Kapitel 11

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Kapitel 11

An das Sieb heranzukommen, war kein Problem, nachdem Draco verschwunden war. Dafür war es ein großes Problem für Neville, sein Grinsen zu verstecken. Er fühlte sich so leicht und unbeschwert – und gleichzeitig zutiefst beschämt, wenn er daran dachte, dass er Draco Malfoy umarmt hatte. UMARMT! Seine Wangen brannten.

Blieb nur zu hoffen, dass Draco sich lieber den Mund mit Seife auswaschen würde, als dieses Thema nochmal anzusprechen. 

Ein zusammenfaltbares Sieb unter seinem Umhang versteckt, schlich Neville durch die Schule. Es war still und dunkel, die Sonne ging jetzt so viel früher unter und es fühlte sich an, als hätte er den Übergang von Sommer zu Herbst verpasst. Einmal nicht aufgepasst, getreu dem Motto seines Lebens. Das Licht der Fackeln an den Wänden flackerte vertraut. Bevor er die Treppe zum vierten Stock hinabstieg, horchte Neville in die Stille. Keine Schritte zu hören.

Dafür löste sich die Treppe knarzend von ihrem Absatz, kaum dass er zwei Stufen nach unten gestiegen war. „Oh Mann ...", stöhnte Neville leise und setzte sich auf eine der Stufen, bis die Treppe wieder zum Stillstand kam. Sie führte jetzt in die entgegengesetzte Richtung. „Mist."

Trotzdem machte er sich auf den Weg; man wusste nie, wann die Treppen sich entschlossen, wieder zurückzuschwingen – und ob sie dann auch tatsächlich stehen blieben. In seinem ersten Schuljahr hatte er einmal geschlagene zwei Stunden auf einer Treppe gesessen, ehe er es geschafft hatte, sie zu verlassen. Und dann war er Professor Snape quasi direkt vor die Füße gesprungen. Ein Albtraum!

Zu seiner Erleichterung waren ihm die Treppen auf seinem Umweg wohler gesonnen und so erreichte Neville den Korridor im dritten Stock, ohne jemandem begegnet zu sein. Bevor er hinter der Tür verschwand, schaute er sich nach links und rechts um. Stille. Das Schloss schien wie ausgestorben. 

Mit vor Eifer erhitzten Wangen machte er sich daran, den Trank wie im Buch beschrieben durchzusieben. Fünfmal sollte er es tun, die Pflanzenreste stets im Sieb belassen und nach jedem Umfüllen das leere Gefäß gründlich reinigen. Und als es tatsächlich funktionierte und der Trank seine Farbe änderte, da war es, als hätte er ein Wunder vollbracht. Gemessen an seinen Maßstäben war das gar nicht mal so weit von der Realität entfernt. 

Nevilles Wangen glühten vor Stolz und Arbeitseifer, am liebsten hätte er sofort weitergemacht. Aber das Rezept besagte, dass der Trank nun mehrere Tage lang über kleiner Flamme köcheln musste. Wie viele es genau waren, war ihm angesichts der jüngsten Geschehnisse gerade entfallen. Neville grinste.

Mit dem Zauberstab regulierte er die Flamme unter dem Kupferkessel etwas herunter, bis sie nur noch bläulich schimmerte. Der Trank beruhigte sich sofort und die Oberfläche glättete sich, nur vereinzelt stiegen noch kleine Bläschen an die Oberfläche. Und er roch gut. Neville beugte sich darüber und schnupperte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen so gut riechenden Trank zustande gebracht zu haben. 

Mit einem zufriedenen Nicken räumte er die Gerätschaften auf und reinigte das Sieb von den zerkochten Rückständen. Er würde es demnächst in den Raum der Wünsche zurückbringen. Dann wischte er sich die Hände am Umhang ab und verließ das alte Klassenzimmer. Der Boden knarzte, die Tür quietschte. Ein Jammer, dass sich so lange niemand mehr um diesen Korridor gekümmert hatte.

Aber als er sich umwandte, wusste er, warum das so war.

Der Korridor war in weißes Schimmern getaucht, ausgehend von fast einem Dutzend Geistern, die Neville niemals zuvor gesehen hatte. Eine alte Dame war dazwischen, die Haare zu Korkenzieherlocken aufgedreht, eine winzige Brille auf der Nase und ein Loch auf der Stirn. Merlin! War sie erschossen worden? Neville wandte den Blick ab.

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt