22 - Wintertraum

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Langsam löse ich mich aus meiner Erstarrung und bewege mich zur Tür. „Ha-hallo Dad, was tust du hier?" Stumm geht er an mir vorbei, wohl unentschlossen, was er sagen soll. Er bleibt vor Kyra stehen, die ebenfalls unentschlossen scheint. „Also Dad, das ist Kyra, Kyra, mein Dad..." Ich weiß, dass er etwas zu sehr gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen ist und das ist es, was mir Angst macht. Wir setzen uns alle stumm an den Tisch. „Maja wie kannst du nur etwas mit einer Frau anfangen... und sie ist viel älter als du! Du brauchst einen Mann, der für dich sorgt und dich beschützt!" Ich zucke bei dem aggressiven Ton meines Vaters zusammen. Er scheint sich dazu entschlossen zu haben, wütend zu sein. Das hätte er wohl besser gelassen, denn Kyra steigt augenblicklich die Röte ins Gesicht. „Also bei allem Respekt Sir aber was fällt Ihnen eigentlich ein, jahrelang im Ausland zu sein, dann im Koma zu liegen, nichts von Ihrer Tochter zu wissen und dann auch noch die Frechheit zu haben, Ihrer Tochter irgendwas vorschreiben zu wollen?! Sie waren lange nicht da und haben nichtmal selbst für sie gesorgt, was ich allerdings schon getan habe! Ich glaube es hackt! Und Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass Homophobie allein schon gesetzlich nicht erlaubt ist?!" Mittlerweile hat sie sich breit und mich beschützend vor meinem Dad aufgebaut. Dieser Schluckt gewaltig und ich meine, kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn zu erkennen. „Es.. Es tut mir Leid. Natürlich ist das Majas Entscheidung. Ich wollte nur eine Kiste mit Sachen deiner Mutter vorbeibringen und ich gehe dann auch mal wieder." Mit diesen Worten verlässt er so schnell das Haus, wie er es betreten hatte.

Kyra trinkt ihren Kaffee aus und verabschiedet sich dann mit einem Kuss. „Wir sehen uns morgen wieder in der Schule." „Ja... bis morgen", erwidere ich und bin immer noch gedanklich bei dem Besuch meines Vaters. Wird er etwas sagen? Ich muss versuchen, Kyra zu schützen...

Vier Tage ist es schon wieder her, als mein Dad plötzlich daheim auftauchte. Ich versuche, Kyra zu beschützen. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie schnell alles vorbei sein kann. Und das war nur mein Dad. Wenn uns die falsche Person gesehen hätte, könnte Kyra vielleicht im Gefängnis sitzen und ich währe wahrscheinlich von der Schule verwiesen worden. Kyra hat mich versucht, darauf anzusprechen aber ich gehe ihr aus dem Weg. So ist es vielleicht das Beste.

Gequält verlasse ich also an einem erneuten Tag die Schule, als eine Hand mich plötzlich an meiner Schulter zurückhält. „Maja... Bitte rede mit mir." Ich drehe mich um und blicke in diese wunderschönen schokobraunen Augen, in die ich mich schon vor langer Zeit verliebt habe. Sofort dränge ich das Gefühl mit aller Kraft auf die Seite und schlucke. „Es tut mir Leid aber es geht nicht. Es ist zu riskant und das kann ich nicht eingehen. Die Situation mit meinem Dad hat es mir erst vor Augen geführt. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn du alles wegen mir verlieren würdest." „Aber Maja, ich bin auch nicht frei von Angst. Es sind jetzt noch sechs Monate, die wir durchhalten müssen, das schaffen wir. Bis du deinen Abschluss hast", argumentiert sie, doch ich schüttle nur den Kopf. Sie will mich an sich ziehen aber ich versuche, sie davon abzuhalten.  „Kyra bitte", flehe ich schon fast, „so schaffe ich es nicht." Sie weiß, dass ich ihr nicht wirklich widerstehen kann. Anstatt sich jedoch zu entfernen, zieht sie mich in ihr Arme und drückt mich kurz an sich. Eine Welle der Gefühle durchströmt mich, als sie entschlossen sagt: „Ich weiß, dass du es so nicht schaffst. Das sollst du auch nicht. Ich werde um dich kämpfen und dich auf keinen Fall verlieren." Mit diesen Worten lässt sie mich los, dreht sich um und geht.

Verwirrt stehe ich erstmal eine Weile so da, bevor ich mich langsam auf den Heimweg mache. Allerdings dauert es nicht lange, bis ich überrascht stehen bleibe, als auf der anderen Straßenseite ein Auto parkt, in welches Frau Kramer einsteigt. Es ist nicht irgendein Auto, sondern das meines Vaters. Mir wäre fast die Kinnlade runtergefallen. Nach einem kurzen Gedankenchaos laufe ich jedoch zielgerichtet auf das Auto zu und sitze mich auf die Rückbank. Erschrocken weichen Frau Kramer und mein Dad auseinander, die gerade dabei waren, sich zu küssen. „Ok, was zur Hölle ist hier los Dad?!"

✔️Eine ganz besondere Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt