11.

25 3 0
                                    

Leandro zieht irgendwie bei uns ein. Da Leo ständig bei Maxi ist und ich gerade keine Lust auf solche Auseinandersetzungen mit Leandro habe werden er und Jens irgendwie Freunde. Jens scheint bis jetzt nicht bemerkt zu haben, dass ich seinen Wagen entführt hatte und das ist auch gut so. Gerade haben die beiden das Wohnzimmer in ein Schlachtfeld verwandelt, weil sie vor haben die ganze Nacht irgendein Videospiel zu spielen. Ich begnüge mich stattdessen in der Küche mit Erdbeereis und einem Buch. Es sind zwar nur zwei Tage, dennoch macht seine Anwesenheit mich verrückt. Wir haben seitdem ich ins Bett gegangen bin nicht mehr miteinander gesprochen und am nächsten Morgen fanden weder Mama noch Jens es komisch, dass er im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen hatte. Ich stelle die leere Schüssel Eis in die Spüle und klappe das Buch zusammen, lege aber vorher noch ein Lesezeichen rein.

"Ich bin weg," rufe ich mehr Jens als Leandro zu während ich die Schuhe anziehe. Beide drehen sich zu mir rum.

Leandro runzelt die Stirn und Jens nickt mir nur zu bevor ich einmal das Haus umrunde nur um an der wirklich eiskalten Feuerleiter wieder nach oben zu klettern. Ich mag es nicht wenn alle wissen, dass ich immer hier sitze, deshalb lasse ich Jens und Leo gern in dem Glauben, ich hätte noch irgendwelche Freunde zu denen ich gehe. Die Aussicht hier ist nett. Ich kann über die kleinen Einfamilienhäuser schauen und sehe wie schön die Stadt in Orange getaucht wird wenn die Sonne unter geht. Ich nehme die Zigaretten aus meiner Hosentasche und zünde mir eine an, in letzter Zeit rauche ich viel weniger. Da in nicht einmal einer Woche Weihnachten ist, stürzt Mama sich noch mehr in die Arbeit als sonst um so gut es geht bei uns sein zu können. Ich puste den Rauch zusammen mit meinem Atem der in der Kälte verdampft nach draußen und hänge mit meinem Kopf mal wieder bei meinem Leben bevor Papa alles zerstört hat. Ich weiß ich kann nicht gänzlich ihm die Schuld am scheitern der Ehe meiner Eltern geben, aber er war derjenige der Mama betrogen hat. Und dann hat er mich es ausbaden lassen.
Ich vermisse ihn hier bei uns, immerhin war ich immer mehr Papakind als Mamakind aber irgendwie hat er meine ganze Weltansicht damit ins Wanken gebracht. Ich hab mich gefühlt als würde der Boden unter meinen Füßen fehlen und habe einen kleinen Halt bei Joah gefunden. Aber Joah war mehr ein kleiner Felsvorsprung an dem ich mich festgehalten habe. Und Leandro, er war der rettende Boden von dem ich einfach wieder runter gesprungen bin.
So wie Papa sich alles selber zerstört hat, genauso hab ich es auch gemacht.
Jetzt falle ich ohne die Aussicht auf einen Boden.
Die Leiter wackelt und erst schaue ich nach oben ob vielleicht wieder die fette Katze von Frau Wilms aus dem Fenster geklettert ist, aber ist sie nicht. Vielmehr der Enkel von Frau Wilms klettert auf den Vorsprung vor ihrem Fenster und fängt bitter an zu weinen. Ich bin nicht anders erzogen worden, also klettere ich zu ihm rauf und warte bis er sich einigermaßen ausgeweint hat.
Er heißt Erik müsste jetzt zwischen 25 und 30 sein und ist seit einem Jahr verlobt. Das weiß ich weil wenn Frau Wilms redet, dann über ihn und zu Weihnachten kommt er sie immer besuchen.

"Meine Güte, was hast du mit deinen Haaren angestellt," er wirkt echt perplex über mein umstyling und irgendwie stört es mich, dass das alles ist was er nach seinem Heulkrampf sagt.
"Wieso heulst du?" Frage ich also stattdessen.
Er lässt den Nacken knacken und sieht mich mit seinen blauen Augen voller Kummer an.
"Sie hat sich von mir getrennt, weil ich in der Firma gefeuert wurde," erklärt er während ich neben ihn rutsche.
Verdammt von hier ist der Ausblick noch geiler.
Ich höre mir eine ganze Zeit lang seinen Herzschmerz an, bevor er mich ausquetscht zu meinen Haaren und warum ich so traurig wirke. Es geht uns am Ende zwar nicht besser, aber wie sagt man so schön geteiltes Leid ist halbes Leid. Wir haben sogar meine restlichen Zigaretten bis auf eine verraucht und damit ich ich nicht außen rum laufen muss, lässt Erik mich in die Wohnung seiner Oma klettern, damit ich nur den Hausflur herunter muss. Es wird schon wieder dunkel und so langsam zweifle ich an mir selber, dass es gesund sein kann wenn ich ständig nichts tue und die Tage einfach so an mir vorbei ziehen.

Ich schließe die Haustür auf und werde von einem hysterischen Leandro empfangen.
"Mach mir nie wieder so eine scheiß Angst," schreit er mich förmlich an.
Verwirrt mustere ich ihn und wie aufgelöst er ist. Im Wohnzimmer laufen die Nachrichten und von Jens fehlt jede Spur. Erst als ich mir den Fernseher genauer ansehe, wird mir klar warum er so fertig ist. Es ist das Haus von Joahs Eltern in den Nachrichten und es brennt. Es steht lichterloh in Flammen während Feuerwehrleute durch das Bild laufen. Erst finde ich es unglaublich süß, dass er sich Sorgen macht, mir fällt aber ein wieso.
"Du denkst allen ernstes, ich wäre bei Joah gewesen?"
Ich bin wütend, verdammt wütend und zwar das erste Mal auf Leandro.
Ein wenig perplex sieht er mich an und ist sich unsicher was er antworten soll, ich nehme ihm die Möglichkeit jedoch sofort wieder.
"Ich kann nicht fassen, dass du allen ernstes denkst ich wäre so dumm."
Bevor die Sache ausarten kann will ich mich wieder in meinem Zimmer verkriechen und so tun als würde er nicht so schlecht von mir denken. Leandro hält mich jedoch am Arm fest und begeht einen großen Fehler, er lässt meine Sicherungen durchknallen.
"Du haust jetzt nicht wieder einfach so ab! Was glaubst du was ich sonst denken sollte? Gerade als ich das Gefühl hatte das zwischen uns würde gut laufen rennst du zu Joah und dann soll ich nicht davon ausgehen, du würdest es weiter tun?!"
Er ist auch wütend, kontrolliert sich aber. Seine Worte ergeben keinen Sinn ich habe Joah nicht mehr getroffen seit er mich das erste mal geküsst hat.
"Sag mal tickst du noch sauber?!"
Ich schüttle seine Hand von meinem Arm und bringe einen Schritt Abstand zwischen uns.
"Auch wenn ich dir in keinster Weise eine Erklärung schuldig bin, ich war seit unserem ersten Kuss nicht mehr mit Joah zusammen."
Es folgt ein höhnisches Lachen mit dem er seine Arme vor der Brust verschränkt.
"Du musst mich nicht anlügen. Joah hat es mir mal wieder unter die Nase gerieben, dass er dich haben kann wann er will und ich nur dumm dastehe. Du hast ja sogar deine Zigaretten bei ihm vergessen," erklärt er verletzt.
In meinem Kopf fügen sich ein paar Puzzleteile zusammen, als mir klar wird warum wir die ganze Zeit streiten.
Meine Wut ist sofort wie weggeblasen.
"Moment. Du meinst die Schachtel die du mir auf dem Schulhof gegeben hast?"
Er nickt und ist sichtlich stutzig über meinen plötzlichen Stimmungswechsel.
"Die hab ich vor Ewigkeiten in der Schule verloren. Ich war nie bei Joah, er muss dich angelogen haben," erkläre ich ihm die Wahrheit.

Irgendwas in ihm schiebt auch die Puzzleteile zusammen und dann sieht er mich voller Reue an.
"Fuck," murmelt er.
Ich verdrehe nur die Augen und löse seine Arme um mich zwischen sie zu quetschen und ihn feste an mich zu drücken. Er nimmt mich zurück in den Arm und seufzt, was ich nur zu gut verstehen kann, er hat mir auch unendlich gefehlt. Wir lösen uns ein Stück, aber nur damit er genug platz hat um sich zu mir zu beugen und mich zu küssen.
Der Kuss schmeckt nach Verzweiflung. Er ist so viel intensiver und mit, ich kann es nicht genau beschreiben, aber ich denke mit Gefühlen verbunden. Es fühlt sich so an als würde ich schwerelos werden, während Lenny mit seinem Daumen meinen Kiefer langfährt und mit der Anderen Hand meine Hüfte hält. Es interessiert uns nicht einmal, dass ich ihm die Cap vom Kopf fummle und meine Hände in seinen Haaren vergrabe, ich bin einfach nur froh ihn wieder zu haben.

"Professionell gesehen hätte ich gesagt sie ist nicht verbrannt und es geht ihr ziemlich gut," dass Leo schmunzelt kann ich hören ohne sie anzusehen.
Leicht peinlich berührt lösen wir uns und ich sehe meine Familie und meinen besten Freund entschuldigend an. Leandro hebt seine Cap auf und tut dann so als hätten sie uns nicht gerade eben beim knutschen erwischt. Maxi wackelt hinter Leo mit den Augenbrauen und nickt mir leicht zu.
"Werd gar nicht erst frech, ich will nicht wissen wie oft ich euch noch bei sowas erwische," erkläre ich gespielt böse und zeige mit dem Finger auf die Beiden.
"Eleonora und Maximilian doch nicht," winkt meine Mutter ab und schiebt sich durch den Stau in die Küche.
Leo und Maxi laufen beide knallrot an, fast schon so als wären ihre Köpfe Tomaten.
Nicht einmal Jens kann verhindern laut zu lachen weil Mama mal wieder hinterm Mond lebt und nicht mitbekommen hat, dass die beiden sich daten.
Unverkennbar verwirrt dreht Mama sich wieder zu uns und sieht die beiden prüfend an.
"Maximilian Richard Spahn, ich erwarte jetzt die Wahrheit." Sie setzt eine Kunstpause ein.
"Hast du Interesse an meiner Tochter?" Fast schon könnte man meinen meine Mutter wäre streng.
"Ja Anna, ich mag Leo," er hustet. "Ich meine ich mag Eleonora mehr als alles andere auf der Welt," erklärt er offen.
Leos Kopf platzt beinahe so überfordert ist sie mit der Situation, weshalb Mama nur grinst. Sie mag die Spitznamen nicht, da die beiden ihrer Meinung nach wunderschöne Vornamen haben und sie weiß wie verdammt peinlich Leo sowas ist.
"Ich denke ich brauch ne Freundin wenn jetzt beide meiner Schwestern vergeben sind," erklärt Jens und wirft sich im Wohnzimmer auf die Couch. Mama setzt sich ihm gegenüber und winkt das nur ab, " wir beide haben uns."

How broken hearts breakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt