Kapitel 17

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Kapitel 17

Es war merkwürdig.

Obwohl Neville sich morgens im Spiegel ganz genau betrachtet und den Knutschfleck an seinem Hals versteckt hatte, fühlte er sich beobachtet. Angestarrt. Als stünde auf seiner Stirn in Leuchtbuchstaben 'Ich habe mit Draco Malfoy geknutscht!'. Was nicht der Fall war, er prüfte es extra nochmal in seinem Löffel.

Und trotzdem. Immer, wenn er sich umsah, wurden die Köpfe gesenkt. Und wenn er sich näherte, verstummten die Gespräche. Und obwohl niemand kicherte, schaute er, ob Toilettenpapier an seinem Fuß hing. Tat es aber nicht. Und sein Umhang hatte sich auch nicht im Hosenbund verklemmt.

Er atmete auf, als er den Gemeinschaftsraum erreicht hatte. Dann marschierte er schnurstracks zu Ginny, die mit ein paar Freundinnen bei den Fenstern stand und ihre Hausaufgaben verglich. „Ginny, hast du einen Moment?"

Die anderen kicherten. Neville sah sie an, die Stirn gerunzelt. Sie verstummten prompt.

„Klar." Ginny gab ihre Pergamentrollen an ein blondes Mädchen und stakste über die Taschen hinweg aus der Traube ihrer Mitschülerinnen. Sobald sie außer Hörweite waren, kicherte auch Ginny. „Cooler Auftritt! Und du bist nicht mal rot geworden."

Dafür schoss ihm jetzt das Blut in den Kopf. Neville verzog das Gesicht, beschloss dann aber, diese Sache einfach zu übergehen: „Sag mal, seh ich irgendwie anders aus als sonst?"

„Inwiefern?"

„Ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl, alle starren mich an."

„Hm." Sie stemmte die Arme in die Hüften und betrachtete ihn eingehend, von oben nach unten, dann drehte sie ihn sogar einmal um die eigene Achse. „Ich seh nichts Merkwürdiges. Abgesehen vielleicht von diesem Rollkragenpullover."

„Was ist damit?"

Ginny grinste. „Man möchte den Kragen runterziehen und nach dem Knutschfleck suchen, den du zu verstecken versuchst."

Neville fuhr sich mit der Hand über den Hals, als hätte man ihm den Tod durch Erhängen angedroht. „Im Ernst?", fragte er heiser.

Sie nickte. „Aber ich denke nicht, dass man dich deswegen anstarrt. Hier laufen so viele mit Rollkragenpullovern herum, dass das kaum noch auffällt."

Er ließ den Blick durch den Gemeinschaftsraum wandern, wo so kurz vor Unterrichtsbeginn das Summen zahlreicher Stimmen in der Luft lag. Rollkragenpullover konnte er nirgendwo entdecken. „Wenn du meinst ..."

Ginny tätschelte ihn am Arm. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Das hat bestimmt ganz andere Gründe als deine nächtlichen Unternehmungen."

„Dein Wort in Merlins Gehörgang", murmelte Neville. Wenn irgendjemand dahinter kam, mit wem er seine nächtlichen Unternehmungen verbrachte, hatte er ein gewaltiges Problem.

- - -

Kurz vor der Mittagspause fand er dann den Grund für all die Blicke, die ihm folgten und die verstummenden Gespräche. Auf dem Weg zur Großen Halle bemerkte er eine Gruppe von Sechstklässlern, die sich um Ernie Macmillan geschart hatten. Neville lief an ihnen vorbei und bog um die nächste Ecke. Aber anstatt weiterzugehen, blieb er dort stehen und spähte vorsichtig zurück.

Und da sah er es. Ernie verteilte kleine einzeln verpackte Pies an die Sechstklässler und kassierte dafür von jedem einen Sickel. Sobald jeder bedient war, löste sich die Gruppe auf, Ernie sah sich nach links und rechts um und schlenderte davon.

Neville beeilte sich zu verschwinden, ehe jemand auf ihn aufmerksam werden konnte. Und dann bereitete er sich darauf vor, Ginny zum zweiten Mal an diesem Tag aus einer Traube von Mädchen zu holen.

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt