How broken hearts break

13.

Über die Feiertage hat Mama es tatsächlich geschafft frei zu bekommen und es gab keinen Notfall, weshalb wir ausnahmsweise ganze drei Tage am Stück als Familie verbracht haben. Es ist schon erstaunlich wie wenig Zeit für solche selbstverständlichen Dinge bleibt wenn man älter wird. Wenn wir ausgezogen sind und auch jeweils alle arbeiten ist es denke ich meisterhaft wenn wir uns auf einen Tag einigen können. Lenny ist irgendwann im Laufe des Tages zu Meg gefahren, oder eher Jens hat ihn gefahren und seitdem ist er klinisch tot. 
Was mich stört. 
Ich dacht nach diesem verdammten Kuss würde er mich fragen ob ich seine Freundin sein will oder ähnliches aber nichts, nada. Und alleine, dass ich mich irgendwie auf eine verkorkste Art und Weise dazu bereit fühle, macht es noch schlimmer. 
Wo ich gerade an ihn denke, taucht sein Name auf dem Bildschirm meines Handy's auf. 

"Hey Kätzchen," meldet er sich. 
Verwirrt sehe ich mich selbst im Badezimmerspiegel, mit der Zahnbürste im Mund an. 
"Okay der ist es schonmal nicht," redet er eher mit sich selber als ich nicht antworte. 
"Was ist was nicht?"
Ich klinge ein wenig nasal durch die Zahnpasta in meinem Mund. 
"Ich suche den perfekten Kosenamen für dich und Kätzchen ist es nicht," erklärt er als wäre das selbstverständlich. 
Gerade als ich mir den Mund mit Wasser ausspüle, platzt Jens ins Badezimmer. 
"Du räumst die Küche auf, Leo übernimmt das Wohnzimmer, Mama das Bad. Ich mach den Keller fertig, Mama hat erlaubt, dass die Silvesterparty hier stattfindet," er strahlt bis über beide Ohren. 
Toll, das heißt Leo's Beautygirls, Maxi und seine Familie sowie Jens Pumperfreunde werden sich alle in unserer Wohnung, dem Keller und dem kleinen Garten hinterm Haus tummeln.  Bevor ich Jens antworte widme ich mich wieder Leandro. 
"Wenn du magst, kannst du mit Meg vorbei kommen, kleine Silversterparty und so," Jens verdreht nur die Augen, lässt mich aber dann alleine. 
"Die Jungs kommen vorbei," lässt er ausklingen. 
"Wenn du magst kannst du die mitbringen, die Anderen schlafen auch mit Schlafsäcken und Luftmatratzen im Keller. Sieht jedes Jahr aus wie ein Bettenlager," erkläre ich. 
Er scheint kurz zu überlegen, dann höre ich gedämpft wie er mit Meg spricht. 
"Geht klar, aber nur wenn du mit mir einkaufen fährst," stellt er seine Bedingung. 

Die Küche blitzt, Leo hat alle zerbrechlichen Sachen aus unserem Wohnzimmer geräumt, sogar mein Zimmer ist in einwandfreiem Zustand. Nur ich selber sehe aus wie eine Katastrophe, als ich zum vierten Mal teilweise mit Absicht durch Leos Zimmer laufe packt sie mich am Arm und setzt mich vor ihren Schminktisch. Ich würde sie nie freiwillig fragen ob sie mir hilft beim Klamotten aussuchen und fertig machen, das wissen wir beide. Da Eleonora eine Künstlerin ist was sowas angeht und sie meinen Kleiderschrank teilweise besser kennt als ich, stecke ich kurz darauf in einem uralten Kleid, welches ich glaube ich noch nie an hatte. Es ist schwarz, geht mir circa bis zu den Knien und hat einen gewagten Ausschnitt. Als ich protestieren wollte hat Leo jedoch einfach provokant das Glätteisen mit dem sie meine Haare bearbeitet hat näher an meine Kopfhaut gehalten, als Warnung. Zum Glück hat sie irgendwo aus den tiefen des Schuhschrankes ein paar Stiefel mit silbernen Schnallen gefunden und mir ein wenig Schmuck von sich geliehen. Alles in einem sehe ich echt gut aus, dank meiner Schwester. Mein Handywecker erinnert mich daran, dass Lenny jeden Moment auftauchen wird damit wir einkaufen fahren. Jens hat uns für den Alkohol und was zu Knabbern beauftragt und Leandro besteht darauf zu bezahlen, zumindest einen Teil. Zufrieden begutachtet Leo ihr Werk. 

"Ich bin einfach fantastisch," lobt sie sich selber. 

Ich drücke sie einmal fest um mich bei Ihr zu bedanken und will dann im Wohnzimmer meine Sachen zusammensuchen. Leandro und Jens stehen mir jedoch im Weg und sehen mich beide perplex an. 

"Krass was ich alles aus ihr machen kann, wenn sie mal keine Hoodies trägt oder?" 
Da ist Leo wieder die hinter mir zum stehen kommt. 
"Ähm," Leandro scheint sichtlich überfordert. 
Jens hebt meinen rechte Arm und dreht mich einmal um meine eigene Achse. 
"Wer bist du und wo ist meine große Shirts, Hoodies und kurze Hosen tragende Schwester hin?" 
Ich haue ihm einmal kräftig gegen die Schulter woraufhin er einen schmerzverzerrten Laut von sich gibt. 

"Was geht denn hier ab?" 
Woher auch immer Maxi in dem Moment kommt, aber er gesellt sich auch im Wohnzimmer zu uns. 
"Heiliger Schwertfisch, Lilly du siehst heiß aus. Leo du bist echt eine Magierin," erklärt er anerkennend.
"Könnt ihr aufhören mich anzustarren? Sonst geh ich mir einen Hoodie und eine kurze Hose anziehen," erkläre ich warnend. 

Lenny sagt den ganzen Weg bis zum Supermarkt nichts, er starrt stur auf die Straße. Immer noch stumm stellen wir einen Haufen an Glasflaschen in den Einkaufswagen und alles Andere was Jens auf seinen dämlichen Zettel geschrieben hat. Es landen ein paar Tüten Chips und Salzbrezel neben den Getränken und dann packen wir die Sachen stumm an der Kasse aufs Band. Während Leandro bezahlt murmle ich sowas wie 'bin schon am Auto' und schlendere dann zum Parkplatz. Langsam wird es dunkel und wir haben nur noch zwei Stunden bis die Freunde meiner Geschwister und Leandros Freunde auftauchen. 
Ein wenig frustriert, dass wir seit dem Kuss bei mir Zuhause uns weder geküsst, noch darüber gesprochen haben lehne ich mich ans Auto. 
Kurz darauf schiebt Lenny den Einkaufswagen in meine Richtung. Auch wenn er einfach nur eine weiße Kombination trägt, sieht er heute nochmal extra gut aus. 
Oh man verwirrt mich die Sache zwischen uns. 

Bevor ich meine verwirrenden Gedanken weiter spannen kann, liegen urplötzlich seine Lippen auf meinen. Nur kurz für den Bruchteil einer Sekunde. 
"Sorry," murmelt er. 
Würde Leo mich nicht umbringen würde ich mir die Haare raufen. 

Beleidigt habe ich die ganze Autofahrt die Arme vor der Brust verschränkt. Ist doch zum kotzen. 
Mich nervt am meisten, dass ich es nicht gebacken bekommen etwas zu sagen. Aber ich hab einfach viel zu große Angst, dass er mich von sich schiebt weil ich genau das selbe getan habe. 

Jens kommt mit zwei von seinen Freunden raus um beim Tragen zu helfen, wenn ich mich recht erinnere heißen sie Paul und Niklas. Die drei unterhalten sich angeregt über irgendwas sportliches und ignorieren dabei gänzlich die Tatsache, dass wir existieren. Als alle Sachen oben sind und scheinbar alle anwesend sind außer Leandros Freunden macht er Anstalten zu gehen. 

"Wohin willst du?" Die ersten vernünftigen Worte die ich heute mit ihm spreche. 
"Draußen eine rauchen." Er wedelt mit der roten Packung. 
Ich nicke mit dem Kopf in die Richtung meines Zimmers und er folgt mir brav. 
In dem Kleid stellt es sich schwerer raus als ich dachte, auf die Feuertreppe zu kommen. 
Ich versuche notdürftig mein Kleid hinten runter zu halten und will gar nicht wissen wie bescheuert das aussieht. Lenny wirft mir meine Lederjacke durch das offene Fenster zu und zieht seine Sweatjacke zu, während er definitiv eleganter als ich zu mir klettert. 
Wir setzten uns nicht, dafür ist es wirklich zu kalt, aber ich lehne mich direkt unter meine ehemaligen Strichlisten an. 

"Was hast du da denn veranstaltet?" 
Er zeigt auf das Geschmiere an der Wand und zieht nochmal an seiner Kippe, ich tue es ihm gleich, dann Drücke ich meine am Geländer aus und werfe sie nach unten. 
"Hab Listen geführt," lege ich knapp aus. 
"Worüber?" 
Er folgt mir wieder in mein Zimmer. 
"Erst über Joah und meinen Vater, dann über dich," erkläre ich genauer. 
"Wieso über mich?" 
"Für jedes Mal, wenn ich gemerkt habe, dass ich dich mehr mag als ich sollte." 

Ich bin ehrlich, so ehrlich wie noch nie zu ihm. Ich stehe quasi geistig nackt vor ihm. 
Die Luft zwischen uns fängt an zu knistern. Mein Zimmer fängt beinahe Feuer so lange sehen wir uns einfach nur an und sagen überhaupt nichts. Ich habe das Gefühl, als würde er mir entgleiten also spreche ich die nächsten Worte nur ganz vorsichtig aus. 

"Ich denke ich hab mich in dich verliebt." 

Leandro sagt nichts, starrt mich einfach nur an. 
Irgendwie überfordert mich das noch mehr. 

"Also ich hab kein Plan von Gefühlen und so, aber ich denke so muss sich Liebe anfühlen," panisch zeige ich mit dem Finger zwischen uns hin und her um ihm irgendwie klar zu machen was ich meine.
"Als wir gestritten haben habe ich mich so ekelhaft gefühlt und in deiner Nähe ist irgendwie alles okay, sogar ein Besuch bei meinem Vater. Ich mein ich habe für dich Jens Auto entführt der mich definitiv umbringt wenn er es rausfindet," meine Handflächen schwitzen und ich schiebe ein unsicheres Lachen hinterher. 

Kann der sich mal bitte bewegen?!