Kapitel 12

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Kapitel 12

Schon als Draco aufwachte, wusste er, dass dieser Tag eine absolute Niete im Lostopf seines Lebens werden würde.

Das lag zum einen daran, dass er die ganze Nacht über so lebhaft geträumt hatte, dass er jetzt zerschlagener war als am Abend zuvor. Zum anderen lag es daran, dass er mit dem Gedanken an Neville Longbottom nicht nur eingeschlafen, sondern auch aufgewacht war. Großartig!

Bisher hatte er immer geglaubt, eine Ausnahme in Sachen Verliebtheit zu sein. Er hatte geglaubt, Mädchen würden ihm nicht das klare Denken verleiden und tatsächlich war es auch des Öfteren vorgekommen, dass er zeitweilig vergaß, welches Mädchen derzeit eigentlich sein Mädchen war.

Das Problem war: Neville war kein Mädchen. Jedenfalls nicht physisch. Hoffentlich. Draco zog eine Grimasse, während er sich im Spiegel des Jungenbadezimmers begutachtete. Er verspürte das dringende Bedürfnis, seinen Kopf unter den eiskalten Wasserstrahl zu halten in der Hoffnung, dass das den elenden Gryffindor aus seinem Kopf spülen würde.

Dummerweise funktionierte das genau gar nicht.

- - -

„Draco!"

Es war wie ein Reflex, dass er stehenblieb, anstatt einfach weiterzugehen. Laut genug war es im Gemeinschaftsraum, um hinterher überzeugend behaupten zu können, seinen Namen nicht gehört zu haben. Nun, da er aber schon stand, war leugnen zwecklos und so wandte er sich mit einem genervten Blick der Extraklasse zu Pansy um. „Was?"

„Du bist gestern spät zurückgekommen", stellte sie fest und strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.

Draco runzelte hingegen die Stirn. „Spionierst du mir nach oder was?"

„Nein. Ich saß bloß am Kamin, hab es zufällig mitbekommen und ..."

„Es geht dich überhaupt nichts an!", fiel Draco ihr ins Wort. „Und wenn du es fünfzig Mal zufällig mitbekommst."

Pansy rümpfte getroffen die Nase. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Ich will doch nur wissen, ob irgendwas gewesen ist, über das ich als Vertrauensschülerin Bescheid wissen muss." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und pustete gereizt gegen ihren langen Pony.

Draco biss die Zähne so fest aufeinander, dass man es eigentlich knirschen hören müsste. Doch der Strom der vorbeiziehenden Schüler schluckte jedes leise Geräusch. „Es ist nichts", presste er schließlich hervor und ehe Pansy noch weiter nachbohren konnte, wirbelte er auf dem Absatz herum und schloss sich seinen Mitschülern an, die aus dem Gemeinschaftsraum auf die Gänge strebten.

Da er sich nach dem ersten Weckerklingeln noch einmal umgedreht hatte in der naiven Hoffnung, noch eine halbe Stunde ungestört schlafen zu können, musste Draco heute auf sein Frühstück verzichten. Dummerweise befreite ihn das nicht davon, seinen nächtlichen Quälgeist direkt wieder unter die Nase gerieben zu bekommen, denn in der ersten Doppelstunde hatten sie Verwandlung zusammen mit den Gryffindors.

Missmutig ließ er sich auf seinen Platz am Fenster fallen und blinzelte gegen das einfallende Sonnenlicht an. Da draußen war es so unerträglich schön, dass er am liebsten die Gardinen zugezogen hätte. Aber sein Auftritt von eben hatte schon zu viel Misstrauen bei seinen Klassenkameraden geweckt; auf Pansys Warnung hin trauten sie sich kaum, ihm zu nahe zu kommen. Selbst Blaise musterte ihn von der Seite her, ehe er sich neben ihn setzte.

„Alles klar?", fragte er in seiner gewohnt knappen Art.

„Bestens", entgegnete Draco und wusste, dass das Thema damit erledigt war. Wenn bloß alle seine Freunde so wären wie Blaise.

Ein Funke und ZunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt