Man sieht sich immer zweimal im Leben

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Am nächsten Morgen wurde ich von gedämpften Stimmen vor meiner Tür wach. Ein Blick auf meinen Wecker zeigte mir, dass es nicht mal acht Uhr war. Ich lauschte auf die Stimmen vor der Tür, aber ich konnte nur einzelne Wortfetzen verstehen. ,,Eisbergwarnung.'' ,,Quatsch.'' ,,Dieses Schiff ist unsinkbar.'' In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken und mein Atem beschleunigte sich. War das Schiff gegen einen Eisberg gefahren? Kenterten wir? Okay, beruhig dich, sicher handelte es sich nur um eine belanglose Unterhaltung zwischen Offizieren. Ich stand auf und suchte mir Kleidung für den Tag heraus. Ich entschied mich für ein dunkelblaues, hochgeschnittenes, langärmliges Kleid, das in der Taille in einen breiten Rock überging. Der Saum war mit weißer Spitze verziert und es war überzogen mit goldenen Ranken und Blüten. Ich kämmte meine dicken, schwarzen Haare und band sie mir zu einem Zopf zusammen. Dann verließ ich mein Apartment. Ich ging zur Steuerkabine, da ich dort meinen Großvater vermutete. Dieser Bereich war für Passagiere eigentlich verboten, aber ich kannte die meisten Offiziere auf diesem Schiff, da ich oft bei den Vorbereitungen der Schiffe dabei war und deshalb störte es niemanden, wenn ich hier war. Wie erwarte war er hier. Er stand vor dem großen Fenster und rührte in einer Tasse Tee. Neben ihm stand ein Offizier. Er kam mir bekannt vor, aber mir fiel sein Name nicht ein. Ich räusperte mich. ,,Guten Morgen Edda'', Opa drehte sich zu mir um. Auch der Offizier drehte sich um und ich erstarrte. Das war der, der mir gestern zur Hilfe gekommen war, als ich fast umgekippt war. ,,Das ist der fünfte Offizier Harold Lowe'', stellte Großvater ihn vor. Harold Lowe sah mindestens genauso geschockt aus wie ich. ,, Kennt ihr euch schon?'', Opa schaute mich fragend an. Ich schüttelte eilig mit dem Kopf und versuchte Lowe zu verstehen zu geben, ebenfalls nichts zu sagen. Er musterte mich noch einmal misstrauisch, bevor er sich wieder seinem Tee zu wand. Lowe verabschiedete sich schnell, bevor er mit eiligen Schritten den Raum verließ. Großvater schaute ihm verwundert nach. Am späten Vormittag holte ich meinen Block und ein paar Stifte aus meinem Koffer und ging zum Promenadendeck um dort an einem der Tische zu zeichnen. Ein kühler, salziger Lufthauch wehte mir um die Nase und die Sonne strahlte nur so vom Himmel. Ich breitetet meine Materialien auf dem Tisch aus und fing an zu malen. Ich war so vertieft in meine Arbeit, dass ich nicht merkte wie sich jemand näherte. Ich bemerkte Offizier Lowe erst, als er direkt vor meinem Tisch stand.

Gib niemals auf - TitanicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt