Morgen ist Heiligabend und Lenny war noch nicht einmal wieder Zuhause. Es ist anders zwischen uns, aber irgendwie auf eine gute Weise und auch wenn ich es noch nicht laut aussprechen kann, denke ich wir sind jetzt offiziell zusammen. Ein Teil von mir wird durch den Gedanken immer noch zur Flucht angeregt, aber der Teil der es gut findet überwiegt.
Ich komme mir vor als würde mein Leben gerade in einer Seifenblase umherfliegen so schwerelos ist auf einmal alles.
Der Brand bei Joah Zuhause war wohl echt heftig, so dass er und seine Familie aktuell im Hotel wohnen, laut Leo und ihrem Gossip. Ein kleiner Teil in mir gönnt ihm das, weil er so ein mieser Lügner ist, andererseits können seine Eltern nichts dafür, dass er ein Idiot ist.Jens fährt die Einfahrt zu Meg hoch und parkt auf dem Schotter, vor uns steht ein blauer Jeep. Kraftlos lässt Leandro seinen Kopf gegen die Scheibe sinken als er den Wagen scheinbar erkennt. Er dreht sich vom Beifahrersitz zu mir um," würdest du mitkommen?"
Als Antwort schnalle ich mich ab und steige aus. Sichtlich verkrampft schiebt Lenny seine Hand in meine und schließt ganz leise die Tür auf. Irgendwie habe ich das Gefühl er würde sich am liebsten sofort in Luft auflösen."Leandro?"
Eine unbekannte Stimme ruft aus dem Wohnzimmer nach ihm und er zerquetscht meine Hand fast. Ich glaube meine Finger sterben ab wenn er noch fester drückt.
Trotz, dass er sich unwohl fühlt stehen wir Sekunden später im Wohnzimmer. Meg sitzt auf einem Sessel gegenüber von ihr ein Mann und eine Frau, wobei der Mann aussieht wie eine ältere Version von Leandro."Ist schön, dass wir dich nochmal hier antreffen Sohn," sein Vater begutachtet ihn von oben bis unten und sieht dann mich mit hochgezogener Augenbraue an.
"Das ist aber nicht Katharina," erklärt er das offensichtliche.
Jetzt liegt auch die Aufmerksamkeit seiner Mutter bei mir die mich definitiv fröhlicher mustert.
Ich löse meine Hand aus Leandros und wische sie unauffällig an meiner Hose ab.
"Ich bin Lyra Jansen," ich schüttle zuerst die Hand seiner Mutter und dann die seines Vaters, wenn auch nur widerwillig. Meine Mutter würde mich zur Hölle jagen wenn ich nicht höflich wäre.
"Freut mich sie kennenzulernen Herr und Frau Schäfer," erkläre ich so sachlich wie möglich.
Leandros Mutter sieht kurz vorwurfsvoll zu Lenny.
"Decker, wir heißen Decker. Aber nenn uns Ina und Robert."Besitzergreifend nimmt Leandro sofort meine Hand wieder und drückt sie wenn möglich noch fester.
Er und sein Vater liefern sich ein Blickduell vom aller feinsten, bis sein Vater kurz wegschaut.
"Ich denke uns ist allen klar warum wir hier sind," berichtet er.
In Gedanken werfe ich ein mir nicht ein, bleibe aber still stehen und höre nur zu.
"Es ist Zeit, dass du wieder nach Cloveshill ziehst. Deine Mutter und ich haben dir jetzt eine Auszeit gegönnt, aber du musst meiner Mutter nicht weiter auf der Tasche liegen."
Erschrocken sieht Leandro zu Meg, die lediglich den Kopf schüttelt.
"Robert, ich hab es dir schon einmal gesagt, mein Enkel kann solange bei mir bleiben wie er möchte," dann lächelt sie Lenny zu.
Irgendwie fühle ich mich unwohl dabei, so tief in das Familiendrama mit reingezogen zu werden, doch scheinbar will Leandro mich bei sich haben.
"Nein. Ich werde hier bleiben, hier ist mein Zuhause."
Eine echt unangenehme Stille entsteht und irgendwie sucht Meg meinen Blick und sieht wohl wie absolut überfordert ich bin. Sie lächelt mir aufmunternd zu bevor Robert wieder spricht.
"Du kannst nicht dein ganzes Leben vor Zuhause weglaufen nur weil es dich an ihn erinnert!"
Er wird lauter und steht auf.
"Oder liegt es an der Kleinen?"
Abschätzig mustert er mich woraufhin Ina seufzend aufstehet.
"Robert lass uns gehen," fordert sie ihren Ehemann auf um die Sache zu deeskalieren.
Schlagartig lässt Lenny meine Hand los und baut sich vor seinem Vater auf.
"Du bist lächerlich," erklärt er mit so viel Wut in der Stimme, dass ich mehr als nur überrascht bin.
"Liam fand dich bis zu seinem letzten Atemzug lächerlich," holt er weiter aus.
Ina hält in ihrer Bewegung inne und sieht Leandro mit aufsteigenden Tränen in den Augen an.
Gerade als Robert was erwidern möchte unterbricht Leandro ihn barsch.
"Ich hab es satt, dass du versuchst mir mein Leben vorzuschreiben. Ich bleibe bei Oma und ich scheiß auf deine Firma und auf dein Erbe, du findest schon jemanden der trotz Trauer den Profit nicht aus den Augen verliert."
Dann macht er auf der Stelle kehrt und sprintet nach oben.
Meg steht auf und nimmt Ina in den Arm, die bitter angefangen hat zu weinen und ich stehe ein wenig verloren da und traue mich nicht jemanden anzusehen.
Die Sekunden bis Leandro mit einer Sporttasche nach unten kommt fühlen sich an wie Jahre angesichts der unangenehmen Situation. Er fackelt nicht lang greift meine Hand und zieht mich zur Tür. Erst als ich schon im Auto sitze und Leandro gerade die Beifahrertür öffnet, geht das Spektakel weiter. Robert steht in der Tür und lacht.
"Ich hoffe du weißt, dass du für mich gestorben bist," erklärt er als die noch immer weinende Ina ihr Gesicht in den Händen vergraben zu dem blauen Jeep läuft.
"Ist vielleicht besser so, zwei tote Söhne stehen dir besser als einer."
Dann steigt Leandro ein.Jens fragt nicht was gerade passiert ist, er fährt uns einfach stumm wieder zu uns nach Hause.
Ich weiß, dass es spätestens jetzt längst überfällig ist, dass wir uns unterhalten, aber ich fühle mich so als würde ich mich in sein Leben drängen. Andererseits war ich dabei, ich kenne nur den Hintergrund nicht.
Fast schon so als wüsste Lenny was ich denke, wirft er seine Tasche einfach unter mein Fenster und zieht sich den Schreibtischstuhl an mein Bett, damit wir uns gegenüber sitzen können, während wir reden.
Wenn er jetzt redet, heißt das ich muss auch reden.
Ich setze mich im Schneidersitz an das Fußende des Bettes und knülle ein Kissen vor meinem Bauch zusammen bevor ich die Arme drum schlinge.
Er nimmt seine Cap ab und wirft sie neben mich um sich durch die Haare streichen zu können."Wie du dir denken kannst, waren das meine Eltern," setzt er an.
Ich nicke, das ist einer der Schlüsse die ich ziehen konnte.
"Meine Eltern sind hoch angesehene Geschäftsleute die zusammen mit Familie Amalia in Cloveshill arbeiten, damit wir aus dem ganzen PR Trouble raus waren, haben meine Eltern mir und meinem Bruder den Mädchennamen meines Vaters gegeben, Schäfer."
Bis hier hin klingt es noch schlüssig, wobei er noch nie einen Bruder erwähnt hat.
Er atmet tief ein und aus bevor er mich traurig ansieht.
"Liam, mein Zwillingsbruder, ist vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben."
Er gibt mir nicht die Chance weiter nachzufragen.
"Dann bin ich zu meiner Oma gezogen, hab auf deine Schule gewechselt und mir für ihn und mich geschworen auf die Firma zu scheißen," erklärt er.
"Aber mein Vater versucht mich ständig dazu zu bringen und auf der Party in Cloveshill, hab ich irgendwie versucht das Band was wir mal hatten wieder herzustellen, aber er hat mich einfach nur für die Medien benutzt und dann bin ich ausgerastet. Nikan hat mich schnell weggebracht und die anderen haben sich um die Reporter gekümmert. Den Rest kennst du ja."Mir fehlen die Worte, also lege ich meine Hand einfach nur auf seine und schenke ihm ein Lächeln.
"Ihr hättet euch gemocht," erklärt er.
Vielleicht wäre jeder Andere sauer, weil er mir nie von den Dingen erzählt hat, aber ich weiß, dass es besser ist zu warten bis jemand seine Geheimnisse von selber erzählt. Niemand möchte dazu gezwungen werden zu erzählen wer er ist. Ich weiß, dass Lenny mich nicht dazu zwingt, aber ich möchte ihm jetzt auch erzählen was bei mir los ist, selbst wenn er schon viel mitbekommen hat und sich seinen Teil denken kann.
"Letztes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr wollte ich meinen Vater mit seinen Lieblingskeksen in der Firma überraschen, weil er länger arbeiten musste."
Tief ein und aus atmen, sage ich mir selber als die Bilder wieder zurück kommen.
"Dazu muss ich sagen, mein Dad und ich wir waren ein Herz und eine Seele. Ich hab ihm alles erzählt und wir waren so unendlich verbunden das macht den Verrat am meisten schmerzhaft."
Ich fummle ein wenig mit dem Saum des Kissens herum.
"Auf jeden Fall habe ich ihn in seinem Büro mit seiner Sekretärin Yvonne erwischt. Die Bilder von seinem Hintern und ihrem Stöhnen gehen nie wieder aus meinem Kopf, dafür sollte ich Schmerzensgeld verlangen," erkläre ich während ich mich innerlich dagegen wehre den nackten Po meines Vaters wieder zu sehen.
"Ich hab ihm zwei Tage gegeben um es meiner Mutter zu erzählen und bin zu Maxi gezogen, als ich dann wieder Zuhause war, hat er meiner Mutter erzählt wir müssten ihr was erzählen. So als würde ich daran beteiligt sein. Er hat nicht ein Wort gesagt bis mir die Sicherungen durchgebrannt sind und ich ihn angeschrien habe, ich hab ihn beleidigt weil ich so sauer darüber war was er Mama angetan hat und unserer Familie."
Die Wut kocht wieder in mir hoch als ich an seine schrecklichen Worte denke, Leandro nimmt zur Beruhigung meine Hand.
"Dann hat er zurück gebrüllt, meine Mama hat geweint, so bitter und laut. Es ging immer hin und her und dann hat er mir eine Ohrfeige verpasst als ich gesagt habe mir wäre es lieber er wäre nicht mein Vater." Ich fasse mir an die Wange, spüre nochmal das ziehen.
"Er hat gesagt ich bin nicht mehr seine Tochter und er will mich nie wieder sehen, also hab ich ihm den Gefallen getan. Ich gehe ihm aus dem Weg obwohl sogar Mama sich mit ihm vertragen hat. Irgendwie bin ich an dem Abend aber auf der Party von Ralf gelandet, bin mit Joah gegangen und hab mir die Haare gefärbt und jetzt sitzen wir hier," ich baue am Ende ein Schulterzucken ein und lasse mich dann rückwärts auf das Bett fallen.

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How broken hearts break
Fiksi RemajaLyra Jansen hat die Fähigkeit in der Menge zu verschwinden seit einem Jahr besser drauf als sonst jemand in Pittsferry. Der Einzige der wohl irgendwie nicht durch sie hindurch sieht, neben ihren Geschwistern und ihrem besten Freund ist Leandro Schä...