Kapitel 30 - Glück und Trauer

332 42 19
                                    

Um ihn herum brach Getuschel aus, aber davon bekam Magnus kaum etwas mit. Dazu waren seine Gedanken viel zu laut und schnell.

Alexander heiratet keine Ftau.
Er sucht nach mir.
Er will ... mit mir zusammen sein.
Mit mir!!
Er zieht mich jahrelangen Traditionen vor.
Alexander ist auch in mich verliebt!

Stürmisch wirbelten seine Gedanken umher und er bekam sie kaum zu fassen, aber das Glücksgefühl, das plötzlich durch seine Adern rauschte, war dafür umso klarer.

Er konnte es nicht glauben. Alexander suchte nach ihm. Ihm!

Sofort schlug sein Herz schneller und schien auf die Größe eines Einfamilienhauses anzuschwellen. Es war unglaublich. Unglaublich, aber wahr.

Er musste nach Hause, um dort vielleicht ein paar Sachen zusammenzupacken und vor allem, um sich zu beruhigen. Er wollte schließlich nicht in Ohnmacht fallen, wenn Alexander wieder vor ihm stehen würde. Er musste sich vorbereiten.

~Ich muss los.~
~Warum? Wir haben uns doch gerade erst wiedergefunden.~, warf Clary mit einem traurigen Unterton ein.

Unter anderen Umständen hätte Magnus sie jetzt beiseitegenommen und ihr alles erklärt, aber jetzt war er einfach zu aufgeregt dazu. Er konnte sich jetzt keinen Augenblick frei nehmen und ihr alles haarklein erzählen, denn dazu fehlten ihm gerade wirklich die Nerven.

~Ich weiß, aber ... Es ist wirklich sehr wichtig, Biscuit. Es tut mir leid~, meinte er mit einem entschuldigenden Lächeln,~Ich erklär es dir ein andernmal.~
~Heißt das, dass wir uns irgendwann wieder treffen und dann irgendetwas zusammen unernehmen?~
~Natürlich! Ich lasse nicht zu, dass wir uns wieder aus den Augen verlieren!~, versicherte er ihr und meinte es auch so.

Clary war stets eine gute Freundin gewesen und er war ziemlich traurig, als er den Kontakt zu ihr verloren hatte. Sie war einfach die Art von Person, der man gerne all seine Sorgen anvertraute und sich sicher sein konnte, auf Verständnis und vielleicht auch auf einen guten Ratschlag zu treffen. Er wollte sie nicht nochmal verlieren.

~Wir sehen uns.~, verabschiedete sie sich.
Magnus drückte sie nocheinmal fest an sich, bevor er leise in ihre roten Locken murmelte~Auf alle Fälle, Biscuit.~

Dann wandte er sich ab und lief zum Ausgang des Markts, an dem Cat auf ihn wartete.

---

So schnell war Magnus noch nie wieder in seinem Elternhaus, aber er hatte es auch wirklich eilig. So eilig, dass er Catarina einfach im Garten stehen ließ und gleich reinrannte. Nur gerade so nahm er noch die Einkäufe mit, die er heute im Auftrag seiner Stiefmutter getätigt hatte.

Achtlos ließ er sie auf der Küchentheke liegen und wandte sich gerade dem Bereich des Kellers zu, den er sein Zimmer nennen durfte, als er plötzlich erstarrte.

Für einen Augenblick war alles still und nur sein Herzschlag war hörbar, bevor es wie eine riesige Welle über ihm zusammenbrach.

Alles war verwüstet.

Jemand hatte alle Schubladen aus der Kommode gezogen und auf dem kalten Boden ausgelehrt, sodass all seine Kleider kreuz und quer herumlagen. Der kleine Tisch, an dem er aß oder irgendwelche handwerklichen Arbeiten erledigte, stand nicht mehr, sondern lag auf dem Boden. Die kratzige Decke lag zerwühlt neben der Matratze   genau wie sein Kissen.

Aber das war nicht das, was in ihm ein kaltes Gefühl der Angst auslöste. Das waren die beiden ausgehobenen Dielen vor seiner Schlafmatratze.

Seine Erinnerungsbox. Sie war weg.

Oder nein, die Box lag auf seiner Matratze, aber ihr Inhalt war über den gesamten Boden verstreut.

Die Briefe seines Vaters waren größtenteils zerrissen und lagen wie das traurigste Konfetti der Welt herum, genau wie die kleinen Geschenke. Die Bilder aus seiner so reinen Vergangenheit waren ebenfalls fast alle zerstört, nur lagen diese alle fein säuberlich verteilt auf der Matratze.

Leere erfasste Magnus und zog ihn erbarmungslos mit sich. Jemand war hier und hatte seine wenigen Habseligkeiten zerwühlt. Jemand war in einen seiner letzten Rückzugsorte eingebrochen und hatte ihn entweiht. Jemand hatte all die schönen Erinnerungen an seine Kindheit zerstört.

Nur mit Mühe hielt er die Tränen zurück. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um zusammenzubrechen.

Mit einem seltsam entblößten Gefühl bahnte er sich einen Weg zur geöffneten Kiste und sah mit wässrigen Blick hinein. Nur ein Bild lag noch darin. Das Bild von der Hütte, in der er so viele Sommer mit seiner Mutter verbracht hatte.

Es waren nur seine Instinkte, die ihn dazu leiteten, wieder in den Garten zu maschieren und auf Cats Rücken zu klettern, denn das Gefühl der Leere wuchs immer mehr. Magnus' System lief auf Notbetrieb und er funktionierte nur noch.

Zum Glück schien Catarina zu wissen, wo sie hinmussten, denn sie setzte sich selbstständig in Bewegung und schlug sogleich die richtige Richtung ein.

Kaum zu glauben, dass Magnus noch vor einer knappen Viertelstunde so voller Euphorie gewesen war. Er war so glücklich, hibbelig und aufgeregt, auf eine positive Weise.

Dieses Positive hatte sich jetzt jedoch in etwas Negatives verwandelt und er war voller Unbehagen, je näher er seinem Ziel kam.

Was sollte er hier?
Wer war an seinen Sachen?
Was wollte dieser jemand von ihm?

Er wusste es nicht, war sich aber auch nicht sicher, ob er die Antworten darauf wirklich hören wollte.

Am Rand der Lichtung blieb er stehen und stieg ab. Die aufkommenden Erinnerungen an sein erstes Treffen mit Alexander verdrängte er, denn er war zu besorgt und traurig, um jetzt in so schönen Erinnerungen zu versinken.

Die Besorgnis schwang in nervöse Angst um, als er sah, dass die Tür zur Hütte offen stand. Anscheinend wurde er erwartet. Er schluckte schwer und hatte gerade seinen Mut zusammengekratzt, um loszugehen, als Cat ihn aufhielt.

Sanft stupste sie mit ihren Nüstern gegen seine Schulter, warf dann den Kopf hoch und tänzelte auf der Stelle. Sie war besorgt und ihr gefiel die Sache nicht. Magnus stimmte ihr zwar zu, aber er musste dem einfach auf den Grund gehen.

Deshalb rang er sich ein zuversichtliches Lächeln ab und strich, wie er hoffte beruhigend, über ihren Hals.
~Wird schon schiefgehen. Ich komme gleich wieder.~, versprach er ihr, bevor er sich schwerenherzens abwandte und Richtung Hütte ging, um sich dem Ursprung seiner Unruhen zu stellen.

Doch was dann kam, hatte er nicht erwartet.

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt