Kapitel 20

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Kapitel 20

„Warum tust du das?"

Es dauerte einen Moment, ehe Daphne bemerkte, dass Draco mit ihr sprach. Dabei hatte er den ganzen Abend darauf gewartet, dass er endlich alleine mit ihr im Gemeinschaftsraum war und gleichzeitig gehofft, dass sie sich wie immer bis kurz vor Mitternacht in eines ihrer Bücher vertiefen würde.

Und den ganzen Tag davor hatte er versucht, Neville aus seinen Gedanken zu vertreiben. Neville, der im Unterricht an seiner Feder kaut. Neville, der mit roten Wangen ein Bund Weiß-Merlin-was hochhält. Neville, der ihm unter dem Tisch den Reißverschluss seiner Hose öffnet, während er beim Essen in der Großen Halle sitzt. Zugegeben, das letzte Bild war reine Fantasie, aber dafür war es umso hartnäckiger gewesen.

„Was meinst du?"

Draco spürte sein Augenlid zucken. „Die Sache mit dem Ravenclaw", entgegnete er ungeduldig, sah sich aber gleichzeitig im Gemeinschaftsraum um, ob nicht doch noch jemand da war, der dieses Gespräch belauschen könnte. Um das ungute Gefühl zu bezwingen, stand er auf und ging zu ihr hinüber.

„Oh, du meinst Terry." Sie schien es richtig zu genießen.

„Jaah", presste Draco angespannt hervor, während er sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches sinken ließ. „Warum tust du dir das an?"

Daphne schlug ihr Buch zu und lehnte sich gegen die Wand, die Rückenlehne des Stuhls zu ihrer Linken. Lässig stemmte sie ein Bein auf die Sitzfläche. „Warum sollte ich es nicht tun?"

„Weil es einen wahnsinnig macht! Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Überall ist ... er!"

Sie kicherte. „Dich hat es ja richtig erwischt."

„Ich will das nicht hören!", schnappte Draco und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Schon klar", entgegnete sie, grinste aber immer noch. „Was willst du denn von mir hören?"

Er holte tief Luft, stieß sie aber ungenutzt wieder aus seinen Lungen. „Einen guten Grund."

„Einen? Ich kann dir hundert nennen, ohne groß nachzudenken."

„Einen rationalen", schränkte er ein.

Daphne schnalzte mit der Zunge. „Davon gibt es keinen einzigen."

„Und warum tust du es dann?"

„Weil es mir das Herz zerreißen würde, es nicht zu tun. Wenn ich morgens aufwache, denke ich als erstes an Terry. Und wenn ich abends ins Bett gehe, ist er mein letzter Gedanke. Ich kann mich nicht von ihm fernhalten, selbst wenn ich es wollte."

„Und wie soll das weitergehen? Was macht ihr, wenn ihr mit der Schule fertig seid? Meinst du, deine Eltern würden ihn akzeptieren? Oder Terrys Eltern dich?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht."

Draco schnaubte. „Ich schon."

Nun setzte sie beide Füße auf den Boden und lehnte sich vor. „Warum sollte ich mir in einer Zeit wie dieser Gedanken darüber machen, was meine Eltern wollen? Ich weiß nicht mal, ob ich jemals mein Abschlusszeugnis in der Hand halten werde oder nicht doch vorher noch ins Gras beiße. Und selbst wenn ich überlebe, ist es doch mein Leben und meine Entscheidung, mit wem ich es verbringen will."

„Heißt das, du würdest lieber mit diesem Ravenclaw zusammen sein als mit deiner Familie?" Der Gedanke fühlte sich trotz all der zwiespältigen Gedanken, die er seinem Vater gegenüber hegte, vollkommen falsch an.

„Das weiß ich nicht. Und darüber denke ich auch jetzt nicht nach. Sollte es dazu kommen, dass ich mich zwischen Terry und meinen Eltern entscheiden muss, dann werde ich diese Entscheidung treffen. Und bis dahin genieße ich es, Zeit mit dem Menschen zu verbringen, der in meinen Gedanken mehr Platz einnimmt als ich selbst."

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt