How broken hearts break

10.

Jens ist mit seinen Freunden auf irgendeine Party hier in Pittsferry abgehauen, tatsächlich sah er sogar verboten gut aus. Maxi hat seine Geschwister, Mama ist arbeiten und Leo und ich spielen Uno am Küchentisch. Vielleicht ein wenig öde, aber Leo ist eine miese Verliererin und wir haben Pizza bestellt, also passt das irgendwie. 
Ich weiß, dass ich mich nur so komisch fühle, wegen Nikans Einladung, aber ich versuche es zu ignorieren. 
Ich besiege Leo zum vierten Mal in folge indem ich die letzte blaue Karte die ich habe ablege, woraufhin sie ihre wütend auf den Haufen pfeffert. 
"Du schummelst zu 100%," erklärt sie und beißt in ihre Pizza. 
Ich schüttle nur den Kopf und nehme auch einen Bissen von meiner mit Spinat.
Da ich mir sicher bin, dass Leo viel lieber bei Maxi wäre rechne ich ihr hoch an, dass sie sich die halbe Nacht bis kurz vor drei mit mir rumschlägt und sich in allen möglichen Gesellschaftsspielen schlagen lässt. 
Dann klingelt mein Handy. 
Lenny's Name leuchtet auf dem Bildschirm auf und ich bin mir sicher, dass es etwas schlimmes sein muss sonst würde er mich nicht anrufen, also gehe ich dran. 

"Lyra?!"
Es ist Nikan der versucht gegen laute Musik zu schreien. 
"Bitte sag mir du kannst so schnell wie möglich hier her kommen, es ist ein Notfall!"
Dann ist die Leitung tot. 

Leo sieht mich verwirrt an, wahrscheinlich weil sie das Gespräch gehört haben muss so laut wie er geschrien hat. 

Ich habe kein Auto hier, ist das erste was mir einfällt. 
Dann denke ich an Jens Wagen, der unten steht. 
Jens bringt mich um. 
Bevor ich weiter darüber nachdenken kann legt Leo den Ersatzschlüssel, von dem nur sie und Jens wissen wo er versteckt ist vor mich. 

"Wenn wir vor  halb acht zurück sind merk Jens es nicht." 

Ich denke gar nicht groß darüber nach und dann sind wir auch schon auf der Autobahn. Ich hasse Jens Wagen, er macht komische Geräusche und ich brauche immer ewig bis ich mich an die Kupplung gewöhnt habe. Keine Ahnung was Jens an dem Schrotthaufen so liebt, es ist ein Rätsel. Ich halte mich nicht wirklich an die Geschwindigkeitsbegrenzung während ich dem Navi aus Leos Handy folge. Die Party hören wir schon ein paar Straßen weiter weg. Überall stehen Autos, also stelle ich mich einfach irgendwo dazwischen und sage Leo sie soll im Auto warten, außer ich schreibe ihr was anderes, dann drängle ich mich durch die Menschen. Am Eingang der Schule stehen zwei Typen in Anzügen die so aussehen als würde sie den Einlass kontrollieren und das tun sie auch. 

"Name?" 
Ich bekomme Panik. 
"Ich will zu Leandro Schäfer," erkläre ich. 
"Dann sag mir deinen Namen," genervt lässt er eine Kaugummiblase platzen. 
Ich will ihn anschreien und ihm erklären, dass es dumm ist mitten in der Nacht eine Sonnenbrille zu tragen und, dass er ein Idiot ist, als jemand neben mir meine Hand nimmt. 

"Kiana Cadena und sie ist meine Begleitung," das dunkelhaarige Mädchen zieht mich einfach mit sich. Ein wenig Abseits des Trubels am Eingang und einer aus Tischen hergestellten Bar, hält sie mir nochmal die Hand hin. 

"Kiana Cadena, aber meine Freunde nennen mich Kia,"ich ergreife ihre Hand. 
"Lyra Jansen, aber meine Freunde nennen mich Lyra," erwidere ich grinsend. 
Wir lachen kurz, bevor sie mich mustert. 
"Du bist nicht von hier," stellt sie fest. 
"Pittsferry," bleibe ich kurz angebunden und sehe mich weiter um. 
Ich kann weder Nikan noch Leandro irgendwo sehen. 
"Cool, ich komme eigentlich aus Madford," sie rümpft die Nase. 
"Okay egal, wen suchen wir?" Sie blickt sich auch fragend um und wartet auf meine Antwort. 
"Leandro Schäfer," erkläre ich ihr irgendwie in der Hoffnung, dass sie ihn kennt. 
Da sie nicht so wirkt laufen wir ein wenig umher, doch von Lenny fehlt weiter jede Spur. 
"Kennst du hier vielleicht noch jemanden der wissen könnte wo er ist?" 
"Ähm Nikan, aber ich kenne seinen Nachnamen nicht," gebe ich ehrlich zu. 
Generell wäre es übertrieben zu sagen wir wären Freunde. 
Kiana scheint kurz zu überlegen bevor ihr irgendwie ein Licht aufgeht und sie los läuft. 
Sie bei ihrem Schritttempo nicht in der Menge an Leuten hier zu verlieren ist mehr eine Kunst als alles andere. Irgendwann öffnet sie eine Tür und zieht mich ins Schulgebäude. Hier drin ist kaum jemand, scheint so als würde sich alles nur draußen abspielen. Vollkommen überzeugt öffnet sie einen Klassenraum und quietscht dann. 

"Herrgott Rayven zieh dir was an!" 
Sie lacht. 
"Ihr beide seid echt widerlich," erklärt sie als sie weiter in den Raum geht und mich mitnimmt. Hinter uns schließt sich die Tür. 

"Du bist doch Lean's Freundin," verwirrt sieht Malcolm, wenn ich mich richtig erinnere an. 
Ein Freudenschrei entkommt Kiana neben mir als sie sich anerkennend selber auf die Schulter klopft. 
"Ich wusste ihr wisst wo sie Nikan findet," erklärt sie stolz. 
"K.C. fahr mal runter, Leandro hat die Kleine abserviert," erklärt Rayven. 
Auch wenn es mich nicht stören sollte, dass jemand so über die verkorkste Beziehung spricht, so setzt mir das mehr zu als ich zugeben will. 

"Nikan hat mich angerufen. Er meinte es sei wichtig," erkläre ich dann. 
Scheinbar scheinen sie mir zu glauben, denn kurz darauf folge ich allen dreien weiter quer durch die Schule. 

Es ist lautes Geschrei zu hören, das eine leicht gedämpft das andere lauter. Als wir um die nächste Ecke biegen, drückt sich Nikan mit aller Kraft gegen eine Tür und brüllt diese an. 

"BERUHIGE DICH!" 

Feste Schläge gegen die Tür von der Anderen Seite. 

"ICH WILL MICH NICHT BERUHIGEN!" 

Das ist definitiv Lenny.
In mir bricht Panik aus, als ich Nikan mit aller Kraft von der Tür wegschubse und sie im nächsten Moment öffne. 
Leandro ist viel zu verwirrt darüber in mein Gesicht zu sehen, als das er weiter brüllen kann. 
Er hat geweint, massig geweint so verheult wie sein Gesicht ist. 
Erst denke ich er schreit mich jetzt an, doch er nimmt mich einfach in den Arm und weint an meiner Schulter. Ein wenig überfordert tätschle ich seinen Rücken und sehe hilfesuchend zu Nikan der jedoch einfach nur erleichtert scheint. 
Bevor ich nachfragen kann hat Malcolm sein Jackett über Lenny und mich geworfen und sich hinter uns gestellt. 

"Ich bring die Beiden hier raus, lenk du seine Eltern ab," erklärt er. 

Es ist ein wenig stickig unter dem Stoff, aber Malcolms Parfum riecht erschreckend gut. Mir bleibt gar nichts anderes übrig als das zu tun was Malcolm sagt und ihm zu erklären wo ich geparkt habe. 

"Fahr nach Pittsferry, halt nicht an und nimm ihn mit zu dir nach Hause," erklärt er eindringlich. 
Kiana verdreht ihre Augen," das ist so ein Schnösel-Ding von dem wir normal Sterblichen nichts verstehen," erklärt sie. 
Malcolm holt sein Handy heraus und tippt meine Nummer ein die ich ihm diktiere, dann verabschieden wir uns und steigen ein. 

Leo ist eingeschlafen, sie schnarcht leise vor sich hin während ich Lenny durch den Rückspiegel beobachte. Ich sehe quasi die Zahnräder die sich in seinem Kopf drehen, so angestrengt scheint er über etwas zu grübeln. Ich bin mir nicht sicher ob er etwas getrunken hat oder generell was da gerade passiert ist. Aber ich bin mir zu 100% sicher, dass es etwas mit seinen Eltern zutun hat. 
Irgendwann erwidert er meinen Blick im Rückspiegel. 

"Willst du mich nur anstarren oder auch fragen was los war?" 
Er klingt ziemlich gereizt, so als wäre er auf Streit aus, also starre ich den Rest der Fahrt einfach auf die Straße. 
Zum Glück ist der Parkplatz auf dem Jens vorher geparkt hatte noch frei, also stelle ich den Wagen einfach irgendwie, dass es nicht auffällt wieder zurück in die Lücke und wecke dann Leo. Leandro trottet uns nach oben hinterher, während Leo den Schlüssel wieder versteckt hole ich mir etwas zu Trinken. 
Leandro setzt sich an den Küchentisch und vergräbt das Gesicht in seinen Händen. 
Scheinbar muss das was passiert ist echt schlimm gewesen sein, dass er und die Anderen so darauf reagieren. 

Ich will fragen, definitiv, aber er hat mich auch nie dazu gezwungen oder jemals nach irgendwas gefragt. Außerdem steht es mir nicht zu, zu fragen nachdem er mir seine Liebe gestanden und ich ihn einfach stehen gelassen habe. Es ist ein Wunder, dass er sich überhaupt von mir hat mitnehmen lassen oder einfach noch ein Zeichen dafür wie schlimm es in Cloveshill gewesen sein muss.