Erwartungen und Schubladendenken

679 24 0
                                    


In meinem Apartment angekommen räumte ich meine Malsachen in eine Schublade. Bis zum Abendessen hatte ich noch viel Zeit. Vielleicht könnte ich noch ein bisschen das Schiff erkunden gehen. Also begab ich mich erneut aufs Deck. Eine Gruppe von Leuten lief an mir vorbei. Unter ihnen war auch Mr Ismay. Erfreut blieb er stehen, als er mich bemerkte. ,,Guten Tag Edda.'' An die Leute gewand erklärte er:,, Edda ist die Enkelin von unserem großartigen Kapitän Smith, der dieses wundervolle Schiff steuert. Magst du uns nicht begleiten Edda? Ich zeige den Leuten grade dieses Meisterwerk der Technik.'' Ich kniff die Lippen zu einem schmalen Lächel zusammen. ,,Natürlich Mr Ismay.'' Ich konnte diesen Mann nicht ausstehen. Er hatte so eine selbsverliebte Art und war zu berechenbar, aber ich wollte nicht unhöflich sein, außerdem war er der Chef der White Star Line und Großvater wäre sicher nicht all zu erfreut, wenn ich unfreundlich zu Mr Ismay war. Ich entdeckte ein Mädchen, das ungefähr in meinem Alter war und gesellte mich zu ihr. Sie hatte feuerrote Haare, porzelanweiße Haut und war wunderschön. ,,Guten Tag'', begrüßte ich sie schüchtern. Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln. ,,Hallo, ich bin Rose DeWittbuckater.'' Ich erwiderte das Lächeln. ,,Wie lange besichtigt ihr das Schiff schon?'' ,,Gefühlt seit zwei Stunden'', erwiderte Rose mit einem Augenrollen. Ich musste mir ein Lachen über ihren gequälten Gesichtsausdruck verkneifen. Wir waren wieder stehengeblieben und Mr Ismay hielt einen Vortrag darüber, wie großartig der Holzboden an dieser Stelle doch war und dass er ihn natürlich selbst ausgesucht hatte. ,,Und dein Großvater ist wirklich Kapitän Smith?'', flüsterte Rose mir zu. Ich nickte. ,,Dann hast du sicher schon viel von der Welt gesehen.'' Fügte sie schwärmerisch hinzu. ,,Mmh.'' ,,Es muss wundervoll sein, so frei zu sein. Nichts als der Horizont und das endlose Meer. Keine Pflichten oder Erwartungen. Ich beneide dich.'' Daraufhin erwiderte ich nichts. Fragend blickte sie mich an. ,,Weißt du, ich habe auch noch ein eigens Leben, unabhängig von meinem Großvater. Nur weil er Kapitän ist, heißt das nicht automatisch, dass ich auch das Meer liebe und immerzu reise'', erwiderte ich bissig. Mein Atem hatte sich beschleunigt, weil ich mich so aufgregte. Ich hasste es einfach in eine Schublade geschoben zu werden. Zum Glück gingen wir weiter und ich versuchte mich auf Mr Ismays Erklärungen zu konzentrierern.

Gib niemals auf - TitanicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt