheulich finden könnte und ihn immer und immer wieder sehen wollte, wie er wirklich war ... Magnus konnte es einfach nicht glauben. Doch es war tatsächlich passiert und das jagte einen Glücksschauer nach dem anderen über seinen Rücken und ein warmes Gefühl nistete sich in seiner Brust ein.

~Du musst es ja wissen.~, grummelte Sebastian desinteressiert.

~Egal ob der Prinz dazu gezwungen wurde oder es sogar freiwillig getan hat, es wird schwerwiegende Konsequenzen für ihn und seinen Ruf haben. So etwas tut man nicht und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Und genau deshalb werden wir hier nicht mehr über diese Untat sprechen.~, beschloss eine andere Stimme. Magnus' Blick huschte zur Tür, in der Lilith stand und sie ermahnend musterte.

Er hätte wahrscheinlich schweigen sollen, denn das wäre definitiv besser für ihn gewesen, aber hier ging es um Alexander und die Art, wie sich Liltih über ihn aussließ. Das weckte einen unbekannten Beschützerinstinkt in ihm, der ihn dazu veranlasste, Alexander zu verteidigen, auch wenn er seinen Schutz bei Gott nicht brauchte.

~Ich glaube nicht, dass Alexa- ... der Prinz dazu gezwungen wurde, mit einem anderen Mann zu tanzen. Das hat er selbst entschieden und in seinen Augen war es keine Untat~, sagte Magnus bestimmt, bevor er hastig hinterherschob,~Zumindest  erzählt man sich auf ... dem Wochenmarkt, dass der Prinz stets mit besten Wissen und Gewissen Entscheidungen trifft.~

Er konnte wirklich nicht lügen.

Allerdings hatte er es auch nie wirklich geübt. Warum auch? Er war ein sehr aufrichtiger Mensch, der es verabscheute zu lügen. Jedoch war er sich auch bewusst, dass ihm Ehrlichkeit in dieser Situation nichts als Schmerzen einbrachte, weshalb er lieber log, wenn auch ziemlich schlecht.

Dennoch schien Lilith ihm zu glauben, auch wenn sich ihre Miene verdüstert hatte.
~Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt?~
~Nein.~
~Dann gib sie auch nicht kund~, entgegnete sie,~Du kannst jetzt gehen. Das Mittagessen fällt aus, da ich und meine Kinder uns ausruhen werden. Du kannst jetzt gehen.~

Magnus nickte, fühlte aber auch die Tritte in die Magengrube, die diese Worte symbolisierten. Er wusste schließlich, dass man ihn hier nicht als Teil der Familie ansah. Dennoch verletzte es ihn ein Stück weit, jedoch konnte er dies mittlerweile gut überspielen.

Also verließ er wortlos das Speisezimmer und ging zurück in den Keller.

Unten angekommen ging er sofort zu den losen Dielen, schob sie beiseite und holte seine Erinnerungsbox heraus. Ganz oben lag nun der schneeweiße Handschuh, den er in der schönsten Nacht seines Lebens getragen hatte.

Behutsam griff er daran vorbei nach dem dicken Märchenbuch und schlug es auf. Ihm war gerade irgendwie nach einem Happy End und dieses gab es in den niedergeschriebenen Märchen zu genüge.

Früher hatte er sich oft vorgestellt, dass sein Leben vielleicht auch ein Märchen war, denn seine Welt war damals so schön gewesen. Nicht rundum perfekt, aber eben perfekt für ihn. Früher gab es für ihn nichts Böses und er war glücklich in seiner heilen Welt.

Nun war er wesentlich reifer, was das anging, aber noch immer sehnte er sich nach den Geschichten, in denen das Gute immer siegte. Sie gaben ihm Hoffnung und beschenkten ihn mit vielen schönen Erinnerungen.
Mit einem nostalgisch warmen Gefühl begann er zu lesen.

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt