Kapitel 4

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Kapitel 4

Obwohl Draco Malfoy sich eine gesunde Naivität erhalten hatte, hielt er sich für jemanden, der Zusammenhänge gut erkennen und rekonstruieren konnte. Er wusste vor allen anderen, dass Millicent in Crabbe verliebt war – und dass der nicht einmal wusste, dass sie ein Mädchen war. Er wusste von dem Liebhaber seiner Mutter, bevor er wusste, was Sex ist. Und er wusste, wo die Kammer des Schreckens war, bevor Potter auch nur geahnt hatte, dass es so etwas in Hogwarts gab. Wie er allerdings in diese Lage geraten war, wollte sich ihm nicht erschließen.

War es, weil er trotz des aktiven Krieges nach Hogwarts zurückgekehrt war? Oder weil er seine Eltern nicht so schätzte, wie es sich für einen guten Sohn gehörte? Oder verbarg sich hinter diesem Moment eine Art kosmisches Gleichgewicht, das ihm nun alle seine Fehltritte heimzahlte?

Er wusste es nicht. Und trotzdem hing er – Arme und Beine von sich gestreckt – mitten in einem überdimensionalen Spinnennetz. Und Longbottom halb auf ihm.

„Ich wär jetf doch lieber wieder in Profeffor McGonagallf Büro", hörte er Longbottom jammern, halb erstickt, weil die sonderbare Kraft, die sie in dieses Netz gezogen hatte, sein Gesicht in Dracos Umhang presste.

„Dann hättest du mir vielleicht nicht einfach nachkommen sollen, du Idiot!"

„Ftimmt. Ich hätte dich krepieren laffen follen." 

„Das machst du eh nicht", tat Draco die Bemerkung ab und versuchte sich etwas zu bewegen, um das warme Gewicht von seinem Bauch zu schieben. Vergeblich. „Kommst du an deinen Zauberstab ran?"

„Nein", keuchte Longbottom atemlos, „aber an deinen." Dabei schaffte er es, seinen Kopf herum zu drehen, so dass seine Nase deutlich spürbar an Dracos Unterbauch entlang strich.

„Wage es und du bist tot!", rief der Slytherin entsetzt. „Lass ja deine schwulen Finger von meinem ... Zauberstab." Das letzte Wort presste hervor, so dass es klang, als würde man quietschend die Luft aus einem Luftballon lassen.

Longbottom schwieg einen Moment, dann entgegnete er kühl: „Ich meine deinen richtigen Zauberstab. Meine Hand liegt auf deiner Umhangtasche."

Draco spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg. „Ähm ...", machte er und schaute nach oben, als gäbe es dort etwas, das ihn aus dieser Situation retten könnte. 

Stattdessen sah er dort etwas, das ihn umbringen könnte: den Bewohner dieses Netzes.

„Nimm ihn und tu etwas!", schrie er, während die acht Beine sich langsam vorwärts tasteten, hin zu dem Ursprung der Vibrationen.

„Was denn?", schrie Longbottom zurück, während er nach dem Zauberstab angelte.

„Einen Fluch, was sonst?" Entgegen seines inneren Dranges schielte Draco hinab auf den Haarschopf seines Schulkameraden.

„Und wohin? Ich seh nichts." Doch immerhin hatte er den Zauberstab nun fest in der Hand.

„Nach oben! Weiter rechts! RECHTS!"

„'Tschuldigung."

„Jetzt mach schon!" Das erste Spinnenbein betastete bereits Dracos Stirn.

Stupor!", rief Longbottom.

Die Spinne zuckte kurz zusammen.

„Einen richtigen Fluch, Longbottom!", brüllte Draco – und bekam prompt das tastende Bein in den Mund. Ihm drehte sich der Magen um, als er die borstigen Haare auf seinen Lippen spürte, und er drehte den Kopf weg.

A-Avada kedavra!", stotterte der Gryffindor. Nichts geschah. Keine grünen Funken, die sich aus der Zauberstabspitze lösten.

„Mach – es – richtig!", schrie Draco unbeherrscht. Das Spinnenbein war immerhin aus seinem Gesicht verschwunden, dafür blickte er jedoch direkt in die acht Augen, in denen sich sein erbleichtes Gesicht spiegelte.

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt