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Ich wache auf und stelle fest, dass es draußen bereits dämmert. Wow, wer hätte geahnt, dass eine Dusche mich so ausschalten kann. Wenn ich daran denke, was ich heute Vormittag mit Gabriel und Matthew getan habe, überkommt mich sofort wieder eine Gänsehaut.

Aus dem Wohnzimmer höre ich ihr Lachen und stehe leise auf. Offenbar haben sie mir auch etwas angezogen, denn ich trage Matthews T-Shirt von letzter Nacht und eine Boxershorts, die nicht mir gehört. Ich tapse ins Wohnzimmer und beobachte sie still. Sie sitzen nebeneinander auf dem Sofa und spielen offenbar etwas auf der PlayStation.
Beide lachen laut und stoßen sich ab und zu gegenseitig mit der Schulter an. Bei genauerem Hinsehen fällt mir auf, dass sie Tekken spielen und beide den gleichen Charakter gewählt haben. Gerade lassen sie zwei fette Männer gegeneinander antreten und lachen sich gegenseitig aus, welcher von beiden jetzt ekliger aussieht.

Am Ende gewinnt der rechte fette Mann ganz knapp gegen den linken, was den linken Matthew - oder Gabriel - laut lachend seinen Controller auf den Tisch werfen lässt.
„Warte," ruft der rechte Gabriel - oder Matthew, verdammt ich muss unbedingt über ihre Unterschiede nachdenken. „Wir müssen noch mit Panda spielen!"
„Was hast du nur immer mit diesem Bär?"
„Er hat so eine hübsche Tasche!"
Der linke Zwilling schüttelt lachend den Kopf. „Und du hast eine hübsche Macke, mein Lieber. Ich gehe mal nach Joshua sehen."

Gerade will er aufstehen, als ich mich leicht räuspere. Beide drehen sich überrascht zu mir um und ich lächele verlegen. „Hi," murmele ich.
„Na?" fragt der Rechte. „Hast du deinen Rausch ausgeschlafen?" Er kichert und der andere knufft ihn mit einem finsteren Blick in die Seite. Oh, meine Vermutung lag offenbar instinktiv richtig, Matthew ist der linke Zwilling.
„Ja, irgendwie habt ihr mich ganz schön fertig gemacht," gebe ich zu und kratze mich am Hinterkopf.

Matthew steht auf und steht zögerlich herum. „Das tut mir leid, Joshua. Ich.. wir hätten dich nicht so überrumpeln dürfen und ich verspreche, dass so etwas-"
Ehe er weitersprechen kann, hebe ich meine Hand. „Bitte nicht," sage ich leise.
Fragend hebt er seine Augenbrauen.
„Bitte versprich mir nicht, dass so etwas nicht wieder vorkommt," sage ich ernst und er senkt beschämt den Kopf. „Ich fand es verdammt heiß und in meinem.. Rausch, wie Gabriel es genannt hat, habe ich tatsächlich kurz überlegt, ob ich euch nochmal nach einer Dusche frage," gebe ich leise zu.

Matthew starrt mich mit großen Augen und offenem Mund an, während Gabriel begeistert in die Hände klatscht und lachend „Whoo" ruft.
„A-Aber nicht sofort bitte," dämpfe ich seine Freude etwas und er senkt wieder seine Arme.
Matthew sieht ihn an wie ‚Siehst du?' und Gabriel streckt ihm die Zunge raus.

Ich räuspere mich und sage: „Ich müsste dann auch mal nach Hause."
Beide schauen überrascht und Gabriel dazu auch enttäuscht. „Was?" fragt er. „Kannst du nicht noch bleiben?"
Eigentlich habe ich nichts weiter geplant, möchte mich aber ungern selbst bei ihnen einladen, also zucke ich hilflos mit den Schultern.

„Also," mischt Matthew sich ein. „Wenn du noch Dinge zu erledigen hast, verstehen wir das natürlich." Gabriel nickt zustimmend. „Aber wenn du bleiben würdest, wären wir darüber sehr glücklich." Gabriel nickt noch deutlicher und ich muss ein bisschen grinsen, weil er dabei so süß aussieht. „Wir wollten ohnehin gleich Pizza bestellen, du musst am Verhungern sein," versucht Matthew mich weiter zu überzeugen.

„Ich will euch wirklich nicht zur Last fallen," bitte ich sie.
„Tust du doch nicht," widerspricht Gabriel. „Wir wollen dich hier. Bitte bleib noch, Joshua. Wir haben auch noch gar nicht geredet." Jetzt nickt Matthew eifrig. Ich seufze und nicke dann auch. „Okay," willige ich ein. „Ich melde mich nur kurz bei meinem Mitbewohner."
Jetzt nicken beide freudig und ich frage mich, ob ich schon jemals so viel Nicken auf einmal gesehen habe.

Ich schaue mich suchend um und Matthew kommt mir zu Hilfe. „Dein Handy liegt auf dem Küchentisch, Joshua," sagt er, ohne aufzuschauen, denn er und Gabriel haben nun noch eine Runde Tekken mit zwei dicken Pandas mit Hüten und Handtaschen gestartet. Kopfschüttelnd gehe ich in die Küche und sehe, dass ich bereits einen Text von Colin habe.

Colin

Hey Josh,
alles klar bei dir?

Könnte ich heute
Abend auch nochmal
Code grün einfordern?

Hey, alles gut. Sorry.
Nochmal Code grün?

Ja. Schlimm?

Nochmal die Gleiche?

Ja, ihr Name ist Julia.

Kein Problem.

Soll ich dir irgendwelche
Sachen in den
Gemeinschaftsraum
bringen?

Nicht nötig, ich bin nicht
im Gemeinschaftsraum.

Sondern?

Bei Matthew. Und seinem
Bruder Gabriel.

Und seinem Bruder?

Seinem Zwillingsbruder.

WTF?!

Ja.

Und du bist bei denen?

Ja.

Josh, du kriegst den
Hals auch nicht voll, was?
Großes Kino, Alter!

So ist es nicht, okay?

Hey, gönn dir reichlich!

Ich rolle mit den Augen und lege mein Handy wieder auf dem Tisch ab. Ich habe keine Lust mich zu erklären. Und vermutlich könnte ich das gerade auch gar nicht. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, wo dieses Mal Matthew sich über seinen Sieg freut.
„Ich hab dich nur gewinnen lassen," meckert Gabriel und Matthew lacht noch lauter.

Beide sehen zu mir und Gabriel fragt: „Und? Darfst du noch bleiben?"
Ich lächele und sage: „Ja, ich habe sowieso noch einen ‚Code grün'."
Matthew hebt wissend die Augenbrauen, während Gabriel verwirrt aussieht. „Muss ich wissen, was das bedeutet?"
Es ist fast ein bisschen unheimlich, dass sie unbewusst auch die selben Fragen stellen.
„Das kann ich dir ja gleich erzählen. Und ich will auch nicht unhöflich erscheinen, aber was ist denn jetzt mit dieser Pizza, von der gesprochen wurde?" frage ich vorsichtig in die Runde.

Gabriel nimmt schon das Telefon in die Hand und will wählen, als Matthew ihn stoppt. „Was ist jetzt wieder, Matt?" zickt Gabriel.
„Willst du Joshua vielleicht fragen, was er gerne hätte?"
„Oh, ach so. Joshua, was nimmst du?"
Ich überlege kurz und frage dann: „Haben sie auch eine Hawaii?"
Die Blicke, die mir nun begegnen, sind eine Mischung aus Ekel und Entsetzen. Gabriel rutscht langsam das Telefon aus der Hand und es fällt neben ihm aufs Sofa.

„H-Habe ich irgendwas Falsches gesagt?" frage ich zögerlich.
Matthew sieht seinen Bruder an. „Hast du die Axt gesehen?"
Gabriel schüttelt entsetzt den Kopf.
„Welche Axt?" frage ich.
„Deine Axt," sagt nun Gabriel.
„Ich habe keine Axt," antworte ich verwirrt.
„Musst du aber haben," mischt sich Matthew ein.
„Was? Wieso?"
„Weil du Ananas auf Pizza isst," erklärt sein Bruder.
„Aber das ist lecker," will ich mich verteidigen.

Gabriel tut so, als würde ihm gerade etwas Kotze hochkommen und Matthew hebt beruhigend die Hände. „Okay, Joshua," sagt er ganz langsam. „Jetzt nur nicht aufregen. Wir haben den Artikel gelesen, in dem stand, dass Hawaii-Pizza-Esser Axtmörder sind."
Ich schüttele lachend den Kopf. „Aber ich hab nicht mal eine Axt."
„Können wir dich irgendwie überzeugen, uns nicht zu töten? Was können wir dir als Tausch für unser Leben anbieten?" beruhigt Matthew mich weiter.
Gabriel kugelt sich mittlerweile vor Lachen auf dem
Sofa und auch ich kichere ausgelassen.
„Hmm," spiele ich nun mit. „Vielleicht würde eine weitere gemeinsame Dusche mit euch mich milde stimmen."

Die Blicke, die mich nun treffen, sind unbezahlbar. Matthews Zunge befeuchtet seine Lippen und Gabriel reißt sich bereits das T-Shirt über den Kopf. „Hey," rufe ich lachend. „Darf ich erst was essen?"
Schmollend zieht er sein T-Shirt wieder an und ruft den Pizzaservice an.
Während er telefoniert, lasse ich mich zwischen die beiden aufs Sofa fallen und Matthew streicht mir mit seinen Fingerspitzen über den Hals.
„Erzähl mal," sagt er lächelnd. „Wie kommt jemand so tolles wie du dazu, Ananas auf Pizza zu mögen?"

Dreisamkeit | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt