Die erste Begegnung

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Panisch krallte ich mich an der Brüstung fest.  ,,Miss, ist alles in Ordnung bei ihnen?'', hörte ich auf einmal eine besorgte Stimme hinter mir. Ich drehte mich um, ohne das Geländer loszulassen. Vor mir stand ein junger, ungefähr in meinem Alter, Offizier. Er hatte eine schlanke aber auch muskulöse Figur, ein schmales Gesicht und dunkle, braune Augen. ,,Ich sah wie sie sich an der Reling festklammerten'', fuhr er mit besorgter Miene fort. Ich machte eine fahrige Bewegung mit der Hand. ,,Nein, es ist alles in Ordnung. Vielen Dank.'' ,,Ich möchte ihnen nicht zu nahe treten Miss, aber sie sind weiß wie ein Bettlaken. Sie sollten sich vielleicht hinsetzten und etwas trinken.'' Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, es geht wirklich.'' Ich ließ das Geländer los und wollte gehen, doch der Boden gab unter meinen Füßen nach. Ich sah mich vor meinem inneren Auge schon auf dem Deck aufschlagen, doch nichts passierte. Der Offizier hatte mich aufgefangen. ,,Miss, ich denke nicht das es geht'', sagte er mit leiser, sanfter Stimme. Mein ganzer Körper kribbelte bei seiner Berührung. Er half mir wieder auf die Beine zu kommen, ließ meine Arme aber nicht los, was auch gut so war, da ich noch ziemlich schwankte. Die anderen Passagiere guckten schon. ,,Kommen sie, ich bringe sie nach drinnen.'' Und so wankte ich, auf seinen Arm gestützt nach drinnen. Im Salon angekommen ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. ,,Ich hole ihnen ein Glas Wasser, Miss.'' Nachdenklich blickte ich ihm hinterher. Ob er wohl wusste, dass ich die Enkelin von Kapitän Smith war und wenn ja, was dachte er dann wohl von mir. Neugierig schaute ich mich in dem Saal um. Von der Decke hingen goldene Kronleuchter, die Wände waren holzverkleidet und überall standen filigrane Kaffeetische herum. Hier war es gerade relativ leer, da die meisten Leute draußen standen, um zu beobachten wie wir ablegten. Nur ein älteres Paar saß an einem Tisch und trank Kaffee. Die Dame warf mir einen mitleidigen Blick zu. ,,Seekrank?'', fragte sie. Ich schüttelte und nickte gleichzeitig mit dem Kopf, woraufhin sie auflachte und sich wieder ihrer Tasse zu wand. Der Offizier kam wieder und reichte mir ein Glas mit Wasser, das ich dankend annahm. Dann setzte er sich mir gegenüber an den Tisch. ,,Geht es ihnen wieder besser?'', fragte er, als ich mein Wasser ausgetrunken hatte. ,,Ja, vielen Dank'', erwiderte ich. Ein Blick an die Uhr an der Wand besagte mir, dass wir schon seit einer halben Stunde auf See waren und es war noch nichts schlimmes passiert ( wir waren nicht untergegangen, ich war nicht über Bord gegangen und bis jetzt waren wir auch in noch keinen Sturm geraten). ,,Sagen sie, wie heißen sie eigentlich?'' ,,Lowe, Harold Lowe'', antwortete er. ,,Und sie?'' ,,Edda Smith.'' ,,Wissen sie, irgendwo her kommen sie mir bekannt vor, aber ich wüsste nicht wo wir uns schon mal gesehen haben könnten.'' Ich konnte mir zwar schon vorstellen wo wir uns gesehen haben könnten, da ich meinen Großvater oft zu den Schiffen begleitete, schüttelte aber mit dem Kopf und tat so als ob ich angestrengt nachdenken würde. Lowe kratze sich am Kopf. ,,Mmh, aber irgendwo habe ich sie schon mal gesehen, da bin ich mir ganz sicher.'' Einerseits wollte ich ihn nicht anlügen, da er mir so nett geholfen hatte, aber wenn ich es ihm sagen würde, würde ich ich sicher zum Gespött unter den Offizieren werden. Es war ja auch total dämlich, mein Großvater war der erfolgreichste Kapitän der White Star Line und ich war nicht mal in der Lage auf einem Schiff zu stehen. ,,Vielen Dank, dass sie mir geholfen haben'', bedankte ich mich, während ich mich erhob. Ich winkte ihm noch kurz zu bevor ich mich aufmachte meinen Großvater zu suchen. Ich konnte seinen Blick in meinem Rücken spüren, als ich die Tür hinter mir schloss.

Gib niemals auf - TitanicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt