Holly

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Am nächsten Morgen klopfte es an die Tür. Wer konnte das sein? ,,Herein.'' Ein junges, freundlich aussehendes Dienstmädchen trat ein. Sie hatte ihre blonden Locken am Nacken zusammengebunden und strahlte mich an, als ob sie gerade einen Pokal gewonnen hätte. ,,Guten Morgen Miss, es tut mir leid das ich erst jetzt komme, aber es gab einige Unstimmigkeiten, da sie das Zimmer gewechselt hatten.'' Verwirrt schaute ich sie an. Ich brauchte kein Dienstmädchen. ,, Das ist sehr lieb von ihnen, aber ich glaube für mich war gar kein Dienstmädchen eingeplant.'' ,,Doch, doch, ihre Großmutter hat darauf bestanden und sie sind bei mir in den allerbesten Händen.'' Ich seufzte kurz auf. Meine Großmutter bestand sehr auf Etikette und sie hatte wohl Angst, dass ich alleine kein einziges Ballkleid anziehen würde – womit sie gar nicht so unrecht hatte. ,, So, dann werden wir sie jetzt mal fertig machen.'' Sie klatschte in die Hände. ,,Wie heißen sie eigentlich?'' ,,Oh, wie unhöflich von mir, das hatte ich ganz vergessen. Ich heiße Holly''. Sie lachte auf. Ich schlug die Decke zurück und ging zu meinem Kleiderschrank. ,,Warten sie Miss.'' Sie überholte mich auf halber Strecke und öffnete den Schrank. Sie suchte mir ein dunkelblaues Kleid, welches bis zu den Waden reichte heraus. Es war schulterfrei, hatte einen riesigen Ausschnitt und ich hasste es. Der Saum war mit weißer Bordüre besetzt und es besaß ein ziemlich enges Korsett. Da ich mir einfach wünschte, dass sie so schnell wie möglich wieder verschwand, ließ ich mir das Kleid anziehen und meine Haare zu einem Knoten flechten. ,,Kann ich sonst noch etwas für sie tun? Ich verneinte, bevor ich aus dem Zimmer floh. ,,Ich räume hier in der Zeit etwas auf'', rief sie mir noch hinterher. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, atmete ich tief durch. Der Morgen fing ja schon super an. Ich machte mich auf zur Steuerkabine. Dort angekommen sah ich als erstes meine Großvater und Mr Ismay, die wohl gerade ein paar Passagiere herumführten. Ich musterte die Leute. Es schien sich bei allen um erste Klasse Passagiere zu handeln. Die Männer trugen allesamt ordentlich gebügelte Anzüge und dazu passende Fliegen und die Frauen teure Kleider. Rose war auch unter ihnen, sie schien gerade sehr angeregt über etwas zu diskutieren. Sie gestikulierte wild mit ihren Händen und Mr Ismay sah nicht gerade erfreut aus. Sein Mund war zu einer schmalen Linie gekniffen und auf seiner Stirn hatte sich eine dicke Falte gebildet. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mister Isamy hatte ich noch nie besonders gemocht, er war sehr von sich selbst eingenommen und hatte ein ziemlich großes Ego. Ich setze mich an einen kleinen Tisch in einer Ecke, auf dem ein paar Karten lagen. Nach einer Weile zog das Grüppchen weiter. Großvater verabschiedete sich und kam zu mit. Er sah etwas entnervt aus, aber sein Gesicht nahm sofort wieder weiche Züge an, als er sich zu mir herunter beugte und mir einen Kuss auf die Stirn drückte. ,,Guten Morgen Edda.Hast du schon gefrühstückt?'' ,,Nein, ich bin grade erst aufgestanden.'' Mit einem seufzen reichte er mir einen Apfel, der auf einem Regal lag. Dankend nahm ich ihn an und biss hinein. ,,Kapitän Smith, Kapitän Smith!'' Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu und eilte in die Richtung, aus der der Ruf kam. Ich aß meinen Apfel auf und stand auf um noch ein bisschen das Schiff zu erkunden. Die Sonne strahlte vom Himmel und eine angenehme Brise wehte über das Deck. Sofort besserte sich meine Laune. Ich lehnte mich über die Brüstung und schaute nach unten auf die weiße Gischt. Das hätte ich nicht tun sollen, mir wurde schlagartig schwindlig und ich stolperte nach hinten. Ich ruderte mit den Armen in der Luft, in der Hoffnung, mein Gleichgewicht wieder zu finden, aber vergebens. Vor meinen Augen verschwamm alles, ich wusste nicht mehr, wo oben und unten oder links und rechts war. Hart schlug ich mit dem Kopf auf dem Holzboden auf.

Gib niemals auf - TitanicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt