Ein paar Stunden später bin ich gut angetrunken und lache ausgelassen über Gabriel, der eine eher schlechte Imitation von Queens ‚Don't stop me now' auf der Karaokemaschine zum besten gibt.
Matthew steht breit grinsend neben mir und hat seinen Arm um meine Hüfte gelegt. Als Gabriel an die Textstelle mit der ‚Sex Machine' kommt, sieht er mir tief in die Augen und ich spüre schon wieder, wie ich rot werde.Ich blicke zu Matthew und wieder habe ich das Gefühl, dass sein Lächeln seine Augen nicht erreicht.
„Matthew?" rufe ich über die dröhnende Musik und Gabriels ausgelassenes Gejohle. Er sieht mich mit fragend erhobenen Augenbrauen an und ich rufe: „Ist alles okay?"
Wieder lächelt er dieses Lächeln und nickt nur. „Klar, alles super."
Ich kenne ihn noch nicht gut, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass für ihn nicht alles super ist. Ich lege meinen Arm noch fester um ihn, um ihn spüren zu lassen, dass ich nicht möchte, dass er sich von mir entfernt.Gabriel springt laut lachend von der Bühne und kommt auf uns zugestürmt. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und presst seine Lippen fest auf meine. „Wie war ich, Baby?" fragt er kichernd und seine gute Laune steckt an. „Baby?" frage ich prustend und er tut so, als wäre er beleidigt. Ich wuschele durch seine Haare und lobe ihn. „Du warst ganz großartig. Nicht zu stoppen, könnte man sagen."
„Wollen wir dann bald nach Hause?" fragt Matthew und sieht auf die Uhr. Gabriel rollt mit den Augen, doch ich nicke zustimmend. Die letzten Tage haben mich sehr geschlaucht und morgen habe ich auch noch Vorlesungen.
„Wir bringen dich noch nach Hause," sagt Matthew und nimmt meine Hand.
„Joshua kann doch bei uns schlafen," schlägt Gabriel vor und jetzt rollt Matthew mit den Augen. Oh.
Es ist ihm nicht recht. Das ist es, wird mir plötzlich klar. Ich setze ein höfliches Lächeln auf und sage nur: „Nein, ich habe morgen Vorlesungen und muss früh raus."Gabriel seufzt und nimmt meine andere Hand. „Okay," nölt er. „Aber bleibst du wieder übers Wochenende?"
Matthews Hand rutscht langsam aus meiner und ich beiße mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Ich kann ihn nicht ansehen und so drehe ich mich stattdessen zu seinem Bruder und antworte: „Mal schauen, okay? Wir wollten morgen Nachmittag doch sowieso erst mal etwas zusammen unternehmen."
Gabriel strahlt mich an und zieht mich mit sich nach draußen.Beide bringen mich zum Wohnheim und Gabriel redet den gesamten Weg ununterbrochen. Wie toll er meinen Auftritt fand, dass er und Matt komplett unmusikalisch sind, dass er sich auf morgen freut, dass er eigentlich gar kein irisches Bier mag. Ich bin sehr schweigsam und auch Matthew sagt kaum ein Wort. Gern würde ich ihn fragen, was los ist, aber ich habe zu große Angst vor seiner Antwort.
Vor dem Wohnheim bleiben wir stehen und ich lächle verlegen. „Danke fürs nach Hause bringen, Jungs."
„Hallo? Natürlich! Du bist unser Cellosuperstar," lacht Gabriel und umarmt mich, bevor er mir einen langen Kuss gibt. „Gute Nacht, Joshua. Ich freu mich auf morgen."
„Gute Nacht, Gabriel. Ich mich auch," antworte ich und bin nicht sicher, ob ich gerade gelogen habe. Freue ich mich auf morgen?Zögerlich sehe ich Matthew an und er macht einen Schritt auf mich zu. Seine Hand legt sich an mein Kinn und seine weichen Lippen legen sich sanft auf meine. „Ich mag dich im Smoking," flüstert er an meinen Mund und ich schnappe nach Luft. Ich kann nichts antworten und er fügt hinzu: „Gute Nacht, Joshua."
Dann machen sich beide auf den Weg und ich blicke ihnen kurz nach, bevor ich in mein Zimmer gehe.Als ich die Tür öffne, höre ich Geraschel und ein leises „Scheiße". Offenbar hat Colin einen dauerhaften ‚Code grün' ausgerufen und wohl vergessen, mich darüber in Kenntnis zu setzen. Ich halte mir die Augen zu und sage: „Hi, Colin. Hi, Julia. Ich hole nur schnell meine Sachen, bin gleich weg."
Blind taste ich nach meinem Kulturbeutel und Klamotten und verschwinde dann im Gemeinschaftsbad.Auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum denke ich über den heutigen Tag nach. Das Vorspielen lief fantastisch und ich habe mich so sehr darüber gefreut, dass Gabriel und Matthew da waren um mich zu sehen. Auch der Abend im Irish Pub war schön und ausgelassen, aber ich mache mir Gedanken über Matthew.
Nicht zum ersten Mal war er in Gedanken und irgendwie abweisend. Hat er schon genug von mir? Hat er Zweifel, ob das Ganze eine gute Idee war? Vielleicht traut er sich nicht, es zu sagen, weil Gabriel gerade so glücklich mit unserer Dreierkonstellation ist.
Ich seufze und beschließe, ihn direkt zu fragen und öffne einen neuen Chat in meinem Handy.
Matthew
Hey, ich wollte nur fragen,
ob alles okay ist.Wieso schreibst du mir
direkt und nicht in der
Gruppe?Nun, ich dachte, falls du mir
irgendwas sagen willst, willst
du das vielleicht nicht vor
Gabriel tun.Gabriel und ich haben keine
Geheimnisse voreinander.
Bitte schreib nur in der
Gruppe.Entsetzt starre ich auf mein Handy. Seine Antworten sind so kühl und abweisend und ich bin gerade vollkommen sprachlos. So habe ich ihn überhaupt nicht kennengelernt.
Ich schalte mein Telefon in den Flugmodus und lege mich auf das Sofa. Es dauert noch lange bis ich eingeschlafen bin.
In meinen Vorlesungen am nächsten Vormittag kann ich mich kaum konzentrieren und bin wieder einmal froh darüber, dass ich Freitagnachmittag keine weiteren Vorlesungen habe. Zumindest habe ich mein Zimmer im Wohnheim mal für mich, da Colin noch bei seinen Kursen ist.
Mir fällt ein, dass ich mein Telefon noch gar nicht aus dem Flugmodus genommen habe und sehe, dass ich vierzehn Nachrichten habe. Alle in der Jogama-Gruppe
Jogama
Gabriel:
Guten Morgen, hast
du gut geschlafen?Matt:
Ja. Danke.Gabriel:
Doch nicht du, Trottel.
Ich habe dir grad einen
Kaffee gemacht!
Ich meine Joshua.Matt:
Der schläft wohl noch.Gabriel:
Was machen wir denn
jetzt heute Nachmittag?Matt:
Ich wollte gern in den
Wald.Gabriel:
Wieder Eichhörnchen
fotografieren?
Langweilig!Matt:
Gern auch einen Hirsch
oder Dachs. Zumindest
schieße ich die nur mit
der Kamera.Gabriel:
Stimmt, alles andere wäre
ja Sport und somit eher
was für mich.
Ich wollte gern zum
Baseball.Matt:
Ein langweiligeres Spiel
konntest du dir wohl
nicht aussuchen.Gabriel:
Baseball ist nicht
langweilig.Matt:
Wenn man nur zuschaut,
schon.Gabriel:
Wir lassen einfach Joshua
entscheiden.Matt:
Meinetwegen. Ich gehe in
den Wald.Nachdem ich mir alle Texte durchgelesen habe, antworte ich schnell.
Sorry, Handy war noch im
Flugmodus. Mir ist egal,
was wir machen.Gabriel:
Dann Baseball.Matt:
Viel Spaß dabei. Ich bin
dann im Wald.Können wir nicht alle
zusammen was machen?Matt:
Nein, geht ruhig mal. Ich
brauche eh noch ein paar
neue Naturaufnahmen.
Da stört ihr mich nur.Gabriel:
Alles klar. Joshua, ich hole
dich gegen halb vier ab.Wütend werfe ich mein Handy zurück auf mein Bett. Was ist sein verdammtes Problem?
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Dreisamkeit | ✓
Teen FictionJoshua Keane studiert Musikwissenschaft und ist mit seinem Studentenleben mehr als zufrieden. Eines Abends begegnet er dem Mann seiner Träume und hofft, ihn bald darauf wieder zu sehen. Doch kann es sein, dass er doppelt sieht? ------------ ❝ Und a...