Kapitel 10

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Kapitel 10

Während sie durch die Schule schlichen, achtete Draco darauf, dass Neville hinter ihm blieb. Sein Anblick lenkte ihn dermaßen ab, dass er sogar durch den Blutigen Baron stolpern könnte, ohne es zu bemerken. Er war nicht mehr er selbst seit diesem unsäglichen Duell und er begann bereits jetzt, sich ernsthaft zu vermissen.

In der Schule war es still und der Sonnenuntergang tauchte die Gänge in gleißendes Rot. Seitdem die Carrows an der Schule waren, verschwanden die meisten Schüler direkt nach dem Abendessen in ihren Gemeinschaftsräumen und blieben dort bis zum nächsten Morgen. Nur die Gryffindors tanzten wie gewöhnlich aus der Reihe und hier warf Draco doch einen kurzen Blick zurück. Sein Ärger verpuffte wie Nevilles Tränke früher, als er das runde Gesicht des Gryffindors sah, das dank des Sonnenlichts zu leuchten schien. 

Schluss jetzt!

Schnaufend schlich Draco vorwärts. Siebter Stock. Davon waren sie noch drei Stockwerke entfernt. Lautlos huschte er die nächste Treppe hinauf und spürte, kaum dass sein Fuß die zweite Stufe berührt hatte, wie sie sich in Bewegung setzte. 

Draco wandte sich um und sah, dass Neville zu weit weg war, um ihm auf die Treppe zu folgen. Ratlos blieb er am Treppenabsatz stehen. „Wir treffen uns dort!", flüsterte er und schon war er verschwunden.

„Von mir aus", murmelte Draco und bevor die Sorge um ihn zu groß werden konnte, lief er weiter.

Was war es bloß, das ihn plötzlich dazu gebracht hatte, etwas für einen Gryffindor und noch dazu Neville Longbottom zu empfinden? Selbst wenn man mal von den charakterlichen Schwächen absah, bot er nicht viel. Er war klein, stämmig, das Gesicht rund und nicht mal die Haare konnten sich entscheiden, ob sie nun blond oder braun sein wollten. Das Ungeschick folgte ihm wie ein Schatten, vor Snape machte er sich fast in die Hose und wenn er nervös war – was ja quasi Dauerzustand war –, begann er zu stottern, als gäbe es kein Morgen mehr. Draco lief schon rot an, wenn er nur daran dachte, dass er Neville irgendwann als seinen Partner vorstellen musste, wenn er diese Sache nicht bald unter Kontrolle bekam. 

Andererseits hatte er keine Lust darauf, sich noch mehr von dem zu verbieten, was sich gut anfühlte. Wenn er nur noch tat, was die anderen erwarteten, was blieb dann von ihm übrig? Er stellte sich diese Frage nicht zum ersten Mal, aber seit einiger Zeit war sie hartnäckiger geworden. Vielleicht weil er festgestellt hatte, dass es niemand honorierte.

Er schüttelte den Kopf, wie um diese Überlegungen zu verscheuchen. Wenn er diesen Gedanken weiter verfolgte, konnte er auch gleich die Umsiedelung nach Gryffindor beantragen.

Im sechsten Stock allerdings war Neville plötzlich aus seinem Kopf verschwunden. Dafür sank ihm das Herz in die Hose, denn Dean Thomas und Parvati Patil bogen gerade um die Ecke, heute war es an Gryffindor, die Lehrer bei den Kontrollgängen zu unterstützen. 

Draco sah sich nach links und rechts um, aber da war nur eine alte Rüstung. Trotzdem hechtete er darauf zu und zog den Bauch ein, um sich dahinter verkriechen zu können. Dann sprach er einen Ignorier-Zauber über sich.

Die Stimmen von Thomas und Patil kamen näher und schließlich konnte Draco verstehen, was sie sagten.

„Wir könnten nachher noch kurz ... du weißt schon." Parvati kicherte mädchenhaft.

„Nicht heute. Wir müssen patrouillieren."

„Na, ich mein doch hinterher. Oder zwischendurch. Der Raum der Wünsche liegt quasi auf dem Weg ..." Im spärlicher werdenden Licht der Herbstsonne konnte Draco ihre weißen Zähne blitzen sehen und wie sie sich mit der Zunge über die Lippen leckte.

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt