Kapitel 5

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Kapitel 5

Als Neville die Augen öffnete, fühlte er sich wie in einem niemals enden wollenden Déjà-vû. Über ihm war die Decke des Krankenflügels, ein Anblick, dessen er schon seit seinem ersten Schuljahr regelmäßig beim Öffnen seiner Augen gewahr wurde. Meistens nach dem Zaubertränke-Unterricht.

Aber dieses Mal fand er in seiner Erinnerung keinen explodierenden Kessel und keinen tobenden Snape, sondern den Verbotenen Wald. Und einen riesenhaften Hund. Und einen echten Halbriesen. 

Und Draco. 

Er stöhnte. Aus einiger Entfernung näherten sich Schritte und kurz darauf stand Madam Pomfrey neben ihm. „Guten Morgen!", begrüßte sie ihn freudlos und tastete nach seinem Puls. Die Stille drückte so schwer auf seine Ohren, dass Neville glaubte, plötzlich taub geworden zu sein. Schließlich beendete sie die Zählung mit einem Nicken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Da bin ich ja nun aber mal gespannt."

„Worauf?", fragte Neville vorsichtig.

„Auf Ihre Erklärung."

Seine Stimme war nur ein Hauch, als Neville entgegnete: „Wofür?"

Eine Falte der Verärgerung erschien zwischen den Augenbrauen der Heilerin. „Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind, Mr Longbottom."

„I-I-Ich ...", stotterte Neville, ohne zu wissen, was er überhaupt sagen wollte. Er konnte ihr ja schlecht erzählen, was wirklich passiert war (zumal er selbst nicht einmal so richtig wusste, was passiert war; wie war er in den Krankenflügel gekommen?). „I-Ich weiß es nicht", murmelte er deswegen und wünschte sich, mit seiner Matratze zu verschmelzen. „Was ist denn passiert?"

Madam Pomfreys Miene verriet deutlich, dass sie ihm seine Ahnungslosigkeit nicht glaubte, doch ehe sie ihn weiter verhören konnte, öffnete sich die Tür zum Krankenflügel und ein roter Haarschopf erschien in Nevilles Augenwinkel. Er wagte es jedoch nicht, den Blick von der Heilerin zu nehmen, ehe die es tat und glaubte für einen Moment, diese drei Sekunden würden niemals enden. Dann wandte sie sich abrupt ab.

„Guten Morgen, Miss Weasley. Sie haben Glück, er ist wach."

„Wie schön!", freute Ginny sich, der das Blickgefecht der beiden vorher entgangen war. Sie kam zu seinem Bett und strahlte von einem Ohr bis zum anderen. „Wie geht es dir?", fragte sie, während sie sich einen Stuhl heranzog.

„Ich weiß nicht", gestand Neville und verfolgte mit den Blicken noch immer Madam Pomfrey. Leise fragte er an Ginny gewandt: „Was ist denn passiert? Warum bin ich hier?"

„Weißt du das nicht mehr?" Er schüttelte den Kopf. „Malfoy hat dich bewusstlos vor der Bibliothek gefunden und hergebracht. Du hattest eine innere Blutung."

Bibliothek?, fragte Neville sich verwirrt, ehe ihm einfiel, dass Draco sich ebenfalls schwer damit getan hätte, die Wahrheit zu erzählen. 

„Niemand weiß, woher du die Blutung hattest. Aber ich hab ein ganz schlechtes Gewissen deswegen."

„Warum?"

Ginny senkte beschämt den Blick und pulte an einem Hautfetzen an ihrem Daumen. „Weil ich dich dazu gedrängt habe, die Flüche zu recherchieren. Wahrscheinlich hat einer von den Carrows dich erwischt und dann einfach dort liegen gelassen. Ich will gar nicht wissen, was sie mit dir getan haben."

„G-Gar nichts!", rief Neville aus, ehe er sich davon abhalten konnte. Ginny hob den Kopf. „N-Nichts, an das ich mich erinnern k-kann, meine ich." Er spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. 

Ginny beugte sich zu ihm, ohne seine Verlegenheit zu bemerken. „Das haben die bestimmt mit Absicht getan", raunte sie. „Professor McGonagall findet das Ganze auch sehr bedenklich. Sie kommt bestimmt auch nochmal vorbei, um mit dir zu reden."

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt