4 - Härter als ich dachte

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Als die Schulklingel zum Stundenwechsel ertönt, stehe ich mit einer Leere in mir auf. Und mit den gleichen Fragen, die ich schon vor 90 Minuten hatte, obwohl ich nicht wirklich aufgepasst habe und mich jetzt auch noch frage, was wir als Hausaufgabe aufbekommen haben. Nicht, dass mich das Fach nicht interessiert und vorallem wenn sie es unterrichtet höre ich besonders gerne zu aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Warum hat sie nicht gesagt, dass sie hier Lehrerin ist? Warum hat sie mit mir gespielt? Wahrscheinlich weil ich sowieso nur irgendeine Schülerin für sie bin und es ihr egal ist. Mal ehrlich was will ich auch machen? Während des Unterrichts hat sich mir zumindest eine Frage beantwortet: Ich muss das, was ich zu ihr gesagt habe und sie zu mir einfach vergessen. Davon abgesehen wäre es verboten, mit ihr eine außerschulische Beziehung zu haben oder irgendetwas dergleichen.

Als ich aus meinen Gedanken zurück in die Realität finde, fällt mir erstaunlicherweise auf, dass schon fast alle aus dem Klassenraum verschwunden sind. Alle außer Lina, mir und Frau Schneider. Kurz zögere ich den Raum zu verlassen, wohlwissend, dass ich davor an meiner Lehrerin vorbeigehen muss. Mir ist es einfach unangenehm, dass ich so indiskret war weil ich nichts wusste. „Kommst du?" fragt Lina, die mich wartend anschaut. Bevor ich mit meiner besten Freundin den Raum verlasse, hebe ich doch noch einmal meinen Blick obwohl ich dadurch Gefahr laufe, mich in diesen wunderschönen, braunen Augen zu verlieren.

Lina, die natürlich keine Ahnung von meinem inneren Durcheinander hat, schwärmt schon glücklich über heute Nachmittag: „Ich bin froh, dass wir heute schon früher aus haben. Ich hab Dave vorhin extra noch gefragt, ob er und Josh die Helme für uns mitgenommen haben. Sie warten, wie abgesprochen, draußen. Endlich treffen wir uns mal wieder alle zusammen und unternehmen was. Das hat mir in den Ferien in Spanien echt gefehlt."

Lina kann zwar super Deutsch und ist auch hier geboren aber ihre Mutter kommt ursprünglich aus Spanien und deshalb verbringt sie oft ihre Ferien dort. Linas Mutter hat ihren Vater durch eine Geschäftsreise kennengelernt, die er nach Spanien gemacht hat. Scheinbar war es Liebe auf den ersten Blick, denn nach einer langen Fernbeziehung, der die beiden standgehalten haben, zog sie nach Deutschland hierher. Zum Glück denn sonst hätte ich Lina nie kennengelernt und ein Leben ohne meine beste Freundin kann ich mir nicht vorstellen. Wir waren schon zusammen im Kindergarten und haben viel mit dem anderen durchgemacht. Sie war vor allem nach dem Unfall für mich da, kam fast täglich vorbei und hat mich unterstützt, wo sie nur konnte. Das war eine der schlimmsten Situationen in meinem Leben. Ich habe immernoch Albträume von dem Unfall. Aber das ist eine andere Geschichte.

Von weitem können wir schon die Jungs sehen, die uns nun auch entdeckt haben und uns zuwinken. „Hey", grüßen sie uns im Einklang als wir auf sie zukommen und Josh strahlt Lina förmlich an: „Hi... äh willst du wieder bei mir mitfahren?" Er wird etwas rot im Gesicht. „Klar, wenn ich darf?" Schon lange ist mir aufgefallen, dass Josh bis über beide Ohren in Lina verliebt ist aber er traut sich scheinbar nicht, es ihr zu sagen. Sie hat offensichtlich auch nichts gemerkt. Das geht jetzt schon ewig so. Seit langem wollte ich Lina mal fragen, wie sie zu Josh steht aber das würde zum Einen total auffallen und außerdem kommt Lina zu mir, wenn sie über sowas reden möchte und sonst lasse ich sie diesbezüglich in Ruhe. Sie hingegen ist da ganz anders als ich. Sie weiß, dass ich über mein Gefühlsleben eigentlich nie von mir aus rede. Da sie aber jemand ist, der neugierig ist und mich sowieso immer darüber ausfragt wenn Lina „einen Verdacht hat", gleicht sich das ganz gut aus zwischen uns. Wir sitzen jetzt alle auf den Motorrädern. Ich hinten bei Dave und Lina selbstverständlich bei Josh. Von den düsteren Wolken, die vorhin den ganzen Himmel bis hin zum Horizont verdeckt haben ist zum Glück fast keine Spur mehr übrig. Es hatte sogar für einen kurzen Augenblick geregnet, was aber bald wieder aufhörte. Ich hatte schon die Befürchtung, wir würden einen regnerischen Nachmittag bekommen. Doch jetzt strahlt die noch sommerliche Sonne zwischen den letzten dunklen Wolken hindurch. Ich liebe den Geruch von nasser Erde. Vorallem dann, wenn es im Sommer warm regnet sowie vorhin. Als wir alle unsere Helme aufgesetzt haben, fahren wir los. Erst Dave mit mir und dann Josh mit Lina. Raus aus unserer kleinen Stadt und vorbei an Feldern und grünen Wiesen mit wunderschönen Blumen.

✔️Eine ganz besondere Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt