How broken hearts break

6.

Lenny und ich geben der Sache zwischen uns keinen Namen. Wir sehen uns öfter außerhalb der Schule, ich verbringe viel Zeit bei ihm und Meg. Meg ist eine wunderbare Köchin und sie bastelt und werkelt für ihr Leben gerne. Manchmal machen Lenny und ich rum weiter sind wir in den drei Monaten nicht gegangen. Es ist der Freitag vor den Herbstferien, am Sonntag habe ich Geburtstag und am Donnerstag darauf Leandro. Joah hat seit der Sache an der Mauer nicht einmal mehr mit mir gesprochen was mich gleichzeitig verwirrt wie auch beunruhigt. 
Gerade verteile ich das Abendessen auf fünf Tellern, da Leandro gleich zum Essen kommt und decke den Tisch noch mit Gläsern und Besteck. Mama telefoniert im Wohnzimmer, weshalb ich auch die Tür öffne als es klingelt. In weißer Cap und Shirt Kombination lächelt Leandro mich an und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. 
"Meg hat mir befohlen deine ganze Familie für nächsten Mittwoch einzuladen, da sie Donnerstag auf einer Beerdigung ist und mein Geburtstagsessen vorverlegt," teilt er mit während er seine Schuhe ordentlich neben meine stellt. 
"Klingt nach einem Plan," antworte ich also. 
Wir lassen uns schon mal am Tisch nieder und quatschen darüber was wir in den Ferien machen wollen, wozu leider auch ein paar Hausaufgaben gehören. 
"Das wird ihr nicht gefallen," erklärt Leo während sie vor Mama und Jens die Küche betritt. 
Meine Mutter fährt sich mit der Hand über ihr Gesicht und grüßt dann Leandro mit einem kurzen," hey Lenny." 
Da wir alle wissen, dass ich gemeint bin sehe ich meine Familienmitglieder auffordernd an. Jens ergreift das Wort. 
"Wir sind eingeladen worden in deinen Geburtstag bei Papa reinzufeiern," verkündet er als wäre es das normalste der Welt. 
"Ihr könnt ja fahren," zucke ich mit den Schultern. 
Meine Mutter haut mit der flachen Hand auf den Tisch und zieht wütend die Augenbrauen zusammen.
"Es reicht mir!" Sie klingt sauer und erschöpft. 
"Wir werden alle zu deinem Vater fahren, ob es dir nun passt oder nicht!" 
Vollkommen fassungslos starre ich in die Runde, Leo stochert in dem Auflauf rum und Jens sieht mich so an als würde er mir sagen wollen 'stell dich nicht so an'. Nur Leandro wirkt sichtlich verwirrt über diese Diskussion. 
Wir haben nie über meinen Vater gesprochen und weil er das Thema nie angesprochen hat, habe ich nie gefragt warum er bei Meg wohnt und wo seine Eltern sind. 
"Ich werde nicht mitfahren," ist alles was ich dazu sage bevor ich aus der Küche stürme. 
Ich höre noch wie Jens und Leo anfangen sich zu streiten, doch da hab ich schon längst meine Zimmertür hinter mir zugeworfen und bin in meine Notfallschuhe geschlüpft. Mit einem Satz befinde ich mich auf dem Vorsprung der Feuerleiter unter meinem Fenster und ziehe den Stift aus seinem Versteck. Dann kommt ein weiterer Strich unter die Liste Dad. Jeder Strich steht für eine Situation in der ich mich entweder vor ihm versteckt habe, ihm aus dem Weg gegangen bin oder es wenigstens versucht habe. 
Eigentlich hat Mama es immer verstanden, aber ich glaube nach fast einem Jahr meint sie wir müssen miteinander reden, dabei fühle ich mich noch lange nicht bereit dazu. Es kommt mir so vor, als hätten wir erst letzte Woche im Wohnzimmer gesessen und uns angeschrien. Ich habe ziemlich schlimme Dinge zu meinem Vater gesagt, weil ich es war die ihn mit Yvonne erwischt hat, während Mama nur da saß und geweint hat. Ich habe jegliche Fassung verloren, weil ich vor der Sache immer dachte wir wären eine perfekte Familie. Irgendwann ist auch meinem Vater der Kragen geplatzt und er hat mir genau so eklige Sachen an den Kopf geworfen wie ich ihm. Dann bin ich abgehauen und hab ihn seitdem nur noch flüchtig gesehen, weil ich meist daraufhin so weit es nur ging vor ihm geflüchtet bin. 
Das Metall unter mir wackelt als noch jemand neben mir aufkommt. Ich weiß auch so, dass es Leo ist, sie ist die Einzige die mich hier suchen würde.

"Lenny ist dich suchen weil er denkt du bist aus deinem Fenster abgehauen und machst einen 'schrecklichen Fehler'," erklärt sie mir und hält mir einen Snickers Riegel hin. 

Leandro denkt wahrscheinlich, ich bin dabei zu Joah zu gehen, weil ich ihm erklärt habe, dass ich das immer nur getan habe wenn ich durch mein Fenster abgehauen bin. Ein kleines Bisschen stört mich, dass er so von mir denkt. Wir teilen den Snickers und sitzen dann einfach da, ich weiß, dass Leo mir auch sagen wird ich solle mitkommen. 
"Ich muss es dir nicht nochmal sagen oder?" Der Sechzehnjährigen ging die Sache mit unseren Eltern auch ziemlich nah. 
"Nimm Lenny doch einfach mit zu Papa, du musst dich ja nicht mit Papa unterhalten und so hast du jemanden dabei," schlägt sie vor.
"Du hast Mama schon gefragt ob ich ihn mitnehmen darf oder?" Leo drückt mir einen Kuss auf die Wange und hält mir dann mein eigenes Handy hin. 
"Ich hab dir außerdem endlich mal seine Nummer geschickt, wird Zeit nicht mehr mittelalterlich zu kommunizieren," damit verschwindet sie wieder nach drinnen und lässt mich mit meinem Telefon alleine. 
Erst bin ich mehr als nur verwundert als ich mein Hintergrundbild sehe aber dann kann ich nur über Leo schmunzeln. Es ist das Bild was sie von mir und Lenny am aller ersten Abend gemacht hat. Ich weiß, dass ich ihn mehr mag als ich zugebe, aber trotzdem werde ich mein Lächeln nicht los. Es klingelt ein paar Mal bevor Leandro abnimmt.
"Schäfer." 
Ich kichere ins Telefon so ernst klingt er. 
"Jansen hier," schiebe ich zwischen mein Gekicher. 
Es entsteht eine ziemlich lange Pause in der keiner von uns etwas sagt. 
"Die ganze Zeit bekomme ich deine Nummer nicht und dann rufst du mich einfach so an?" Tatsächlich klingt er ein wenig schockiert.
"Ich dachte wir sind bereit dazu," erkläre ich. 
"Wo steckst du?"
"Vor meinem Fenster." 
Dann legt er einfach so auf. Ich nehme mir die Zeit mir sein Profilbild anzusehen und staune nicht schlecht als ich ihn in einer Gruppe von vier Jungs entdecke. Wie immer trägt er eine Cap und Shirt Kombination, diesmal in braun. Die Anderen müssen Elias, Nikan und Ben sein, seine Freunde von denen er mir schon ein paar mal erzählt hat. Einer von Ihnen hat einen Arm um Lenny gelegt und die Anderen beiden stehen auch Arm in Arm da. Die vier scheinen vor irgendeinem Denkmal oder einer Sehenswürdigkeit zu stehen und grinsen allesamt in die Kamera. Alle vier sind hübsch und wahrscheinlich liegt es daran, dass ich Leandro einfach sehr mag, aber er ist für mich der Schönste. 
Ohne groß darüber nachzudenken fange ich eine neue Liste mit einem großen L oben drüber an. Jeder Strich wird für ein Mal stehen wenn ich merke, ich mag Leandro zu viel. Direkt zu Anfang streiche ich einen Fünferblock an Strichen an die Wand. 
Lenny klettert kurze Zeit später zu mir auf das Metall und ich lasse automatisch meinen Kopf auf seine Schulter sinken. 
"Ich hoffe Leo hat dir schon gesagt, dass du mich morgen begleiten muss?" 
Er legt seinen Arm um mich und lässt seinen Kopf auf meinem nieder," mhm, ja. Ich bin morgen um 12 hier." 
Damit bleiben wir einfach in der Position sitzen und beobachten die Bäume und den Himmel ohne miteinander zu reden. Aber selbst das stimmt zwischen uns, wir können stundenlang nebeneinander Schweigen und es würde sich trotzdem gut anfühlen.