How broken hearts break

23.

Rayven hört sich ohne mich zu unterbrechen an, wie ich Lennys und meine Beziehung erkläre und Joah. Den aktuellen Streit mit meinen Geschwistern und alles andere, ein paar Sachen scheint sie halbwegs zu wissen, weil sie mit dem Kopf nickt, während sie bei anderen Sachen echt verwirrt scheint. Kiana verlässt uns mitten in meiner Geschichte wie von Rayven vorher gesagt. Ich quassele bestimmt endlos lang, als ich endlich bei gestern und heute morgen ankomme, mich wundert, dass sie sich noch keine Notizen gemacht hat um überhaupt alles zu behalten. 
Kurz ist es still bevor sie kopfschüttelnd verbittert lacht. 
"Ich wusste Joah ist ein mieser Kerl," teilt sie mir mit. Jetzt bin ich die, die verwirrt ist, Leandro hat mir noch nie erklärt was eigentlich bei den beiden vorgefallen ist. 
"Joah ist Leandros Cousin," verrät sie mir. Also hatte Leo recht damit. 
"Am Anfang, nachdem Leandro in euer Kaff da gezogen ist, haben sie sich echt Bombe verstanden und sind häufig zusammen mit uns unterwegs gewesen." 
Ich erinnere mich gut daran wie die beiden rumgealbert haben. 
"Ich konnte dem Sunnyboy von Anfang an nichts abgewinnen, aber dann ist ein Mädchen ins Spiel gekommen," erklärt Rayven und trinkt einen Schluck Wasser. 
"Lean hat sich Hals über Kopf verliebt und Joah der Dreckssack hat die Kleine gevögelt und es ihm unter die Nase gerieben," die Tür zur Küche geht auf. 
"Lenny war verliebt?" 
Ich runzle die Stirn und sehe zwischen Rayven und Lenny hin und her. Im Gegensatz zu mir, scheint Rayven ein Licht aufzugehen, denn sie schlägt sich die Hand vor dem Mund zusammen und winkt nur schnell ab. Leandro sieht ziemlich unbegeistert über das Gespräch aus. 

"Wir fahren," bestimmt er echt angepisst. 

Ich überlege die ganze Zeit auf der Rückfahrt wer es wohl gewesen sein könnte, aber mir fällt es nicht ein. Leandro wird definitiv nicht drüber reden, also belasse ich es erstmal dabei. Bevor er mich in der Höhle der Löwen raus lässt, erklärt er mir, dass wir heute Abend auf eine Party gehen. Augenverdrehend erkläre ich nur, dass ich wenn alles gut läuft Jens und Leo mitschleppe was er mit einem Achselzucken abtut. 

Jetzt stehe ich seit guten 5 Minuten vor unserer Wohnungstür mit meinem Schlüssel in der Hand, bin aber zu feige sie zu öffnen. Jens nimmt mit die Entscheidung ab, weil er hinter mit die Treppe hoch kommt und wir uns peinlich ein paar Minuten lang ansehen. 

"Du kommst also auch mal wieder nach Hause," bemerkt er abfällig und schließt dann für uns beide auf. 
Tief ein und aus atmen, dann betrete ich hinter ihm den Flur. 
Mama runzelt die Stirn als sie uns sieht, ordert uns aber sofort in die Küche und holt dann Leo, die sich nochmal ausgiebig von Maxi verabschieden muss, der mir hinter ihrem Rücken einen aufmunternden Blick schenkt und andeutet, dass ich ihn anrufen soll. 
Die Stille in der Küche ist beängstigend. Mama lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und sieht uns abwartend nacheinander an. Jeder von uns meidet ihren Blick so gut es geht und so langsam macht mich das Ticken der Uhr echt wuschig. 
"Wir können auch gerne bis morgen früh hier sitzen," teilt sie belanglos mit. 
Schließlich seufze ich, " wir haben uns gestritten." 
Nickend sieht Mama mich an, " ja das konnte ich mir denken, aber so," sie zeigt mit dem Finger zwischen uns her. "So habt ihr euch noch nie gestritten."
Jens murmelt etwas unverständiges zu meiner Rechten und alle Blicke landen auf ihm. 
"Was?" 
Er winkt nur ab, doch Mama beharrt darauf. 
"Ich habe gesagt, vorher hat Lyra auch nicht rumgehurt," erklärt er sichtlich gereizt. 
Mir steigt das Blut in den Kopf und ich sehe ihn fassungslos an. Am liebsten würde ich jetzt jedes kleine dreckige Geheimnis was er hat ausplaudern, aber Leo hält sich schon ihren Bauch und sieht so aus als würde sie gleich wieder weinen. 
"Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen Lyra," wendet sich Mama scheinbar unbeeindruckt an mich. 
"Ich habe mit Joah geschlafen der eine Freundin hat, ja. Ich weiß, dass das nicht fair ist." 
Ich spiele mit offenen Karten. 
"Aber Jens hat kein Recht dazu mir vorzuschreiben mit wem ich mich treffen soll und mit wem nicht, ich bin alt genug um diese Entscheidung selber zu treffen," erkläre ich dann das letzte an Jens gewendet. Ich sehe ihn direkt an, " du bist mein großer Bruder ja, aber das gibt dir nicht das Recht jemanden zu verprügeln, nur weil du findest ich und er passen nicht zusammen." 
Mama scheint uns beide zu verstehen, denn sie nickt und nimmt dann den Faden dort wieder auf. 
"Mir ist klar, dass du deine Schwestern beschützen willst und was anderes erwarte ich auch gar nicht von dir Jens, aber du musst ihnen auch Freiraum bei sowas lassen. Das heißt nicht, dass ich deine Entscheidungen unterstütze Lyra, aber scheinbar weißt du das ja selber. So nächstes Problem," erklärt sie. 
Ich schweige diesmal. Jetzt ist Leo an der Reihe, sie wischt sich ein paar Tränen aus dem Augenwinkel und zieht die Nase hoch, ekelhaft. 
"Als Joah Lyra in der Schule bloßstellen wollte, hab ich das auf mich genommen, weil so der Spieß umgedreht wurde. Jetzt ist Joah das Arschloch und nicht Lyra die Hure. Jens hat ein Video davon gesehen und als ich ihm gesagt habe ich habe nicht mit Joah geschlafen, ist er durchgedreht und hat mein Zimmer verwüstet," erklärt sie immer noch weinerlich. 
"Okay," Mama wirkt leicht überfordert mit den neuen Informationen. 
"Ich gehe davon aus, du hast das aus freien Stücken getan. Lyra ich hoffe du weißt, dass das nicht selbstverständlich war," ich nicke ihr zu. "Und Jens, du musst wirklich nachdenken bevor du was tust und zuhören." 
Bevor Mama unsere Runde auflösen kann, sehe ich Leo nochmal an. 
"Das mit dir und Maxi war nicht so gemeint, ich freu mich für euch, das habe ich nur gesagt weil ich sauer war," erkläre ich ihr. 
Leo muss grinsen, "ich weiß, Maxi hat mir davon erzählt, dass du gesagt hast er soll zu mir halten anstatt zu dir. " 
Ich verdrehe nur die Augen über die Petze. 
"Also alles geklärt?" 
Jens schiebt energisch seinen Stuhl zurück. 
"Ich kann das nicht Mama, Lyra verurteilt Papa für etwas was sie selber tut. Das ist heuchlerisch," damit lässt er uns in der Küche alleine. 

Leo wollte nicht mit mir zu der Party auf die Lenny mich schleift, also habe ich Maxi dazu verdonnert. Ich trage eine Jeans und ein T-Shirt, zu mehr wird mich niemand bekommen, auch wenn Maxi der festen Überzeugung ist, wenn Leo mit mir fertig ist fallen Lenny die Augen aus dem Kopf. Ich habe mich freiwillig auf die Rückbank verfrachtet, weshalb Maxi Leandro mit irgendetwas zutextet. Leandro selber hat sich für eine dunkelblaue Kombi entschieden und sieht, wie eigentlich immer, unglaublich gut aus. Das Haus ist voll, zwar nicht so voll wie auf der Party von Tabea, aber voll. Leandro weist uns den Weg bis in die Küche, wo wir uns was zu trinken holen und uns dann im Garten bei Nikan und Elian niederlassen. 
Maxi findet Leute aus seinem Jahrgang und verschwindet dann mit denen wieder nach drinnen. Da weder Rayven noch Kia anwesend sind, ist das ganze für mich ein bisschen öde, aber ich gönne es Leandro, zumal er auch nicht trinkt um uns am Ende wieder heil nach Hause fahren zu können. 

Weil ich kein großer Fan von Trinkspielen bin, lasse ich Leandro und die anderen Beiden alleine Flaschendrehen spielen und setze mich in der Nähe auf den Rand eines Blumentopfs. Das Spiel ist langweilig, sowie es auch dämlich ist. Elian muss irgendein fremdes Mädchen küssen, irgendwer muss ein Getränk exen und jemand sich auf den Schoß von jemanden setzen. Es werden die typischen Fragen gestellt, wie erster Kuss oder ob man verliebt ist. Flaschendrehen eben, nicht sonderlich spannend. Dani spielt auch mit und dreht gerade die Flasche, nachdem sie einen Shot vom Bauchnabel eines anderen Mädchens lecken musste. Die Flasche trifft Leandro, der ganz unbeeindruckt Wahrheit wählt. Dani überlegt kurz bevor sich niemand anderes als Joah hinter ihr in die Hocke geht und sie in seinen Arm nimmt. Gott ist das ekelhaft. Er flüstert ihr was ins Ohr, bevor er sich wieder hinstellt und mir ein Lächeln schenkt. Mir kommt fast sofort Magensäure hoch, also nehme ich einen großen Schritt von meinem Glas um nichts doofes zu sagen oder zu tun. 
Dani beugt sich vor, "wie alt warst du bei deinem ersten Mal Sex?" 
"Zwanzig." 
Joah entgleisen die Gesichtszüge, als Leandro antwortet, weil er wohl nicht mit dieser Antwort gerechnet hat. Erst will ich ihm spöttisch entgegen lachen, als mir auffällt was genau Lenny da gerade von sich gegeben hat. 
Zwanzig. 
Leandro ist gerade zwanzig. 
Er ist eine Woche nachdem ich neunzehn geworden bin zwanzig geworden. 
Mein Hirn brauch ein bisschen um die Information zu verarbeiten. 
Das war sein erstes Mal, nach der Prügelei mit Joah. Auf einmal ergibt so vieles Sinn, warum wir nie weiter gegangen sind als uns zu küssen. Warum er so nervös gewesen ist in seinem Zimmer. 
Er hat mit keinem Wort gesagt, dass er noch Jungfrau ist. 
Mit einem Satz bin ich vom Blumentopf aufgestanden und lasse dabei mein Glas auf den Rasen fallen. Leandro dreht sich zu mir um und sieht mich entsetzt an, ich habe gehört was er gesagt hat. Bevor er aufstehen kann, habe ich mich schon durch die Menge gedrängt und die Haustür angesteuert, doch Joah stellt sich mit in den Weg. Bevor ich reagieren kann sitze ich zwischen den beiden fest. Die Szene ist wohl so episch, dass irgendjemand die Musik leiser dreht. 

"Lyra lass uns darüber reden," erklärt Leandro ruhig. Da ich aber gerade viel zu verwirrt bin schüttle ich den Kopf. 
"Ich will nicht reden." 
"Du warst wohl nicht ehrlich zu ihr," stellt Joah nüchtern fest und begutachtet uns mit einem Funkeln in den Augen. 
Da ich ziemlich verwirrt aussehen muss macht er einen Schritt näher auf mich zu und sieht mich genaustens an. 
"Oder hat er dir erzählt warum ich dich gefickt hab?" 
Ein paar der Umherstehenden ziehen lautstark die Luft ein, als ich mich mit Tränen in den Augen zu Leandro umdrehe. 
Lenny kämpft mit sich selber und ist mehr als nur angespannt. 
"Die Geschichte von Rayven," presst er heraus, sieht mich aber nicht an. 
"Es ging um dich." 
Kurzzeitig steht die Welt still, als ich mich wieder zu Joah umdrehe, der süffisant grinst. 
Joah hat mit mir geschlafen um es Leandro unter die Nase zu reiben. Lenny wusste die ganze Zeit über, dass ich mit ihm schlafe und was für ein abgekacktes Spiel er mit mir spielt. 
Sie haben mich beide die ganze Zeit über angelogen. 
Ich hab das Gefühl meine Brust explodiert vor Schmerzen und Verrat, als ich Joah zur Seite schubse und einen letzten Blick an Leandro verschwende, der von einem wütenden Maxi angeschrien wird. Kaum habe ich das Haus verlassen und atme frische Luft, fange ich unkontrolliert an zu weinen. Wie von selbst wähle ich eine Nummer. 

"Ja," schlaftrunken antwortet er mir. 
"Kannst du mich bitte abholen," wimmere ich in mein Telefon. 
Ich warte nicht einmal auf eine Antwort sondern lege sofort auf und schicke die Adresse. 
Während ich auf dem kalten Bordstein warte, versuche ich krampfhaft nicht an das zu denken was passiert ist, aber ich kann nicht anders. Der silberne Ford hält direkt vor meinen Füßen und ich fasse es selber nicht, dass ich die Tür öffne und einsteige. Müde werfe ich einen Blick zur Fahrerseite und versuche mich an einem Lächeln unter den ganzen Tränen. 
"Danke Papa."