Kapitel 12

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Is love alive?
Is love alive?
Is love alive?

Winter Song von Sara Bareilles & Ingrid Michaelson


Julian und ich bleiben auf der Terrasse zurück. Ich sehe noch einen Moment auf unsere ineinander verschlungenen Hände, ehe ich mich von ihm löse und aufstehe. Es wird langsam dunkel und vereinzelt gehen die Lichter der Stadt an. Verrückt, dass man Trost in etwas finden kann, bei dem man mal vollkommen verzweifelt ist.

Ich weiß nicht ob es richtig war, es gleich allen zu erzählen. Eigentlich wollte ich die Sache auch nur grob umreißen, aber dann konnte ich nicht mehr aufhören zu erzählen. Es ist überraschenderweise unglaublich befreiend, das alles mal loszuwerden. Nadja wollte immer, dass ich zu einem Psychologen gehe und mir dort helfen lasse. Sie hat sich in den ersten Wochen solche Sorgen um mich gemacht, weil sie nicht wusste, wie sie mir helfen kann. Jedes Mal hat sie mir gesagt ich muss darüber reden. Mit irgendjemandem. Es würde mir helfen. Und genauso war es jetzt gerade.

Eigentlich sollte Julians Familie nur ein winziges Stück von mir bekommen und Julian später alles. Aber... es hat sich irgendwie verselbstständigt. Und jetzt fühle ich mich, als wäre eine unfassbar große Last von meinen Schultern gefallen. Ich fühle mich viel leichter, aber auch unendlich müde. Carsten hat mich schon zu viel gekostet. Das muss irgendwann enden. Und ich denke ich bin auf einem guten Weg dahin.

Auch wenn ich mir meinen ersten Abend mit Julians Eltern so nicht vorgestellt habe, denke ich doch, dass es richtig war. Vielleicht zu früh, aber richtig. Julian liebt seine Familie. Sie sind ihm unendlich wichtig und er zählt auf ihren Rat und ihre Meinung. Gerade deshalb ist es notwendig, dass sie wissen mit wem ihr Sohn und Bruder eine solche Vereinbarung trifft. Sie müssen wissen, dass es ihm gut geht, dass ich nichts tun werde, was Julians Ruf und seine Karriere gefährden könnte. Denn das würde ich nie, niemals tun. Aber das konnten sie ja zu Beginn nicht wissen und ich habe in Jürgens Blick gesehen, welche Sorgen er sich um seinen Sohn macht. Wegen mir. Ich hoffe, ich konnte ihm diese Angst nehmen.

Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekomme wie die anderen sich leise von Julian verabschieden. Erst als die Wohnungstür ins Schloss fällt, horche ich auf und schließe einen Moment die Augen. Tiefe Müdigkeit überkommt mich und ich muss mich einen Moment am Geländer vor mir festhalten, weil ich das Gefühl habe umzukippen. Diese ganze Sache zehrt jedes Mal wieder an mir. Und es macht mich unendlich traurig mir einzugestehen, wie wenig ich mir selbst wert war.

Ich schiebe den Ring wieder zurück unter das Kleid und umklammere das Geländer fester. Keine Ahnung was Julian jetzt von mir denkt. Es sollte mir egal sein, dass weiß ich. Man könnte meinen ich hätte meine Lektion gelernt und ich würde nicht darauf hoffen, dass ein Mann mir Wertschätzung entgegen bringt. Aber so wie es aussieht...

Julian unterbricht meine Gedanken indem er seine Arme um mich schlingt und mich einfach nur fest hält. Ich kann mich nicht rühren und halte unbewusst die Luft an. Julian beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss auf die Schulter, eher er seinen Griff verstärkt. Erst dann schaffe ich es ausatmen. Dabei lehne ich mich leicht zurück und lasse meinen Kopf an Julians Oberkörper fallen.

„Es tut mir leid", murmelt Julian in meine Haare. Ich schließe meine Augen und genieße den Moment und das Gefühl von Sicherheit, dass Julian mir gibt. „Was tut dir leid?", frage ich ihn leise. „Alles. Das ich dich an Anfang so dumm angemacht hat, dass ich wollte, dass du mir hilfst... Das ich ab und an so dämliche Kommentare abgegeben habe... Ich... wenn ich gewusst hätte...", Julians Stimme bricht ab. Ich umfasse Julians Arme mit meinen Händen. „Du konntest das doch nicht wissen. Du hast das gemacht, was für dich richtig war und für das solltest du dich nicht entschuldigen."

Winter Song ❄️ Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt