Wir sind nie still, weil wir uns vor uns selbst fürchten: wir haben regelrecht Angst vor den unbekannten Teilen in uns. Wir fürchten uns vor der möglichen Leere, dem Nichts was entstehen kann wenn wir die Stille brechen. Genau deswegen sitze ich still auf dem Beifahrersitz und traue mich gar nicht Lenny anzusehen. Ich habe Angst davor was passiert wenn wir jetzt darüber sprechen, weil ich das Gefühl habe Lenny könnte mein Herz mit seinen bloßen Händen momentan zerquetschen. Mir ist es unangenehm ihn angerufen zu haben und ich finde es widerlich, dass ich mich neben ihm so unwohl fühle wo er die letzten Monate über fast jeden Tag das war auf das ich mich gefreut habe.
Ich könnte schon wieder heulen, so armselig klingt das alles.
Er hält das Auto vor meiner Haustür und schaltet den Motor aus, keiner von uns bewegt sich oder sagt irgendetwas. Die Spannung die sich im Auto ausbreitet könnte man mit einem Messer zerschneiden so dick müsste sie inzwischen sein.
"Steig verflucht nochmal einfach aus meinem Auto aus Lyra," kraftlos lässt den Kopf gegen seine Scheibe sinken und hält die Augen geschlossen.
Auch wenn er die Worte ruhig gesagt hat fühlt es sich an als hätte er mich angeschrien.
Ich schlucke die Tränen runter und stelle die einzige Frage die mich aktuell interessiert.
"Warum willst du nicht mehr mit mir befreundet sein?"
Die Stille wird unmenschlich und so erdrückend, dass ich in Versuchung die Tür für frische Luft zu öffnen."Weil ich es nicht ertragen kann nur mit dir befreundet zu sein. Ich will dich ganz oder gar nicht an meiner Seite. Und ich hasse es, dass Joah dich immer wieder haben kann, also steig bitte einfach aus."
Dabei belasse ich es dann, ich steige aus dem Auto und lasse die Tür hinter mir zufallen. Dann stehe ich einfach auf dem Bürgersteig und bewege mich nicht. Auch Leandro startet nicht seinen Motor. Ich bemühe mich nicht auf der stelle einen Nervenzusammenbruch zu bekommen und einfach lautstark loszuheulen, da höre ich die nächste Autotür zufallen. Gerade als ich mich umdrehe und irgendwas erklären möchte, hat Leandro seine Lippen auf meine gedrückt und mich geküsst. Normalerweise sind seine Küsse immer voller Gefühl und zärtlich, aber das hier ist einfach nur ein Kuss. Weder er noch ich denken darüber nach, es tut einfach nur gut und löst den Knoten in meiner Brust zum Teil auf. Mir ist nicht im Ansatz klar gewesen wie sehr ich Lenny wirklich vermisst habe, bis zu diesem Moment hier.
Schweratmend lässt er mich los und macht einen Schritt zurück."Ich liebe dich."
Seine Worte treffen mich ohne Vorwarnung wie ein Komet. Ich kann darauf nicht antworten, weil ich mir nicht sicher bin was Liebe ist. Also sehe ich ihn kurz reumütig an, bevor ich einfach abhaue.Wütend über mich selber verkrieche ich mich also in mein Zimmer und bleibe einfach das ganze Wochenende dort, während mich seine Worte immer und überall verfolgen.
Eigentlich verfolgen sie mich auch noch einen Monat danach.
Sogar Leo hat irgendwann aufgehört versuchen zu wollen aus mir wieder einen normalen Menschen zu machen, sie lässt mich in meinem Zimmer in Ruhe und versucht nicht mehr krampfhaft mit mir zu reden.
Ich fühle mich alleine und sorge mit allen Mitteln dafür, dass es auch so bleibt, suspekt.Leandro verschwindet wie vom Erdboden.
Ich sehe sein Auto kein einziges Mal und auf dem Flur nach seinen Kursen ist er auch nicht zu sehen, also hake ich ihn gedanklich ab, auch wenn das emotional nicht so leicht funktioniert wie ich es gerne hätte. Trotzdem schließe ich das Kapitel Leandro so gut es geht ab und kurz vor Weihnachten schaffe ich es sogar mich mit meiner Familie an einen Tisch zum Essen zu setzten.
Sie tun einfach so als wäre es nichts besonderes, dass ich auch anwesend bin, doch ich erkenne die Erleichterung in Mamas Gesichtsausdruck und das kleine Lächeln um Leos Mundwinkel.
Leo quatscht über den neuen Gossip der Schule und Jens von seinen Uni-Bewerbungen. Ich höre wie immer nur zu. Und als ich die drei so schwerelos lachen sehe, beschließe ich, dass es mir nichts bringt Leandro hinterher zu weinen, zumal ich es selber verschissen habe und ich noch ein Leben habe was ich leben muss. Zu wissen, dass meine Familie sich sorgen um mich macht nur weil ich zu einem Trauerklos mutiert bin ist scheiße, also wird es Zeit das hinter mir zu lassen.
Ich lasse meinen Teller noch halbvoll stehen und eile in mein Zimmer bevor ich auf meinem Schreibtisch nach einer Karte suche und mir selber auf die Schulter klopfe für die Ordnung in diesem Chaos als ich sie finde.
Sichtlich verwirrt über meinen Stimmungswechsel haben auch die Drei aufgehört zu essen und machen sich auf meinen Ausbruch gefasst, als ich Jens die Geburtstagskarte auf den Tisch lege.

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How broken hearts break
Fiksi RemajaLyra Jansen hat die Fähigkeit in der Menge zu verschwinden seit einem Jahr besser drauf als sonst jemand in Pittsferry. Der Einzige der wohl irgendwie nicht durch sie hindurch sieht, neben ihren Geschwistern und ihrem besten Freund ist Leandro Schä...