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4:32 Uhr
Meine Füße tragen mich über die taufrische Wiese während ich meine Lederjacke fester um meinen Körper ziehe. So leise wie möglich ziehe ich die Feuerleiter herunter und spüre das kalte Metall an meinen Fingern. Ich beeile mich die Sprossen nach oben zu klettern und ziehe die Leiter wieder hoch. Wie automatisch hole ich den Edding aus seiner Ritze zwischen Regenrinne und Hauswand und ziehe einen weiteren Strich unter der Liste über der ein J. steht.
Mit einem Satz komme ich in meinem Zimmer auf und streife mir die Schuhe von den Füßen. Ich überlege kurz ob sich schlafen überhaupt noch lohnt, entscheide mich dann aber dagegen.
Nach einer langen Dusche ziehe ich mir eine frische Jeans und einen grauen Pullover an. Beim Zähneputzen sehen meine Augen mich müde an.

Wieso machst du den Mist auch trotzdem jedes mal?

Die Frage hab ich mir selber millionen Male gestellt, eine Antwort dazu kann ich nicht finden. Anfangs war es ein Spiel, aber seit ich....
Ich schüttel meinen Kopf, an sowas darf ich erst gar nicht denken.

Fertig angezogen lege ich mich auf mein noch gemachtes Bett und warte darauf bis ich den Wecker aus dem Nebenzimmer hören kann.
12 Sekunden, dann schaltet sie ihn aus.
Leo ist immer die erste die durch das Haus wirbelt, für sie zählt der ganze Statuskram und das Aussehen noch.
Als das zweite mal ein Wecker klingelt ist es Jens Wecker. Er steht als letztes von uns auf, unter anderem auch weil er meistens lange weg ist.

Um kurz nach sieben steckt Leo ihren Kopf durch meine Tür die sie ein Stück geöffnet hat.

"Bist du fertig?"
Ich drehe meinen Kopf und nicke, dann stehe ich auf und nehme meine Tasche und Lederjacke mit und schlüpfe in meine Turnschuhe.

In der Küche klebt am Kühlschrank ein Zettel von Mama, die laut ihrer Notiz eine Doppelschicht im Krankenhaus einlegt. Ich hole mir eine meiner Dosen Energy aus dem Kühlschrank und stelle Jens Kaffeebecher unter die Kaffeemaschine und höre zu wie die Bohnen gemahlen werden.

Ich beobachte wie meine Geschwister in die Küche kommen.
Leo - eigentlich Eleonora - trägt eine beige Hose und ein mint farbenes Oberteil. Sie sieht schick aus, sieht sie eigentlich immer. Aktuell geht sie in die Abschlussklasse des Gymnasiums an dem ich, so wie auch Jens, unser Abi machen. Jens ist nach diesem Jahr auch fertig damit und möchte dann an eine Uni gehen und studieren.
Er trägt wie immer ein dunkles Shirt und eine kurze Sporthose die seine muskulösen Beine betont.
Wir drei sind ein gutes Team, schon seit wir klein sind. Natürlich streiten wir uns auch öfter mal, aber dann gibt es immer einen Streitschlichter.

Kurze Zeit später sitzen wir in Jens altem VW Polo der mit seinem schäbigen rot eigentlich Augenkrebs verursacht. Trotzdem ist der Wagen sein Heiligtum und er möchte sich gar keinen neuen kaufen. Leo auf der Rückbank telefoniert mit irgendeiner Freundin, weshalb ich nur gedankenverloren meine Dose öffne und an ihr nippe während ich an die Nacht denke.

Trotz der Dusche spüre seine Hände auf meinem Körper, seine Lippen auf meinen und ich könnte schwören den Stoff der Bettwäsche unter meinen Finger zu haben.
So ist es jedes mal wenn an der Wand ein neuer Strich für Joah landet. Ich bin mir sicher ob ich diese Striche ziehe um mir selber klar zu machen wie oft ich mich von ihm benutzen lasse, oder wie oft ich so ekelhaft bin und ihn Dani betrügen lasse.
Sie tut mir leid.
Das tat sie mir schon nach dem ersten Mal, aber irgendwie konnte ich nicht aufhören mich Nachts in das Gartenhaus seiner Eltern zu schleichen, in dem er wohnt, und mich ihm hinzugeben.

Jens hält den Wagen, lässt uns raus und fährt dann weiter um einen Parkplatz zu suchen.
Leo drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann. Ihre blonden Haare wippen auf und ab während sie auf ihre Freunde zuläuft.
Nach der Trennung meiner Eltern brauchte ich eine Veränderung und hab mein eigentlich so hell blondes Haar wie Leos schwarz gefärbt. Seitdem steche ich auf Familienfotos heraus.

Ich krame aus der Brusttasche meiner Jacke die blaue Packung Gauloises und stecke mir eine davon zwischen die Lippen während ich mich auf den Weg zur Rauchermauer mache. Im Laufen stecke ich sie an und inhaliere den Rauch tief in die Lunge. Eine der Angewohnheiten die ich von Papa übernommen habe, wie Jens es erklären würde.

Ich lasse die Beine von der Mauer baumeln und konzentriere mich nur auf den Rauch der aus meiner Lunge kommt und sich mit der Luft vermischt.

"Du siehst noch beschissener aus als sonst eh schon," Leandro Schäfer sich zu mir an die Mauer.

Die einzige Zeit die wir miteinander verbringen ist die während wir beide rauchen.

Ich checke ihn kurz von der Seite ab, er trägt eine rote Cap ein passendes Shirt dazu, normale schwarze Jeans und irgendwelche Turnschuhe. Zwischen seinen Fingern entdecke ich eine Zigarette von der ich weiß, dass es rote Malboros sind.

Ich antworte ihm nicht, nehme nur einen Schluck aus meiner Dose und ziehe dann nochmal an meiner eigenen Zigarette.

"So schlimm?" Er nimmt mir die Dose weg und trinkt auch einen großen Schluck bevor er mir sie wieder gibt.

Ich ziehe ein letztes Mal, schnippse den Rest auf den Boden und trete beim von der Mauer springen drauf. Durch den Größenunterschied muss ich nun meinen Kopf etwas neigen um ihm in die Augen sehen zu können. Das dunkle Grün leuchtet leicht und ich erkenne den Anflug eines Schmunzelns auf seinen Lippen.

"Wir sehen uns in der Pause," antworte ich nur und verschwinde dann ins innere der Schule.

Vor dem Unterrichtsraum entdecke ich Joah, mein Herz macht automatisch einen Satz, doch dann sehe ich Dani die sich an seine Brust schmiegt und will am liebsten kotzen.
Ich weiß sie kann nichts dafür und eigentlich ist sie die jenige die mich hassen dürfte.

Ich beiße mir auf die Lippe und schiebe mich an ihnen vorbei, weder Joah noch sonst mehr sieht mich an. Erst als ich am Ende der Gruppe stehe und wieder hoch sehe sieht Joah mich an.

Seine braunen Augen mustern mich kurz, dann grinst er und wendet sich wieder ab.
Das wird ein Tag.

Ich sitze wieder auf der Mauer, die Zigarette liegt zwischen meinen Lippen während ich auf Maxi warte.

Maxi ist seit meiner Kindheit mein bester Freund, auch wenn er erst so alt ist wie Leo.
Er setzt sich anders herum auf die Mauer und begutachtet den Schulhof, während ich die Straße bevorzuge.

"Leo hat mir erzählt du bist erst wieder Nachts nach Hause gekommen," er redet nie um den heißen Brei herum.
Maxi ist der Einzige dem ich von der Sache mit Joah erzählt habe, zumal es einfach eine Welle der Ereignisse mit sich ziehen würde, würde die Sache raus kommen.
"Gibt es einen weiteren Strich?"

Ich inhaliere und puste den Rauch wieder raus, "ja."
Das ist ein Grundsatz unserer Freundschaft, Maxi und ich sind immer ehrlich zueinander.

"Du machst dich damit nur selber kaputt Lyra," wirft er nur ein.

"Sie ist kaputt," Leandro lehnt sich wieder neben mir an und ich rieche sofort sein Parfum. Das ist eine seiner Marotten, nachdem er geraucht hat muss er sein Parfum benutzen.

Maxi verabschiedet sich und lässt uns beide alleine.
Nachdem Joah und Dani die letzten Stunden auf ihren Plätzen vor mir rumgeturtel haben, hält sich meine Motivation für den Rest des Schultages in Grenzen. Vor allem da ich genau weiß was er und ich vor ein paar Stunden noch getan haben.

"Schwänzt du mit mir?"

Leicht skeptisch sieht Leandro mich an.

"Von mir aus," zu meiner Überraschung stößt er sich von der Mauer ab und macht sich auf den Weg zu gehen.

Als er schon ein paar Schritte weg ist dreht er sich nochmal um, " kommst du oder nicht?"


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Hey und schön, dass ihr hier her gefunden habt. 
Wer ein Problem mit anstößigen Wörtern oder sexuellen Szenen hat, den würde ich bitten vor allem die gekennzeichneten Kapitel aus zu lassen. 
Ansonsten hoffe ich, ihr könnt Lyra und Co. genauso absolut lieben wie ich. :)

Wir lesen uns.

How broken hearts breakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt